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Es ist bereits dunkel draußen, als wir uns schließlich zum Gehen entscheiden. 

„Ich warte draußen auf dich!", ruft Laura mir über die Lautstärke des Föhns hinweg zu und deutet auf den Eingangsbereich hinter der Drehtür.
Nickend lächle ich ihr zu, bevor ich mich wieder meinen Haaren widme.

Nachdem die blonden Strähnen endlich halbwegs trocken sind, greife ich automatisch nach dem Haargummi, der um mein Handgelenk befestigt ist. Ich bin bereits dabei, sie mir zu einem Pferdeschwanz zusammenzufassen, als ich mitten in der Bewegung innehalte.

"Mir gefällt es, wenn du deine Haare offen trägst", kommen mir Bastis Worte von heute Morgen in den Sinn.

Mein Blick trifft den meines Spiegelbildes. Dann lasse ich langsam meine Haare fallen und schüttle sie aus. Augenblicklich umrahmen sie verspielt mein Gesicht. Zögerlich beäuge ich mich einen Moment länger. 

Der Anblick ist ungewohnt - ja - und ich weiß nicht, ob es an seinem Kompliment liegt, aber nach und nach finde ich selbst Gefallen daran.  Anschließend schlüpfe ich grinsend in Bastis Jacke, da er als Einziger zwei Winterjacken eingepackt hatte und meine eigene ja noch immer irgendwo in der Bar hängt. Sie ist mir zwar viel zu groß und ich gehe beinahe darin unter, doch sein unverkennbarer Geruch hängt im Kragen und sie ist so kuschlig weich, weshalb ich sie liebe.


Als ich kurz danach ebenfalls meinen Chip durch den dafür vorgesehenen Schlitz im Drehkreuz sausen lasse und auf Laura zulaufe, hebt sie verwundert den Blick.

„Nanu? Ist dein letzter Haargummi gerissen?" Grinsend scharwenzelt sie um mich herum, als handle sich meine Frisur um die Sensation des Jahres. „Oder willst du etwa jemanden beeindrucken?"
Anzüglich wackelt sie mit den Augenbrauen, bevor sie mir lachend einen Arm um die Schulter schlingt und mir damit glücklicherweise eine Antwort erspart. „Hach, ich fand den Wellnessteil des Tages total schön! Das müssen wir unbedingt öfter machen - jetzt wo du wieder da bist."

Augenblicklich stimme ich ihr zu, während wir Arm in Arm auf den Ausgang zuschlendern.
„Wie wärs mit Pizza, um den Abend abzurunden?"

Wir entscheiden uns für eine Familienpizza, welche wir auf dem Heimweg gleich mitnehmen. Ich bin ein absolutes Nervenbündel, als wir schließlich in der Skihütte ankommen. So sehr brenne ich darauf, Basti wiederzusehen. Zugleich muss ich mich selbst jedoch davon überzeugen, dass ich nicht geträumt habe. Noch gestern Nachmittag schien er Welten entfernt und auf einmal küsst er mich und wir schlafen eng umschlungen in seinem Bett. 

Die Wendung kam so überraschend, dass ich sicherlich noch ein bisschen brauchen werde, um sie zu verarbeiten. Hoffentlich wache ich nicht vorher auf. Zumal sich mir immer noch nicht erschließt, was Basti auf einmal an mir finden könnte. An der unscheinbaren besten Freundin seiner Schwester...


„Piiiizzzaaa!!!", schreit Laura, kaum, dass wir dieses richtig betreten haben. Sofort kommt Bewegung ins Haus und man kann die Schritte der Jungs näher kommen hören. Ein letztes Mal hole ich tief Luft, bevor auch ich mit dem riesigen Karton über die Schwelle ins Warme trete. 

Keinen Moment später erscheint Mike auch schon im Eingangsbereich und nimmt mir voller Euphorie das Schmuckstück des Abends ab. 

"Ihr seid die Besten!", flötet er, bevor er bereits in Richtung Küche verschwindet. Das führt dazu, dass Laura ihre nassen Schuhe kreuz und quer auf die Fließen schleudert, um ihm schnellstmöglich nachzujagen können. Doch ich bekomme kaum etwas davon mit. 

Stattdessen liegt mein gesamter Fokus auf niemand Geringerem als Basti, der sich mit locker verschränkten Armen an die Wand gelehnt und den Anschein gegeben hat, die Situation aus der Ferne zu betrachten. Sein intensiver Blick gilt jedoch ausschließlich mir, während nun ein kleines Lächeln an seinem Mundwinkel zupft. 

Erleichterung durchströmt mich, als er mich mit dieser kleinen Geste mühelos zurück in unsere kleine Welt zurückholt und alle Zweifel beiseite wischt. 

Ohne Einfluss darauf zu haben, lächle ich zurück, was seine Augen aufleuchten lässt. Wie von selbst bewegen wir uns aufeinander zu und pressen die Münder aufeinander. 

Dieser Kuss ist anders als die vorherigen. Er zählt weder zu den zögerlichen und behutsamen, die wir anfänglich getauscht haben und ist auch nicht mit den wilden Knutschereien zu vergleichen, als wir herumgemacht haben.

Nein, dieser wird von ganz anderen Emotionen als Unsicherheit und Begierde geleitet. In ihm schwingt die Sehnsucht der letzten Stunden. Die Verzweiflung darüber, bereits so abhängig voneinander zu sein. Und die unbändige Freude darüber endlich wieder vereint zu sein. 

Er drückt mehr aus als Worte es in dem Moment getan hätten und schweißt uns ein Stückchen mehr zusammen. 



Sparkling eyesWhere stories live. Discover now