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"Aaaah!"

Kurz nach mir saust Laura den Berg hinunter, rudert wild mit ihren Armen und landet anschließend unsanft auf dem Po.

Lachend fahre ich zu ihr hinüber und strecke ihr die Hand entgegen. "Alles gut bei dir?"

Missmutig nickt sie und schnallt ihre Skier ab, bevor sie sich widerstrebend von mir auf die Füße helfen lässt. 

"Naja, gut würde ich das nicht nennen!", feixt Mike, der als Letzter der Truppe, dafür jedoch sehr elegant, unten ankommt. "Wo ist denn Basti?"

"Der hat sich gleich den letzten freien Tisch gekrallt", ich deute hinter uns zur Apreski-Hütte. Mit zusammengekniffenen Augen folgt er meiner Handbewegung, bevor er ihm übereifrig zuwinkt, was noch mehr Blicke auf uns zieht.

Laura verdreht die Augen. "Es ist so peinlich mit dir unterwegs zu sein, Schatz."

Grinsend drückt er ihr einen Kuss auf die Lippen, bevor auch er seine Skier abschnallt und sich gutgelaunt auf den Weg in Richtung ihres großen Bruders macht.

"Er ist sooo peinlich!", wiederholt Laura jammernd in meine Richtung, doch mir ist klar, dass sie damit lediglich von ihrem eigenen Sturz ablenken möchte. 

"Dann lass uns mal deinen Hintern abputzen, Laula." Grinsend beuge ich mich hinter sie und klopfe sporadisch auf entsprechendes Körperteil, weil ich weiß wie unangenehm ihr das vor all den anderen Leuten ist. 

"Ich bin kein kleines Kind mehr!", zischt sie mir leise zu, bemerkt aber unterdessen, wie lächerlich sie sich benimmt und endlich - endlich entschlüpft auch ihr ein Kichern, als sie vor meiner Hand flieht, die erneut ausholt. "Bitte! Bitte hör auf!", japst sie, bevor uns der nächste Lachanfall erfasst und wir beide im Schnee landen.

Als wir es dann doch irgendwie auf die Veranda der Gaststätte schaffen und uns, strahlend wie zwei Honigkuchenpferde, gegenüber von den Jungs auf die Bierbank fallen lassen,  kann sie sich eine letzte ironische Bemerkung jedoch nicht verkneifen: "Ich muss mich korrigieren: Ihr alle -" Sie deutet nacheinander auf uns, "seid OBER-peinlich! Allen voran du, Basti!"

***

Nach einem großen Wienerschnitzel und einem großen Teller Kaiserschmarrn, den wir uns alle geteilt haben, klatsche ich mit leuchtenden Augen in die Hände: "Bereit für eine neue Partie?"

Abwehrend hebt Laura die Hände: "Ich passe. Das einzige, was ich vorerst schaffe, ist mit einem Auto nach Hause zu rollen."

Auch Mike schüttelt den Kopf, als mein Blick auf ihn trifft. "Ich fürchte, ich muss Madame Laura eskortieren, nicht dass sie noch mit dem Taxifahrer anbandelt." Damit auch Basti etwas trinken kann (der sonst immer Fahrer ist, weil er niemanden seinen noblen Schlitten anvertraut), hatten wir uns nämlich für einen Shufflebus entschieden. 

Enttäuscht gebe ich mich bereits damit zufrieden, heute nicht mehr den Berg hinunterzusausen, als er sich zu Wort meldet: "Ich wäre dabei."

***

Bastis Sicht:

Es ist offensichtlich, wie sehr Emma sich sträubt, mit mir alleine zu sein, doch sie ist zu stolz, das zuzugeben, weshalb ihr schlussendlich nichts anderes übrig bleibt.

Ausgesprochen zufrieden über meinen Sieg, strecke ich ihr die Hand entgegen, um sie die wenigen Treppenstufen von der Veranda hinunterzugeleiten. Wie zu erwarten war, ignoriert sie diese jedoch und wirft mir stattdessen einen leicht angesäuerten Blick zu. Mir ist durchaus bewusst, wie sehr meine Anwesenheit bei diesem Urlaub sie aus der Bahn wirft, was auch ihre widersprüchlichen Reaktionen auf mich verraten.

Nach unserer letzten Begegnung scheint sie nicht recht zu wissen, wie sie mit mir umgehen soll und weicht meinen Blicken größtenteils aus. 

Ich muss mir jedoch eingestehen, dass es mir äußersten Spaß bereitet, sie aus der Reserve zu locken. So legt sich auch wie von selbst mein Arm um ihre Taille, um sie in Richtung der Lifts zu dirigieren, nachdem wir uns von den anderen beiden verabschiedet haben.

Dabei habe ich Mühe, mein Grinsen unterdrücken, als ihr Körper augenblicklich auf meine Berührung reagiert und sich anspannt.

"Lust auf ein Wettrennen, Emm?"

In Wahrheit ist mir selbst nicht so richtig bewusst, warum es mir so gefällt, sie zu provozieren. Aber als sie nun das Kinn hebt und mir einen kühnen Blick aus ihren sturmgrauen Augen schenkt, verpasst mir das einen Adrenalinkick.

"Du bist musst äußerst scharf aufs Verlieren sein."

Grinsend beuge ich mich zu ihr hinunter und kann beinahe hören, wie ihr Atem stockt. "Oder aufs Gewinnen." Ich zwinkere, was ihr wie von selbst die Röte ins Gesicht treibt.

Unterdessen kann man jedoch dabei zusehen, wie ihr Ehrgeiz erwacht und sie sich mental auf das Duell vorbereitet. "Okay." Bemüht lässig zuckt sie ihre Schultern und streckt mir die Hand entgegen um die Herausforderung anzunehmen. Ich ergreife sie und halte sie fest, während ich erneut ihre großen Augen suche. Dann senke ich verschwörerisch meine Stimme: "Ich finde, wir sollten eine Wette abschließen - als Anreiz. Wenn ich gewinne...", verzweifelt suchen meine Gedanken nach einer guten Idee. "Wenn ich gewinne, gehen wir zwei zu einem Horrorfilm ins Kino und zwar ohne Klopause." 

Wenn möglich werden ihre Augen noch größer, während sie, ebenso wie ich, an den letzten Horrorfilmbesuch mit Laura und Mike zusammen zu denken scheint. Damals bin ich ihr irgendwann aus dem Kinosaal gefolgt, als sie ewig nicht mehr von der Toilette zurückkam und habe sie samt Nachos und Handy auf einer Couch im Eingangsbereich erwischt. 

"-Uund: Du öffnest deine Haare." Mit meiner freien Hand deute ich demonstrativ auf den strengen Pferdeschwanz, zu welchem sie ihr Haar tagtäglich zusammenbindet. Dabei steht es ihr so gut, wenn die blonden Strähnen ihr Gesicht umschmeicheln - wie auf der Party am Vortag, bevor sie nach Australien geflogen ist.

"Hey! Das sind zwei Forderungen!"

"Heißt das etwa, du traust dich nicht?"

"Natürlich tu ich das!", behauptet sie entrüstet.

Amüsiert hebe ich meine Augenbrauen. "Gut. Und wie lautet dein Gewinn?"

Nachdenklich kaut sie auf ihrer Unterlippe, was meinen Blick unweigerlich darauf lenkt. "Wenn ich gewinne, dann darf ich deinen Audi fahren."

Wumms.

Ich muss ziemlich blöd geschaut haben, da sie meinen Gesichtsausdruck mit einem zuckersüßen Lächeln quittiert. "Und immer noch dabei?"

Langsam erwache ich aus meiner Starre und schüttle ihre Hand: "Sowas von."

Tatsächlich muss ich feststellen, dass mir der Gedanke von ihr hinter meinem Steuer gar nicht so viel ausmacht, obwohl ich mich normalerweise vehement dagegen wehre.

Oben auf der Piste angekommen, nehmen wir schließlich nebeneinander unsere Plätze ein und tauschen einen letzten herausfordernden Blick. Ich sehe das Feuer in ihren Augen brennen und bemerke mit einem Grinsen, dass sie ganz und gar nicht vorhat, es mir leicht zu machen. 

"Auf die Plätze! Fertig! Los!!"

Sparkling eyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt