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"Schnee! Da ist Schnee!"

Blinzelnd erwache ich, als der Wagen keinen Moment später am Straßenrand hält. Ein wenig belämmert richte ich mich auf und sehe mich um. Es dauert einen Moment, bis ich realisiere, wo und vor Allem mit wem ich unterwegs bin.

- Oder viel mehr: Unterwegs war.

Denn der Wagen ist nicht einmal richtig zum Stillstand gekommen, als Laura bereits die Autotür aufgerissen hat um herauszuspringen. Die zwei grölenden Jungs sind ihr dicht auf den Fersen. Der eiskalte Luftzug, der dadurch hereinströmt, belebt den Rest von mir. Und als ich ihnen durch das Fenster hinterherschaue, verstehe ich auch, warum alle so aufgelöst sind.

"Wow!"

Begierig gleiten meine Augen über die Landschaft. Alles um uns herum ist von einer dicken weißen Schneeschicht bedeckt, die im Sonnenschein nur so glitzert. Von den prächtigen Bäumen links und rechts der Straße, bishin zu der kleinen Lichtung, auf welche meine Begleiter zuhalten.

Keinen Moment später sinken auch meine Stiefel in den beinahe Kniehohen Schnee. Grinsend freue ich mich über die Spuren, die die sie in der unberührten Decke hinterlassen, während ich ihnen folge.

"Emma! Schau mal!"

Neugierig hebe ich den Kopf in Lauras Richtung.

In diesem Moment trifft mich ein eiskalter, verkrüppelter Schneeball unvorbereitet am Hals und zerfällt dort in tausend Einzelteile, wobei mir ein Teil des Schnees in den Kragen rutscht.

"Aaah!", kreische ich vor Kälte erschrocken auf, bevor ich verzweifelt versuche, mich davon zu befreien, was die anderen belustigt auflachen lässt. "Na wartet, das bekommt ihr zurück!", drohe ich ebenso lachend.

Gerade, als ich mich jedoch bücke, um meinen Racheakt vorzubereiten, segelt bereits der zweite Schneeball in meine Richtung, diesmal von Mike abgefeuert.

Auf einmal ist Basti neben mir, wehrt den Angriff erfolgreich ab und kontert seinerseits mit einem eigenen Geschoss.

Erstaunt verfolge ich seine geschmeidigen Bewegungen. Wie er ausholt, zielt und einen präzisen Treffer, direkt auf Mikes Rotschopf landet.

Er hat mir geholfen!
Warum hat er mir geholfen? Misstrauisch ziehe ich meine Augenbrauen zusammen.

Mir bleibt jedoch kaum Zeit, darüber nachzudenken, da mit diesem Anschlag eine richtige Schneeballschlacht entfacht wird. Ohne großes Mitspracherecht finde ich mich dabei in Bastis Team wieder.

Was allein bei Betrachtung des Talentes nicht die schlechteste Partie ist. Schnell stellt sich nämlich heraus, dass es sich bei Lauras erstem Wurf lediglich um einen Glückstreffer gehandelt hat. Ihre nächsten Bälle landen nämlich teils weit daneben, auf ihrem eigenen Mitspieler oder gar hinter ihr, was den armen Mike in Zusammenspiel mit Bastis Treffsicherheit schon bald an den Rande der Verzweiflung treibt.

Mein Bauch schmerzt vor lauter Lachen, als wir uns anschließend vollkommen außer Puste in den Schnee fallen lassen. Mittlerweile sieht jeder von uns wie eine, mit Puderzucker bestäubte Tomate aus. Doch ich fühle mich so losgelöst und frei, dass es mir gar nichts ausmacht. Grinsend schiebe ich mir eine Haarsträhne aus dem erhitzten Gesicht, welche aus meinem Zopf gerutscht ist und schaue hoch in den klaren blauen Himmel.

"Ich glaube, so viel Sport habe ich schon lange nicht mehr gemacht. Ich hab morgen bestimmt Muskelkater", jammert Laura neben mir.

"Glaubst du?", neckt Basti sie belustigt. Denn es ist offenkundig, dass sie der größte Sportmuffel von uns allen ist.

Das Geplänkel scheint Mike hellhörig gemacht zu haben, denn er richtet sich ein paar Meter neben uns auf und lehnt sich auf seine Unterarme, sodass er seine Freundin problemlos ansehen kann. Ein schelmischer Zug umspielt seine Lippen, der bereits vor seinen Worten die Richtung seiner Gedankengänge erahnen lässt: "Soll das etwa heißen, dass ich dich bei unserem nächsten Privattraining härter rannehmen muss, Baby?"

"Mike!"

Ohne groß darüber nachzudenken werfe ich Basti ein Augenrollen zu. Denn es ist absehbar, welche Art von Konversation diese Anspielung zwischen den Turteltäubchen wieder auslösen wird und er ist mein einziger Verbündeter.  Zu meiner Überraschung tut er es mir in just diesem Moment gleich, weshalb sich unsere Blicke einmal mehr kreuzen und wir in überraschtes Gelächter ausbrechen.

Der Blick, den er mir anschließend schenkt ist warm und bringt mein Herz zum hüpfen. Wie ein kleines Mädchen freue ich mich über den Moment, den nur wir zwei teilen, während die Luft zwischen uns zu surren beginnt.

Es fühlt sich an wie vorher. Schon während der Schneeballschlacht, als das Adrenalin und der Teamgeist meine Gedanken in die hinterste Schublade meines Geistes gedrängt und wir als eingespieltes Team an einem Strang gezogen haben. Und noch mehr, als wir nun, wie durch Telepathie miteinander kommunizieren.

Ich fühle mich von ihm gesehen, was mein Selbstbewusstsein erstrahlen lässt.

Doch im nächsten Augenblick bemerke ich die Parallelen. Wie eine dunkle Wolke taucht die Erkenntnis auf und schiebt sich vor die vorherigen Empfindungen.

Denn bereits einmal habe ich mehr in uns gesehen und war davon überzeugt, dass dies auf Gegenseitigkeit beruht. Bereits einmal habe ich mich so sehr von meiner Naivität und meinem Wunschdenken trügen lassen, dass ich mich verbrannt habe.

Und eines ist klar: Weitere Verbrennungen würde ich nicht ertragen, deshalb sollte ich mich lieber von dem Feuer fern halten.

Sparkling eyesWhere stories live. Discover now