das fünfzehnte Kapitel

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Eine gefühlte Ewigkeit stand ich noch an der Tür und versuchte angestrengt meine Gedanken zu ordnen. Ich konnte nicht leugnen, dass dieser arrogante und so unfassbar überhebliche Mann etwas in mir auslöste, was ich entweder sofort verdrängen, oder es weiter erforschen sollte. Verdrängen würde wohl die beste und mit großem Abstand logischste Entscheidung sein.

Immerhin war ich zu jung dafür mich ein schwarzes Loch ziehen zu lassen und Nadal Belluci stellte für mich den absoluten Untergang dar. Mit seiner düsteren und einschüchternden Aura, die so viel Respekt verlangte, dass selbst meine innere Diva allmählich begann daran zu zweifeln, ob ich denn tatsächlich so stark war, wie ich vorgab zu sein. Jeder einzelne Handlung seinerseits ist diszipliniert und geordnet.

Nadal wirkte so autoritär, dass es einem fast schon Angst machen könnte. Wahrscheinlich war er deshalb der Beste in seinem Gebiet, so wie gleichzeitig der derzeit begehrteste Mann aus der Umgebung.

Ich war komplett in Gedanken versunken, als Ramòn meinen abwesenden Blick als Einladung zu einem Gespräch aufnahm und sich freundlich lächelnd neben mich gesellte. Als ich noch zur Schule ging, hatte ich die Möglichkeit mit anderen Typen zu sprechen, doch da ich bereits seit Längerem meinen Abschluss in der Tasche hatte und bald studieren würde, kam es gar nicht mehr dazu ein Wort mit Menschen, außer meiner Familie, den Bediensteten, Bronco und Raquel, zu wechseln.

„Dich auch mal wieder sehen zu können, ist eine unfassbar große Überraschung für mich, Pénelope" Das war mal eine andere Art von Begrüßung, auch wenn ich fand, dass sich mein Name aus seinem Mund sehr fremd anhörte.

„Je seltener, desto mehr schätzt ihr es", antwortete ich gespielt abgehoben, als wäre es ein Witz. Ramòn schmunzelte leicht, als mir seine tiefen Grübchen auffielen. In der Kombination zu seinen blonden Haaren und blauen Augen wirkte der Typ doch mehr wie ein Junge, als ein Mann.

„Glaub' mir, selbst wenn man das Gesicht der heiß begehrten Pénelope Yurek jeden Tag sehen könnte, würde man nicht aufhören es zu schätzen" Seine Worte schmeichelten mich, aber auch der sehr unschuldige Unterton bewies mir, dass ich vor diesem Mann keine Angst zu haben brauchte. Oder doch? War ich so naiv zu denken, dass ich es aus einem so kurzen Gespräch herauslesen konnte, ob er böswillige Hintergedanken besaß? Durfte ich ihm die gespielt gutmütige Art abkaufen?

Gerade als ich ihm relativ abweisend antworten wollte, bemerkte ich den Beginn einer Welle von tuschelnden und murmelnden Stimmen. Das Flüstern der Gäste riss meine Aufmerksamkeit von Ràmon zu einem Mann, dessen Eintritt scheinbar die ganze Gala zum Staunen bringen konnte.

Im pechschwarzen Anzug trat Nadal mit eisernem Gesichtsausdruck auf mich zu, während ich mein Herzrhythmus nicht mehr unter Kontrolle bringen konnte.

Als ich meine Augen von ihm löste, fielen mir die unzähligen fast schon besessenen Blicke der jüngeren Frauen auf, die sich derart angespannt auf ihn fokussierten, dass einige Begleiter das Gesicht verzogen. „Ist das Nadal Belluci?", flüsterte Ràmon kurz bevor er sich aus dem Staub machte.

Unfassbar. War diese Reaktion nicht etwas übertrieben? Sie taten so, als wäre Nadal kein Mensch mehr, sondern ein Weltwunder. Scheinbar hatte er diesen Einfluss auf jede andere Person, egal, ob Mann oder Frau. Das war doch fast schon beeindruckend, wenn er im Inneren nicht solch ein großes Arschloch wäre.

Die Gäste kamen wieder zu sich, als sich Nadal vor mich stellte, so dass sie sich wieder ihren Gesprächspartnern zuwandten und dabei dreist ignorierten, wie sehr sie Nadal Bellucis Präsenz aus der Bahn geworfen hatte. Solch ein besessenes Verhalten wäre mir peinlich.

Die Tochter des GangstersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt