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Nach gut drei Stunden Fahrtzeit biegt der Audi schließlich in die verschneite Einfahrt der Skihütte ein. Dabei handelt es sich vielmehr um ein Haus, als um eine Hütte. Sowieso bin ich der festen Überzeugung, dass sie ihre Namensgebung lediglich der Holzvertäfelung zu verdanken hat.

Ich kann mich noch genau an das erste Mal erinnern, als Laura mich hierher mitgenommen hat, obwohl dies mittlerweile bestimmt acht Jahre zurückliegt. Zwar hatte ich bereits vorher gewusst, dass ihre Familie wohlhabend ist, jedoch wurde mir erst beim Anblick ihres zweiten Anwesens das volle Ausmaß darüber bewusst.

Diesmal ist die breite Treppe, die zur Veranda hinaufführt, beidseitig mit kleinen Christbäumen und Weihnachtsmännern verziert, was bereits von außen für ein gemütliches Flair sorgt. Ebenso wie die Lichterketten in Form von Eiszapfen, welche von den Dachgiebeln und Dachrinnen hängen.

Sobald der Wagen angehalten hat, bin ich bereits auf den Weg zum Kofferraum und wuchte meinen Koffer selbst heraus, um mir damit für einen Moment eine Verschnaufpause von Basti zu verschaffen.

Ich kann mich nun nicht mit ihm und den wirren Gefühlen befassen, die er noch immer in mir auslöst. Denn es ist offensichtlich, dass ich keineswegs über ihn weg bin und mich noch immer nach mehr sehne.

Als nach und nach auch der Rest aus den offenen Wagentüren klettert und sich die versteiften Gliedmaßen streckt, erklimme ich bereits vorsichtig die weitläufigen Stufen, in der Erwartung, dass diese rutschig sind. Doch offensichtlich hat sich Rosa, die alte Dame aus dem Dorf, die zur Instandhaltung des Hauses engagiert ist, sich bereits um sie gekümmert.

Oben angekommen, lehne ich mich mit der Schulter gegen die Tür, um auf Laura und den Schlüssel zu warten, als der Widerstand auf einmal verschwindet und ich prompt ins Hausinnere kippe.

"Vorsicht!"

Zwei kräftige Hände fangen mich geschickt auf und helfen mir dabei, wieder mein Gleichgewicht zu erlangen. Als ich mich umsehe, blicke ich in das unbekannte Gesicht eines Typen, der ein paar Jahre älter als ich sein muss. Mit schief gelegtem Kopf taxiert er mich eingehend. "Du fällst wohl gerne mit der Tür ins Haus, was?"

Er ist attraktiv und sein Schmunzeln so ansteckend, dass auch meine Mundwinkel automatisch zucken.

"-Oder auch in breite Oberarme", fügt Laura zwinkernd hinzu. "Hi Steve!" Ich habe gar nicht mitbekommen, wie sie heuangerauscht kam, doch auf einmal fällt sie dem Fremden um den Hals. Irritiert beobachte ich die vertraute Begrüßung. Offensichtlich ist seine Anwesenheit für sie keine Überraschung. "Steve, das ist Emma, meine beste Freundin. Emma, das ist..."

"Steve Henderson, der Mann für alles", zwinkernd streckt er mir seine Hand entgegen. Irgendwie schaffe ich es sie zu ergreifen, kann aber nichts gegen die Röte tun, die mir bei seiner Unverblümtheit ins Gesicht schießt. Er sieht mir tief in die Augen, während sich unsere Hände sachte schütteln.

"Kann ich mal bitte?!" Bastis Stimme klingt unfreundlich, bevor er sich voller Ungeduld, mit vollgepackten Armen, an uns vorbeidrängt. Abrupt lasse ich Steves Hand los und trete beiseite, um auch Mike Platz zu machen, der ihm folgt. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, bleibt dieser jedoch kurz auf unserer Höhe stehen, um seinerseits ein paar Worte mit Steve zu wechseln.

Nachdem sie uns passiert haben, richtet sich dieser an Laura: "Die Einkäufe sind in der Küche und die Handtücher auf den Zimmern. Morgen zwischen elf und zwölf kommt eine Putzfrau, passt das von der Uhrzeit her?"

Fragend werfe ich auch ihr einen Blick zu. Allerdings mit anderen Absichten. Mich interessiert nämlich vielmehr der Grund seiner Anwesenheit, als die Antwort auf seine Frage. "Ja, das passt. Da sind wir bestimmt sowieso auf der Piste", höre ich sie antworten, bevor sie mich gnädigerweise endlich einweiht: "Steve ist Rosas Enkel und kümmert sich seit ihrer Hüft-OP im Frühjahr um die Hütte."

Ahh. Das erklärt Einiges.

"Ruft mich einfach an, falls sonst noch etwas sein sollte." Demonstrativ hebt er sein Handy. "Danke, du bist wirklich ein Schatz!" Laura wirft ihm eine Kusshand hinterher, als er sich zum Gehen wendet.

"Achja," auf dem Treppenansatz, dreht er sich jedoch nochmals zurück und wirft er mir einen weiteren Blick zu: "Übermorgen ist Weihnachtsmarktauftakt. Wir haben wieder einen Glühweinstand. Vielleicht sieht man sich ja."


***

Laura quiekt bereits entzückt, bevor die Haustür hinter uns richtig geschlossen ist. "Der fährt voll auf dich ab, Emma! Das sieht ein Blinder!"

"Ach Quatsch!", wiegle ich lahm ab, als ich ihr, an dem großen Weihnachtsbaum vorbei, in den offenen Wohnbereich zu den Jungs folge. Tatsächlich bin ich jedoch selbst nicht so recht davon überzeugt.

"Und ob! Er hat offensiv mit dir geflirtet und dich sogar zu einem Date eingeladen!" Aus ihrem Mund klingt es nach einem unglaublichen Ereignis. Wahrscheinlich ist es das auch, im Hinblick auf die Erfahrungen, die ich bisher mit Jungs gehabt habe (-zumindest ihrer Kenntnis nach).

"Flirten?! Das nenne ich eher eine plumpe Anmache", mischt Basti sich ungefragt ein, bevor er ihn belustigt nachäfft: "Hallo, ich bin Steve Henderson, der Mann für alles. Wer sagt denn bitte so etwas?" Obwohl er ein Grinsen zur Schau trägt, will es seine Augen nicht erreichen.

"Wenigstens sagt er etwas", stellt seine Schwester mit einem provokanten Blick in seine Richtung fest, woraufhin sein Kiefer sich verhärtet.

"Also ich find den Typ auch nicht ganz koscher", stimmt Mike ihm mit einem breiten Grinsen zu und lockert mit diesem Spruch die Stimmung wieder auf. "Zumindest nicht mehr, seit meine Freundin ihn Schatz nennt."

Lachend verwuschelt sie ihm im Vorbeigehen das Haar, bevor sie sich gutgelaunt wie eh und je von hinten auf eines der Sofas fallen lässt, sodass ihre Beine über der Lehne in der Luft baumeln. "Also Kinder! Die Schlafzimmerwahl überlasse ich diesmal ganz euch. Tatsache ist bloß, dass ich heute Nacht bei Emma verbringe!"

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