13-kampf (mit sich selbst)

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Als ich die Augen öffnete griff ich mir an meinen Arm und stöhnte sofort auf vor Schmerz. Ich sah mich verwirrt um, und als ich endlich scharf stellen konnte, erkannte ich, wie der ganze Hollywood Ghost Club leer war. Die Tische lagen im Raum verteilt, Sessel lagen kreuz und quer. Ich hörte nichts. Komplette Stille. Langsam kamen die Erinnerungen zurück. Wie lange war ich ohnmächtig gewesen? Wo war Caleb? Und wo war Willie? Verzweifelt stand ich auf, nur um mich ein paar Sekunden später wieder hinfallen zu lassen. Alles drehte sich. Schwer atmend versuchte ich mich zumindest aufzusetzen. Ich versuchte, meine Gedanken zu ordnen, aber ich schaffte es nicht. Es war zu viel passiert. Ich stöhnte, als ich meine linke Hand hob, um mir an den Hals zu greifen. Ich ignorierte den physischen Schmerz, nur um wenige Sekunden von einem noch schlimmeren, psychischen Schmerz überrollt zu werden. An meinem Hals war nichts. Keine Kette, kein Amethyst. Ich spürte, wie mir langsam eine Träne über die Wange rollte. Caleb hatte den Stempel nicht von den Jungs genommen, da war ich mir sicher. Aber das Orpheum war nicht ihre unerfüllte Aufgabe. Wo waren sie jetzt? Weg? Auf der anderen Seite? Mein Blick viel auf die Uhr. Es war erst kurz nach Ende des Auftritts im Orpheum! Vielleicht hatte ich noch eine Chance! Ohne Rücksicht auf meine offensichtlichen Verletzungen stand ich auf und humpelte zur Tür.

Draußen war es dunkel. Es waren nicht viele Autos unterwegs. Vermutlich saßen alle glücklich zuhause mit ihren Familien und sahen sich irgendeine Sitcom an. Vielleicht hatten sie am Nachmittag einen Kuchen gebacken. Ich musste schlucken. Wie lange hatte ich schon kein selbstgebackenes Bot von meiner Mama gegessen? Mir fiel entsetzt auf, wie selten ich in letzter Zeit zuhause gewesen war. Mit Tränen in den Augen griff ich mir an den Arm. Mom könnte mir helfen. Sie könnte zumindest den Schmerz nehmen. Ich wünschte ich wäre zuhause. Aber ich musste Julie finden und herausfinden was mit meinen Lieblingsgeistern passiert war! Plötzlich fühlte ich eine Hand auf meiner Schulter. Fast hätte ich einer netten alten Dame meine Faust ins Gesicht geschlagen. Schwer atmend versuchte ich sie anzulächeln. War ich jetzt etwa paranoid? „Schätzchen wie siehst du due denn aus? Soll ich dich ins Krankenhaus bringen? Sind irgendwelche Jugendlichen hinter dir her und haben dich misshandelt?", fragte sie besorgt. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, das ist sehr freundlich, aber ich brauche keine Hilfe. Ich muss nur zum Orpheum. Meine beste Freundin hatte dort den wichtigsten Auftritt ihres Lebens!" Sie nickte. „Aber du kannst doch kaum gehen, willst du nicht ins Krankenhaus?" Ich schüttelte energisch den Kopf, bedankte mich schnell und rannte los. Nach etwa zehn Minuten bekam ich Seitenstechen und meine Hand pochte. Kurz blieb ich stehen, aber nur um mich neu zu orientieren. Ich war nur noch ein paar Seitenstraßen vom Orpheum entfernt! Ich lief wieder los.

Neben dem Eingang des Orpheums war eine kleine Grünfläche. Ich beugte mich darüber und erbrach mich. Ich zitterte und wischte mir angeekelt über den Mund. Da strömten plötzlich viele Leute aus dem Gebäude. „Ist Julie noch da?", fragte ich einen Security Guard aufgeregt. Er schüttelte den Kopf. Ich schluckte. Es war umsonst. Ich hatte mal wieder nichts geschafft. Ich hatte versagt. Wie immer. Ich setzte mich an den Straßenrand und brach in Tränen aus. Plötzlich läutete mein Handy. „Mom?", schluchzte ich. „Avery! Wo bist du? Ich mache mir solche Sorgen. Warum weinst du?" Ich atmete aus. „Mir geht's gut Mom! Aber ich bin bei Julie, kann ich bei ihr schlafen heute? Ich habe gerade einem Geist geholfen, und seine Aufgabe hat mich so gerührt. Aber mir geht es gut, es tut mir leid, dass ich mich nicht früher gemeldet habe!" „Okay Maus. Bleib bei Julie, aber bitte sei morgen um 11 zuhause, ich würde gerne ein bisschen mit dir reden, das haben wir die letzten Wochen nicht wirklich gemacht." „Ja Mom, Danke. Ich möchte auch mal wieder mit dir Zeit verbringen. Ich liebe dich!"

Langsam humpelte ich durch die dunklen Straßen von Los Angeles. An einer Ecke sah ich mich selbst in einem Schaufenster. Ich erschrak. Reggies Hemd war kaum noch zu erkennen, voller Dreck und zerfetzt. Meine Haare standen in alle Richtungen ab und mein Gesicht war grau, voller Staub und mit kleinen Kratzern übersäht. Das alles für gar nichts. Traurig ging ich weiter. Und als ich in ein paar Metern Entfernung Julies Haus sah, begann ich zu laufen. Bald hatte ich es geschafft. Doch, bevor ich klopfen oder anläuten konnte, brach ich zusammen. Ich sah noch, wie sich alles drehte, doch dann wurde alles ganz leicht, ich hatte keine Schmerzen mehr und ich begann zu lächeln. 

other side | julie and the phantomsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt