2-es wird schon...

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Als ich durch die Eingangstür unseres Hauses trat roch es schon nach frisch gebackenem Brot. Meine Mom liebte es, Brot zu backen und ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal gekauftes Brot gegessen hatte. Nachdem ich mich schnell geduscht hatte setzte ich mich an den Küchentisch und Mom sah mich fragend an. „Wo warst du?" Ich seufzte. Ihr konnte ich echt nichts vormachen. „Ich war eine Runde laufen, weil ich nicht mehr schlafen konnte.", erklärte ich ihr. „Schlechte Träume?" Ich schüttelte den Kopf. „Mehr wie Erinnerungen. Ich erlebe in meinen Träumen immer wieder dieselben Situationen. Es beginnt immer, als ich noch ganz klein war, bis hin zu meinem Jahr bei Waltraud." Mom nickte verständnisvoll. „Wenn du möchtest kann ich Patrizia fragen, ob sie etwas für dich hat." Patrizia war eine Kräuterhexe und konnte einem eigentlich bei fast allem helfen. Ich nickte dankbar. „Vielleicht sehe ich Paul ja heute in der Schule, dann kann ich ihn gleich fragen." Unsere Familien waren schon immer sehr eng verbunden, es gab eben nicht sehr viele Menschen mit übernatürlichen Fähigkeiten. Mom war ebenfalls eine Hexe. Sie konnte anderen Menschen die Schmerzen nehmen, was der Grund war, warum ich noch nie ein Krankenhaus von innen gesehen hatte. Paul hatte auch Kräfte, was extrem ungewöhnlich war, da er männlich war. Er war so etwas wie eine Erdhexe, nur das er eben keine Hexe war, sondern ein Zauberer oder wie man männliche Hexen eben nannte. Er ist die erste männliche Person mit Kräften seit über 300 Jahren! Da würde man denken das er das Wunderkind der Generation ist. Falsch gedacht. Ich bin es. Ich habe nicht irgendein Element oder eine kleine Gabe, nein. Ich hatte eine Aufgabe bekommen, der ich mein komplettes Leben widmen musste. Meine Eltern waren unglaublich stolz und obwohl ich sie über alles liebte, setzte sie mich extrem unter Druck. Ich musste so vielen Geistern wie möglich helfen, so gut in der Schule sein wie nur irgendwie möglich, so viel Sport machen, damit ich ja fit blieb und nur Gesund essen, damit ich auch ausgewogen lebte. Schön und gut, ich liebte es anderen zu helfen und ich liebte es auch, gute Noten zu bekommen, aber wie sollte bei all dem Druck noch Zeit für Dinge bleiben, die normale Teenager tun? Ich verabschiedete mich schnell von Mom und winkte Dad der gerade verschlafen aus dem Bad kam. Dann machte ich mich auf den Weg zur Schule.

Ich merkte, dass ich etwas zu spät dran war und begann leicht loszulaufen. Gerade noch rechtzeitig setzte ich mich auf meinen Platz und wollte gerade beginnen, meine Sachen auszupacken, als ich spürte, wie jemand mir auf die Schulter tippte. Es war Carrie. „Hi Ava, ich habe schon gedacht du kommst nicht mehr!", ich grinste. Carrie war zwar zu den meisten Leuten echt gemein, aber aus irgendeinem Grund mochte sie mich und ich konnte mich nicht beschweren. Ich tanzte in ihrer Tanzgruppe und so war Mom zufrieden, da tanzen ja wohl echt anstrengend genug war. Außerdem lud sie mich oft zu sich nachhause ein. Und auch wenn ich bis auf einmal immer absagen musste, war ihr Haus einfach umwerfend. „Aber jetzt bist du ja da. Wo warst du das ganze Wochenende? Ich habe dich nicht erreicht. Wir performen morgen auf der Spirit Ralley! Die Mädels und ich haben das ganze Wochenende geprobt. Kannst du den Tanz heute über Nacht lernen? Sonst müssen wir nämlich ohne dich performen." Ich nickte. Das würde eine lange Nacht werden.

Nachdem ich alle meine Hausaufgaben erledigt hatte, sah ich mir die Choreografie zum ersten Mal an. Ich sah mir den ersten Teil des Songs an, beschloss dann aber doch, das Proben auf später zu verschieben. Ich schnappte mir mein Skateboard und einen Helm. Ich rief schnell eine Verabschiedung ins Haus hinein und lief los. Am Boulevard sah ich ihn schon von weitem. „Willie!" Er kam sofort auf mich zugerannt und umarmte mich. Es musste zwar unglaublich seltsam für alle anderen Menschen aussehen, da ich ja quasi Luft umarmte, aber das war mir in dem Moment egal. „Hallöchen. Wo warst du denn so lange. Ich habe dich vermisst! Aber diesmal hast du brav den Helm dabei. Jetzt musst du ihn nur noch aufsetzen." Er wuschelte mir durch die Haare. „Hey! Hör auf. Ich hatte leider ziemlich stress, du weißt schon. Geister und Schule und so..." Er nickte wissend. Obwohl ich ihn schon länger kannte und er sowas wie mein großer Bruder war, hatte ich noch nie nach seiner Aufgabe gesucht. Er wollte es nicht und das war okay. Außerdem brauchte ich ihn ja auch, auch wenn ich ihm das nie sagen würde. „Aber du bist heute Abend schon wieder dabei oder? Caleb zählt auf dich. Du weißt, dass gefühlt die halben Geister nur wegen dir kommen, oder?" Ich grinste. „Ja kla, ich muss nur irgendwie an Mom vorbei." „Sie weiß immer noch nichts davon?", fragte er mich vorwurfsvoll. Ich drückte herum. „Naja, sie wären sicher nicht so begeistert, wenn sie wissen würden, dass ich mit Caleb in einer Band bin." Willie schüttelte den Kopf. „Egal, anderes Thema. Wohin fahren wir heute?", fragte ich und schnappte mir mein Skateboard.

other side | julie and the phantomsWhere stories live. Discover now