4-tanzen

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Ich rannte so schnell ich konnte. Obwohl ich komplett verzweifelt und auch traurig war, kamen keine Tränen. Ich hasste es, Schwäche zu zeigen, und wenn ich mal weinen musste, dann allein in meinem Zimmer wo mich niemand hören und sehen kann. Als ich endlich zuhause angekommen war, schloss ich die Tür auf und stürmte zu meiner Mom ins Schlafzimmer. Sie stand sofort auf und zog mich mit ihr ins Wohnzimmer. „Du brauchst nicht das ganze Haus aufwecken!", sagte sie vorwurfsvoll, doch als sie mein verzweifeltes Gesicht sah, griff sie nach meiner Hand. „Oh Mom, du hattest Recht! Ich hätte dir nie nicht glauben sollen. Caleb ist ein Monster. Ich bin aus seiner Band ausgestiegen, aber ich weiß, dass das nicht so einfach geht. Vor allem, weil ich doch so wichtig für ihn bin, wegen meiner Gabe und so. Er wird mich überall finden. Du weißt nicht, wie mächtig er ist!", ich redete wie ein Wasserfall und Mom hörte einfach nur zu. Es tat gut darüber zu reden. Sie schluckte und stand auf. „Wir müssen sofort zu Waltraud."

„Hier, das musst du immer tragen! Nimm es nie ab. Sonst findet er dich sofort. Zur Sicherheit gebe ich dir dieses Buch, auf Seite 15 stehen drei Sprüche. Die musst du jeden Tag immer morgens und abends sprechen, das schützt dich nochmal. Aber sei dennoch auf der Hut, ich weiß nicht genau wie stark er ist, auch wenn wir Hexen ihn schon längere Zeit im Auge behalten." Ich nickte und sah Waltraud dankbar an. „Aber Avery." Ich biss mir auf die Lippe. „Ich hatte gedacht du wärst schlauer..." Ich blickte auf den Boden. „Wir sollten jetzt gehen. Avery muss morgen in die Schule. Vielen Dank Waltraud!", sagte meine Mutter und nahm meine Hand.

Zuhause war an schlafen nicht zu denken. Abgesehen von der ganzen Aufregung der Nacht, hatte ich noch immer nicht den Tanz für die Spirit Ralley von morgen gelernt. Leise ging ich in meinem Zimmer die Schritte durch und merkte schnell, wie schwer mir der zweite Teil des Songs fiel. Ich musste wohl nochmal mit Carrie reden, ob ich nach der Hälfte irgendwie weggehen konnte. Eine Stunde bevor ich wieder aufstehen musste legte ich mich in mein Bett, um noch ein wenig Schlaf zu bekommen.

Ich genoss das Geräusch, welches die Kaffeemaschine machte. Es war bereits mein zweiter diesen morgen, und ich sah die besorgten Blicke meiner Mom. Ich griff in meinen Ausschnitt und zeigte ihr, dass ich das Amulett von Waltraud trug. Sie nickte erleichtert. Schnell nahm ich mir eine Scheibe Brot und machte mich auf den Weg zur Schule.

„Da bist du ja, hast du den Tanz geschafft?" Ich wackelte mit dem Kopf. „Darüber wollte ich noch mit dir reden... Der erste Teil geht super, aber danach bin ich etwas hinterher. Kann ich vielleicht nur den ersten Teil tanzen?" Carrie schüttelte den Kopf. „Nein, wie sieht denn das aus? Orientier dich einfach an mir oder Kayla. Du packst das schon. Los, hopp hopp, du musst noch dein Kostüm anziehen!" Seufzend ging ich zu meinem Spind und kramte meine Kleidung und die Perücke heraus.

„Und jetzt ‚Dirty Candy' mit ihrem neuen Song ‚Wow'" Ich zupfte an meinen unechten Haaren herum. Kayla griff mir an den Arm. „Hey, alles okay?" Ich nickte nur und versuchte mich zu fokussieren. Dann startete die Musik und ich war in meinem Element.

Es lief echt gut, bis ich plötzlich einen Stich im kleinen Finger spürte. Das passierte immer, wenn ein Geist in der Nähe war. Panisch sah ich mich um. Caleb konnte mich doch unmöglich gefunden haben! Ich trug das Amulett und die Sprüche hatte ich auch gesagt! Ich versuchte, nicht aus dem Takt zu kommen und mich dabei in der Turnhalle umzusehen. Ich sah nur Schüler, die auf der Tribüne voll zu unserem Song abgingen, aber ich konnte Caleb nirgends sehen. Ich musste mich getäuscht haben. Ich versuchte, mich wieder zu konzentrieren, doch ich war immer ein paar Schritte hinter den anderen. Deprimiert stellte ich mich hinter Carrie, die sich noch bedankte und ein bisschen Werbung für sich selbst machte. Ich ließ meinem Blick durch die Halle schweifen und entdeckte Julie. Ich hatte ein paar Klassen mit ihr, doch wirklich geredet hatten wir noch nie. Neben ihr stand Flynn und daneben drei Jungs, die ich noch nie gesehen hatte. Und ich wusste auch sofort warum. Das waren keine Schüler dieser Schule, das waren Geister!

Verwirrt stolperte ich die Treppen hinunter. Wie konnte es sein, dass Julie mit den Geistern geredet hatte? Wie konnte sie als Normalsterbliche Geister sehen? Und der Rest der Schule nicht? Meine Gedanken wurden von Carrie unterbrochen. „Avery, ich weiß, dass es gerade nicht leicht für dich ist, aber ich brauche in meiner Gruppe Leute, die immer 100 Prozent geben! Und wenn du das nicht schaffst, dann musst du leider aussteigen!" Ich sank in mich zusammen. „es tut mir echt leid Carrie. Ich werde mich bessern. Gib mir noch eine Chance." Hinter uns begann plötzlich jemand Klavier zu spielen. Ich drehte mich um und sag Julie auf der Bühne sitzen. Ich hatte mitbekommen, dass sie aus dem Musikprogramm geflogen war, was sie jetzt hiermit bezwecken wollte, wusste ich aber nicht. Carrie sah mich an. „Na gut. Aber du muss voll bei der Sache sein! Sonst ist es aus." Ich nickte und wollte gerade gehen, als plötzlich die drei Jungs von vorher auf der Bühne erschienen. Ich schnappte nach Luft und auch Carrie sah entgeistert zur Bühne. Plötzlich konnten alle die drei Geister sehen! Ich drängte mich mit Carrie ganz nach vorne und beobachtete gespannt den Auftritt.

Als es vorbei war, verschwanden die drei von der Bühne. Julie sah sich unsicher um, nicht sicher, wie sie sich jetzt erklären sollte. „Waren die Hologramme?", fragte Kayla und Julie nickte eifrig. „Wie hast du das gemacht?", fragte ein kleiner Junge. Julie sah sich verloren um. „Der Projektor...", begann sie, doch ich konnte es nicht mit ansehen. Ich sprang flink auf die Bühne und stellte mich neben sie. „Das ist alles sehr kompliziert, aber einfach gesagt hat Julie einfach einen Stick in den Projektor gesteckt, und gestern viel Zeit vorm Computer verbracht. Algorithmen und so..." Julie sah mich verwirrt, aber auch dankbar an. „Können wir reden?", flüsterte ich ihr ins Ohr. Sie nickte, kannte sich aber vermutlich nicht aus, weil wir ja sonst kaum Kontakt hatten.

„Avery! Du hängst mit Julie ab, anstatt meinen Tanz zu proben?" Ich sah Carrie verwirrt an. Was wollte sie jetzt. „Du bist echt das allerletzte. Du weißt, dass ich Julie nicht mag. Damit bist du raus." Sie streckte ihre Hand aus. Ich wollte beginnen, ihr eine Lüge aufzutischen, doch ich bemerkte, dass es keinen Sinn hatte. Ich nahm mir die Perücke vom Kopf und drückte sie ihr in die Hand. Genervt drehte Carrie sich um und verschwand.

other side | julie and the phantomsWhere stories live. Discover now