11

127 9 27
                                    


Mit gerunzelter Stirn blickt Laura den Jungs hinterher. Kaum haben sie die Haustür hinter sich zugezogen, wirft sie mir einen Blick zu. "Basti benimmt sich heute total komisch, oder?"

Also bin ich nicht die Einzige, der das aufgefallen ist. Dennoch zucke ich lediglich mit den Schultern: "Vielleicht hat er ja einfach nicht gut geschlafen."

Noch immer misstrauisch reißt sie die Mehlpackung auf, ist dabei jedoch so sehr in Gedanken, dass locker eine Handvoll auf die Arbeitsplatte rieselt. "Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass ihm dieser Trip gut tut. Seit der Trennung von dieser Sylvia war er selten so ausgelassen und glücklich."

Ohne etwas dagegen tun zu können, stocke ich inmitten der Bewegung und horche auf. Sylvia und er sind also tatsächlich nicht mehr zusammen? "Ach wirklich?", ich zwinge mich, mir meine Gefühle nicht anmerken zu lassen, brenne aber auf weitere Details.

Laura wirft mir einen sonderbaren Blick zu, den ich nicht einordnen kann und widmet sich dann wieder ihrer Backschüssel. Für einen kurzen Moment scheint es, als wäre das Thema damit vom Tisch. Dann aber fügt sie hinzu. "Um ehrlich zu sein, fand ich die ganze Geschichte mit ihr aber sowieso seltsam. Klar, Basti ist nicht der Typ dafür, seine Flirts und Weibergeschichten an die große Glocke zu hängen. Aber von Sylvia hat man nie etwas gehört, bis er mir ein paar Tage vor deiner Abschiedsparty verkündet hat, dass er in Begleitung kommen wird. Ich weiß leider nicht mehr allzu viel von dem Abend - nur dass sie kaum die Finger von ihm lassen konnte und sich richtig Mühe gegeben hat, mich kennenzulernen, als wäre die Sache ernst. Und dann - Puff. Hat man nie wieder etwas von ihr gehört oder gesehen und Basti war wie ausgewechselt."

Mein Gesicht wird aschfahl. Eine leise Ahnung beschleicht mich. Was, wenn ich daran Schuld bin? Was, wenn er Sylvia von meinem Kuss berichtet oder sie es selbst rausgefunden und ihn verlassen hat? Das schlechte Gewissen nagt an mir, bis Laura mich mit ihrer Hüfte anstößt. "Genug davon, sonst verderben wir uns noch die ganze Weihnachtsstimmung!"

Tanzend dreht sie Weihnachtsmusik auf und hält sich ihre teigige Faust wie ein Mikrophon vor den Mund. "Last Christmas I gave you my heart..."

Sie benimmt sich so albern, dass mir bald schon nichts anderes übrig bleibt, als unser Gespräch zu vergessen und unter schallendem Gelächter miteinzusteigen.

***

Es ist bereits dunkel, als wir schließlich nebeneinander durch den knirschenden Schnee den Gehweg hinunter ins Dorf stiefeln. Obwohl wir in mehrere Kleidungsschichten, samt Mütze, Schal und Handschuhen, gehüllt sind, findet die Kälte einen Weg zu uns, weshalb unsere Wangen und Nasen im Nu rot angelaufen sind.

"Hoffentlich haben die dort ein Lagerfeuer oder so", bete ich bibbernd.

"Ansonsten hilft nur Glühwein und rummachen."

Kichernd werfe ich meinen Kopf in den Nacken. "Vielleicht solltest du dann bei Ersterem nicht allzu sehr übertreiben, sonst wird das wenig spaßig für Mike."

"Hey! Du tust ja gerade so, als wäre ich jedes Mal hacke!", beschwert sie sich grinsend. Wir tauschen einen wissenden Blick und lachen. 

Je näher wir kommen desto lauter und heller werden die Straßen. 

Grund dafür ist der ganze Weihnachtsschmuck, mit welchem jede einzelne der Buden geschmückt ist, welche den Marktplatz säumen. Lichterketten, Tannenbaumzweige, Christbaumkugeln und zwischen drin der natürliche Schmuck, bestehend aus Schnee und Eiszapfen. Augenblicklich ist die Kälte vergessen, weil ich viel zu sehr damit beschäftigt bin, den Anblick meiner Umgebung in mir aufzusaugen. 

Obwohl erst vor einer Stunde offizieller Beginn des Weihnachtsmarktes war, tummeln sich hier bereits lauter eingemummter Menschen herum. Einige stehen in Grüppchen beisammen, andere schlendern von Stand zu Stand oder bilden bereits ellenlange Schlangen vor den Essensständen, deren Duft sehr verlockend ist. 

Im Vorbeilaufen erkenne ich Würstchen, Chili con Carne, gebrannte Mandeln, Crepés und sogar das Daisys hat einen eigenen Stand. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, doch Laura zieht mich weiter. "Erst müssen wir die anderen finden!", erinnert sie mich. 

Keinen Moment später wird sie auch schon zu einem Begrüßungskuss von Mike zur Seite gezogen, an dem wir beinahe vorbeigelaufen wären. 

"Hier geblieben!", grinst er, während sie glücklich die Arme um seinen Nacken schlingt. Basti, der neben ihnen steht und seine Hände in den Jackentaschen vergraben hat, wirft mir ein kurzes Nicken zu. 

Na immerhin!

"Total schön hier, oder?" Weiterhin vollkommen überwältigt, gleitet mein Blick erneut umher, bis meine Augen auf ein bekanntes Gesicht treffen. Just in diesem Moment verzieht sich dessen Mund zu einem breiten Grinsen, bevor der dazugehörige Typ die Hand hebt und mir zuwinkt. 

Oh... 

Überrascht klappt mein Mund auf. 

"Schaut mal! Da ist ja Steve!", quiekt Laura nun. "Komm Emma!"   Ehe ich mich versehe, schleift sie mich bereits zu dem Glühweinstand, hinter welchem er steht.

"Och ne!", höre ich Basti noch hinter uns mürrisch brummen, merke aber, dass er und Mike uns dennoch folgen. In diesem Moment kann ich ihm nur zustimmen. Da es super peinlich ist, nun direkt vor Steve zu stehen, während Laura offensichtlich grinsend, Blicke zwischen uns hin und verwirft, als wäre das die Show des Jahres. "Hi Steve, du erinnerst dich doch noch an Emma, oder?"

Vor Scham versinke ich beinahe in meinem Anorak und traue mich kaum, ihn anzusehen, bis seine warme Stimme doch meinen Kopf heben lässt. "Wie könnte ich das vergessen?"

Sparkling eyesWhere stories live. Discover now