Prolog: See him die

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Die Kanone schießt und fährt durch meine Glieder. Ich bin wie erstarrt, er ist tot. Mein geliebter Bruder ist tot.

Meine Mutter schreit auf und ich höre meinen Vater schmerzlich aufstöhnen. Doch ich kann nicht weinen oder schreien, ich fühl mich einfach leer. Ich kann es nicht realisieren, dass er tot ist. Wie in Trance stehe ich auf und fliehe aus dem kleinen Haus. Über die staubigen Wege zum Strand. Je näher ich dem Wasser komme, desto stärker spüre ich einen Schmerz, durch meinen ganzen Körper.
Als ich ankomme, kann ich nicht mehr atmen, es tut so weh. Weinend breche ich zusammen. Er ist tot. Nie wieder werde ich seine raue Stimme hören, die Lachfalten um seine Augen. Alles weg.

Ich schreie und werfe Sand ins Wasser. Unter diesem stechenden, unerträglichen Schmerz krümme ich mich. Der Strand ist leer, was auch gut ist, ich möchte nicht, dass mich so jemand sieht.

Diese scheiß Cashmere!

"Warum?!"schreie ich. Das was aus meinem Mund kommt ist eine Mischung aus Schluchzen, nach Luft ringen und schreien. In mir ist alles verkrampft und ich habe das Gefühl als ob mein Herz, meine Lunge, einfach alles reißt. Es ist als ob mein Halt im Leben weg ist, ich falle und lande hart auf dem kalten, dreckigen Boden.

Wir haben Sommer, doch mir ist kalt. Ich zittre wie Espenlaub, unfähig mich zu bewegen.

Wo soll ich mich jetzt verstecken?
Wer beschützt mich jetzt vor den Spielen?

Es war meine erste Ernte. Ich hab mich an ihn geklammert, ich hatte so Angst. Keine Ahnung wie ich es die nächsten 6 Jahre überstehen soll.

Das Kapitol hat ihn mir genommen, durch Cashmere.

Am Strand schwöre ich mir das Kapitol für immer und ewig zu hassen und nichts gut zu finden, was sie herstellen.

Luft fließt wieder durch meine Lungen, langsam und schmerzhaft, aber ich atme. Tränen fließen stumm über meine Wangen, während ich auf dem Rücken im Sand liege und seichte Wellen mich umspülen.

Ich fühle mich schwach, ausgelaugt und innerlich tot. Nach dem Schmerz kommt die Leere. Ich weiß nicht was besser ist, der brutale Schmerz oder die erstickende Leere.

Ich ziehe meine steifen Glieder zur Brust und schlinge meine Arme um sie. Niemand darf sie sehen. Die Schwäche. Sonst halten sie mich für ein kleines, schwaches Mädchen, was nichts kann. Im Justizgebäude habe ich meinem Bruder versprochen stark zu sein. Wenn ich mich tough zeige, können sie mir nichts tun und nicht auf meiner Schwäche rumreiten.

Zittrig erhebe ich mich und versuche den Sand von meinen Kleidern abzukriegen, was ich nicht wirklich schaffe.
Auf wackligen Knien stolpre ich den kleinen Hügel hoch, über die kleinen Wege zum Haus. Die Straßen werden immer belebter und ich fliehe in das Innere des kleinen Backsteinhauses. Meine Mutter weint und es würde mein Herz brechen, wenns nicht schon gebrochen wäre.
Ich muss für sie stark sein. Für Mom und Dad. Dad braucht Hilfe im Fischergeschäft, wir kommen grad so über die Runden und da mein Bruder jetzt tot ist, muss ich ihm helfen.
Rasch haste ich hoch in mein Zimmer, entledige mich der dreckigen Kleider und weiche diese ein. Mein Gesicht wasche ich und lasse die Spuren meines Zusammenbruchs verschwinden. Danach schlüpfe ich in ein schwarzes, legeres Kleid.

Im Spiegel betrachte ich mein Gesicht, die langen, goldenen Engelslocken die mein Gesicht umrahmen. Sie sehen zu niedlich aus, nicht stark.

Ich greife nach einer Schere und schnipple meine Haare ab, sie fallen, ins Waschbecken und auf den Boden. Fransig fallen sie mir gerade so über die Schultern. Es sieht nicht gut aus, aber selbstbewusster.

Traurig steige ich die Treppen runter, bei meinem Anblick schluchzt meine Mutter auf. "Was hast du mit deinen Haaren gemacht?" "Veränderung." Meine Stimme klingt total brüchig.

"Komm. Ich nach das ordentlich." Sie versucht sich zusammenzureißen, jedoch fällt es ihr sichtbar schwer. Meine Mutter umarme ich und sie drückt mich fest an sich. Nie hätte ich gedacht, dass meine Mom so schwach ist.

Sie setzt sich auf das alte Sofa und ich auf den Boden. Meine Mutter kämmt meine Haare, wie früher jeden Tag. Während sie meine Haare schneidet weint sie.

Es beruhigt, es ist wie früher. Nur mein Bruder fehlt, der die Schalenfrüchte schält.

Nach Minuten hält sie mir einen Spiegel vors Gesicht. Er hat zwar in der Mitte einen kleinen Sprung, was aber nicht weiter tragisch ist.

Meine Haare sind nun mittellang und mein Pony schräg. Es sieht schön aus und stark. Mit etwas mehr Selbstvertrauen, aber immer noch dieser erdrückenden Leere marschiere ich in die kleine, schäbige Küche und schäle und filetiere den Fang von heute Morgen.

Der Rest des abends verläuft schweigend, nur das Weinen meiner Mutter zerreißt die Stille.

Erschöpft krabble ich ins Bett und versuche zu weinen, doch es ist, als hätte ich heute Nachmittag alle Tränen vergossen. Ich bin leer. Einfach nur leer.

Hi,
Eine neue Story. Ich wollte eigentlich eine Clato-Story schreiben, hatte aber nicht wirklich eine Idee. Da kam mir die Idee zu der Story, mit ausgedachter Arena, Tributen usw. . Ich hoffe das sie euch gefällt.

Blue EyesWhere stories live. Discover now