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Emmas Sicht:

"Was machst du nur mit mir?"

Sein Blick ist voller Bewunderung und Verzweiflung zugleich, als wäre er mir verfallen. In Kombination damit, wie er die Worte ausspricht und beinahe ehrfürchtig an der Wange berührt, übermittelt er mir das Gefühl etwas Besonders zu sein. Als wäre ich nicht lediglich das etwas zu klein geratene, schüchterne Mädchen von nebenan, sondern ein wertvoller Schatz, auf den es Acht zu geben gilt. Er offenbart mir seine verletzliche Seite, zeigt mir, wie viel Macht auch ich auf ihn ausübe, was mir vor Rührung die Kehle zusammenschnürt.

"Ich weiß nicht", wispere ich, während ich mich in seinem Blick verliere. 

Und das ist die Wahrheit. Ich habe keinen blassen Schimmer, was ihn an mir so faszinieren könnte. Was er in mir sehen könnte, das diese Reaktion rechtfertigt. Und dennoch wird mein Herz geradezu vor Glück überschwemmt, so sehr freue ich mich darüber, dass nicht nur ich ihm mit Haut und Haar erliege.


***

Überglücklich machen wir uns schließlich Hand in Hand auf den Weg zu dem Restaurant bei dem wir zur Feier unseres letzten Abends einen Platz für vier reserviert haben. Basti trägt in seiner anderen Hand unsere gesamte Ausbeute des Shoppingtages - mitunter die Papiertüte des Buchladens, wo ich mich letztendlich für fünf Bücher entschieden habe, worauf ich unfassbar stolz bin. 

Auf einmal hält er inne und deutet er auf die gegenüberliegende Straßenseite. "Schau mal." 

Meine Augen folgen seinem Arm zum Daisys, welches gerade ein Pärchen verlässt. Wie von selbst bleiben wir stehen und schenken uns ein wissendes Lächeln, während wir unweigerlich an unseren letzten Besuch dort zurückdenken. 

"Ich dachte zuerst nicht, dass du zustimmen würdest, mit mir noch eine heiße Schokolade trinken zu gehen", gesteht er.

"Wie hätte ich das abschlagen können?"

"Meinst du wegen meiner Gesellschaft oder wegen der heißen Schokolade?", seine Augen glitzern amüsiert.

"Na wegen der heißen Schokolade, ganz klar", grinse ich zu ihm herauf, während ich mich dichter an ihn heranschmiege. 

Lachend legt er den Arm um mich und schenkt mir einen warmen Blick. "Ich hab mich total gefreut, dass du mitgegangen bist, sonst hätte ich mir was anderes überlegen müssen um mehr Zeit mit dir alleine zu verbringen."

Er hatte es also wirklich darauf angelegt, dass wir etwas alleine unternahmen? Innerhalb eines Wimpernschlages schafft er es, mein Selbstwertgefühl in neuem Glanze erstrahlen zu lassen. 

"Achja? Hast du deshalb danach fast einen ganzen Tag lang nicht mehr mit mir gesprochen? Vor lauter Freude darüber?", feixe ich.

"Nein, das war, weil es mich verletzt hat, als du meintest, dass der Kuss damals auf der Party nichts bedeutet hat", gibt er zu, bevor er mir seinen Kopf zudreht und einen tiefen Blick schenkt. 

Die Offenheit seines Geständnisses raubt mir den Atem. "Tut mir Leid, dass ich gelogen habe", entschuldige ich mich leise.

"Mir tut es Leid, dass ich so ein Idiot war. Dass ich so lange verleugnet habe, dass ich mehr für dich empfinde, als man es für die beste Freundin einer kleinen Schwester normalerweise tut - sogar vor mir selbst."

Er kommt zieht mich näher zu sich heran und unsere Blicke verschränken sich ineinander. Mein Herz füllt sich mit warmen flüssigem Glück, bevor sich unsere Lippen für einen zärtlichen Kuss finden.


Als wir schließlich das Restaurant erreichen, lasse ich widerwillig seine Hand los, obwohl mir das Versteckspiel selbst zunehmend schwerer fällt. Er hält mir die Tür auf und augenblicklich umfängt uns wohlig warme Atmosphäre und leise Weihnachtsmusik im Hintergrund. 

Laura und Mike sind bereits da, als der Kellner uns zu unserem Tisch führt. Nebeneinander kuscheln sie auf der samtbezogenen Bank und sind so sehr in ein Gespräch vertieft, dass sie uns erst bemerken, als wir gegenüber von ihnen auf den Stühlen Platz nehmen. 

"Hallihallo ihr Turtel...", erschrocken schlägt Laura sich die Hand vor den Mund und sieht mich mit großen Augen an, während Mike sein Grinsen kaum unterdrücken kann.

Okay, damit ist offiziell bestätigt, dass sie nicht nur ahnen, dass sich zwischen mir und Basti etwas anbahnt, sondern Bescheid wissen. Ich horche in mich hinein, was das in mir auslöst. Doch nach dem Nachmittag bin ich mir Bastis Gefühle so sicher, dass es mir nichts ausmacht, wobei ich das Thema wahrscheinlich trotzdem noch nicht von selbst angesprochen hätte. 

Da leugnen und Heimlichtuerei nun absolut keinen Sinn mehr macht, verstecke ich auch nicht länger das Lächeln, dass sich bei dem Gedanken an Basti auf meinem Gesicht schleicht, was für meine beste Freundin Antwort genug ist. 

"Ich wusste es!", quiekt sie erfreut. Doch mein Blick gilt nur dem Mann neben mir, dessen Augen mich mit einer Mischung aus Staunen, Sorge und Hoffnung mustern. Meine Hand ertastet seine und drückt sie sanft, zeigt ihm damit, dass ich bereit bin, dazu zu stehen. Und als die Geste sein Gesicht erstrahlen lässt, weiß ich, dass es die richtige Entscheidung war. 

Sparkling eyesWhere stories live. Discover now