Bell - Uncertainty

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Maybelle Gastrell war keine normale Dreizehnjährige.
Sie unterschied sich von den Kindern in ihrer Nachbarschaft.
Im Sommer nach ihrem elften Geburtstag war eine Eule mit einem Brief im Schnabel durch ihr Wohnzimmerfenster geflogen und hatte sie und ihre Mutter, Mallory, darüber informiert, dass sie eine Hexe sei und von nun an auf die Hogwartsschule für Hexerei und Zauberei gehen würde.
Wirklich viel Glauben hatte sie dem nicht geschenkt, doch ihre Mutter hatte ihr noch am selben Abend etwas über Bells Vater berichtet.
Es war das erste und bislang auch einzige Mal gewesen, bei dem sie ihr etwas über ihn erzählte.
Er war kurz nach der Geburt seiner Tochter verschwunden und seit diesem Tag unauffindbar.
Allerdings hatten sie ihn auch nie gebraucht, sie waren ein starkes Team, das niemanden brauchte, das füreinander da war und nichts und niemand würde sie jemals trennen können.

Die Tasse war durch den Kaffee im Inneren sehr heiß geworden und Bell beeilte sich die Tasse abzustellen.
Ihre Mutter hatte es sich ebenfalls auf dem roten Sofa bequem gemacht und an ihrem Fernseher die Nachrichten angestellt.
Die blonde Nachrichtensprecherin las gut gelaunt vor, was sich in der Welt gerade so abspielte, aber Bell hörte nicht wirklich zu.
Themen wie Politik oder Wirtschaft entsprachen eher weniger ihrem Interessenbereich.
Doch als das Bild eines verwahrlosten, verrückt grinsenden Mannes eingeblendet wurde, horchte sie auf.
Das Dauerlächeln der Frau im Fernsehen war verschwunden und auch ihre heitere Stimme war einem ernsten Ton gewichen.
„Dieser Mann ist wirklich gefährlich. Er hat es geschafft aus dem sichersten Gefängnis des Landes auszubrechen. Falls sie ihn sehen, greifen sie auf gar keinen Fall selbst ein, sondern rufen diese Hotline an. Sirius Black..."
Der Rest des Satzes ging in einem lauten Schrei Mallorys unter.
Aus ihrem Gesicht war jegliche Farbe gewichen und sie hatte ihre Augen weit aufgerissen.
„Mama, was ist passiert? Wer ist dieser Mann?" in ihrer Stimme schwang Angst mit.
So hatte sie ihre Mutter noch nie gesehen, sie war immer so stark und unverletzlich.
Und nun fixierte sie ihre Tochter mit einem Blick, der Bell einen Schauer über den Rücken jagte.
„Du gehst jetzt am Besten in dein Zimmer. Dort packst du alle deine Sachen zusammen. Wir fahren zu Ayesha und danach nach London. Nimm also auch die Sachen mit, die du für die Schule brauchst."
Sie hatte ihren Mund schon zum Protest geöffnet, aber der Blick ihrer Mutter duldete keine Widerrede.
Also griff sie nach ihrer Tasse und stieg die Treppe ins Obergeschoss hinauf.

Ihr Zimmer war durch die Vormittagssonne erhellt und Bell setzte sich frustriert auf ihren Schreibtischstuhl.
Sie wollte ihre Ferien endlich mal hier in Torquay verbringen, in der Nähe des Strandes und nicht in einer kleinen Wohnung in der stickigen Großstadt London.
Das letzte Schuljahr war aufregend und anstrengend gewesen, und sie hatte sich auf ihr Zuhause gefreut.
Aber nein, ihre Mutter musste ja wegen eines Verbrechers durchdrehen, als ob er als Erstes bei ihr klingeln würde.
Ihr Blick glitt durch das Zimmer und fiel auf das kleine alte Radio in der Ecke. Wenn dieser Black wirklich so gefährlich war, wie es die Reaktion ihrer Mutter verlauten ließ, dann wurde bestimmt auf allen Kanälen darüber gesprochen.

Doch nirgends gab es genauere Informationen zu ihm.
Nicht, wo er ausgebrochen war.
Nicht, wie lange er schon auf freiem Fuß war.
Und auch nicht, was er getan hatte.
Black erschien Bell wie ein Phantom, man wollte nichts über ihn preisgeben, aber wie sollte man ihn finden, ohne zu wissen, wozu er fähig war?
Diese Fragen beschäftigten sie, während sie durch das Zimmer ging und frustriert alles Wichtige wahllos in ihren Koffer warf.
Die Schuluniformen ließ sie aber gleich in ihrer Truhe, innerhalb des letzten Jahres hatte sie einen gehörigen Wachstumsschub hingelegt.
Sie war immer noch eine der kleineren ihres Jahrgangs, aber es hatte dennoch gereicht, um aus der Uniform hinauszuwachsen.
Mit einem Klicken verschloss sie den Koffer und zog den Reißverschluss ihrer Reisetasche, mit den Sachen, die nicht für Hogwarts waren, zu.
Zu guter Letzt packte sie die Sachen, die auf ihrem Nachttisch lagen, in einen Rucksack.
Das wichtigste Teil aus ihrem Besitz, ein Discman, steckte die in die vorderste Tasche.
Dazu kamen sehr viele CD-Hüllen, auch wenn sie sich nicht sicher war, welche CDs sich im Innersten befanden, diverse Reclamhefte, sowie das Buch, welches sie gerade las, und ihr Zauberstab.
Als letztes wandte sie sich den Bildern auf dem kleinen Schrank zu.
Das erste zeigte sie mit ihrer Mutter und ihrer Patentante Ayesha am Strand unweit ihres Hauses.
Ein weiteres zeigte ein kleines blondes Mädchen, das stolz eine große Zuckertüte in die Kamera hielt, sie erinnerte sich gut an diesen Tag.
Ihre Einschulung war wundervoll gewesen.
Selbst ihre sonst so beschäftigte Mutter hatte sich damals eine ganze Woche frei genommen, um ihr den Schulstart zu erleichtern.

Die Kinder der Rumtreiber - the beginningWhere stories live. Discover now