das achzehnte Kapitel

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„Kannst du auch was anderes, außer zu Lesen?" Adnans krächzende Stimme zog sich durch mein Ohr. Der Typ kam aber auch niemals in den Stimmbruch. Augenrollend legte ich mich auf den Bauch, ehe ich meine Beine anwinkelte.

„Geh' und sage Padre, dass er den Bodyguard heute nicht rufen muss. Ich werde das Haus nicht verlassen", erklärte ich meinem kleinen Bruder, der mir nickend einen Kuss auf die Kopfhaut gab. Schmunzelnd wuschelte ich ihm durch die schwarzen Haare.

In unserem Garten würde heute Abend eine Feier stattfinden, weshalb wusste ich selbst nicht. Meine Mutter hatte mich bloß vorgewarnt, so dass ich mir ein Kleid rauslegen konnte. „Esta todo bien, angel?", hörte ich plötzlich die sorgsame Stimme meiner Mutter. „Sì, es ist alles gut. Ich brauche nur etwas meine Ruhe"

Verständnisvoll setzte sie sich zu mir auf die Decke. Meine Mutter war mit Abstand die schönste Frau, die ich jemals gesehen habe. Es war, als wäre sie kaum gealtert, obwohl sie dank meinem Vater schon so viel durchgemacht und erlebt hatte. Ab und zu erzählte sie mir Geschichten von früher, bei denen ich innerlich vor Aufregung platzte.

Ihr Liebesleben war so spannend und mitreisend gewesen, dass man sich wünschte, auch einen Kartellchef für sich gewinnen zu können. Jedoch schafften das nur die Besten der Besten, wie es meine Mutter nun mal war. Noch heute blickte mein Vater sie an, als hätte er in ihren braunen Augen alles, wonach er jemals gesucht hatte, gefunden.

„Woran denkst du?" Seufzend setzte ich mich auf und strich mir leicht übers Gesicht, als meine Mutter den Kopf leicht schief legte. „Über dich und Padre" Ein sanftes Lächeln tauchte auf dem Gesicht meiner Mutter auf, als scheinbar auch ihre Gedanken zu den alten Zeiten wanderten.

„Das tue ich auch oft", sagte sie schmunzelnd, als sie mir eine Strähne hinter mein Ohr streifte. Die Liebe in ihrem Blick war beeindruckend. Von einer Frau, wie meiner Mutter, geliebt und geschätzt zu werden war ein unbezahlbares Geschenk.

„Hast du es jemals bereut dich auf ihn eingelassen zu haben?", wollte ich interessiert wissen, als wüsste ich nicht bereits die Antwort. Meine Mutter schüttelte langsam den Kopf, ehe sie ihre Augen auf den Ring an ihrem Finger heftete.

„Zuerst war es schwer einen Mann, wie deinen Vater zu lieben. Doch sobald ich einmal gespürt hatte, wie es war von ihm angesehen zu werden, wusste ich, dass es all meine Kraft wert war" Meine Augen wurden glasig. Sie mussten so viel durchstehen und am Ende waren sie die glücklichsten Menschen auf der Welt, bloß weil sie einander hatten. Zweisamkeit konnte etwas so verflucht Widersprüchliches sein.

„Wolltest du nie einmal aufgeben?" Leicht lachte meine Mutter auf. „Nicht nur einmal, Pénelope. Ich war früher mindestens genau so stur, wie dein Vater. Doch irgendwas in ihm forderte mich ständig heraus" Schmunzelnd wanderten meine Gedanken zu meiner aufgeweckten Mutter, wie sie selbstbewusst in ihren Zwanzigern meinem Vater die Stirn bot.

„Was treiben meine zwei Lieblingsfrauen, ohne mich in meinem Garten?" Die tiefe Stimme meines Vaters ließ uns beide erschrocken zusammenzucken. In einem perlenweißen Hemd kam er auf uns zugelaufen. Sein ganzes Gesicht strahlte, als er sich zu uns setzte.

„In deinem Garten? Ich hoffe, dass ich mich verhört habe" Meine Mutter hob eine Augenbraue streng an, als mein Vater seinen Arm um ihre Taille legte. „Natürlich hast du das, el patrón" Lachend schlug ich meinem Vater leicht auf den Oberarm, als er mir einen schnellen Kuss auf die Stirn gab.

Die Tochter des GangstersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt