Das Rauschen der Veränderung

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Dieser Tag, der so viel Wunder und Schönheit und zugleich Schrecken barg, verging in meinem Sinne viel zu schnell. Ich befand mich wie in einer Trance, als Patroclos mir auf meinen Wunsch hin half, meine Rüstung wieder anzulegen. Gerade noch rechtzeitig schnürte er sie auf der Seite zu. Ein Augenaufschlag später standen nämlich schon die Krieger im Lager.

Danach kann ich mich an kaum mehr Etwas erinnern. Ich sass weiterhin angelehnt an den Baum auf dem Boden und verweigerte jegliches Essen. Auch zu Gesprächen war ich nicht in der Lage, weil ich so in meinen Gedanken versunken war. Manchmal konnte ich den Worten der Krieger lauschen, wenn sie behaupteten, dass meine geistige Abwesenheit auf meinen Zustand zurück zu führen war.

Und gewissermassen hatten sie auch Recht. Es schien, als wäre Patroclos ein Heilmittel gegen meine Schmerzen, denn solange er bei mir gewesen war, hatte ich sie kaum gespürt. Doch sobald er mich losgelassen hatte und zu seinen Kumpanen schritt, fing es unter meiner Brust wieder an zu brennen. Gewiss war ich aber nicht nur deswegen am Grübeln. Ich hatte so viele Fragen, die ich niemandem stellen konnte. Was war das gerade gewesen, das zwischen mir und Patroclos passiert war? Fühlte er etwa doch wie ich? Was sollte ich Aufgrund meiner nun sonnenklaren Weiblichkeit tun? Sollte ich wegrennen sobald es mir besser gehen würde? Wem konnte ich noch vertrauen?

Am nächsten Morgen wachte ich auf, als es noch dunkel war. Ich sass immer noch an meiner Stelle vom Vortag und Frisos Wubla neben mir. Er hatte zwar einen Sicherheitsabstand gelassen, dennoch war mir nicht ganz wohl. Verschlafen rieb ich mir die Müdigkeit aus den Augen und befreite mich aus der Decke. Sonst regte sich nichts im Lager, alle Krieger lagen um das erloschene Feuer herum.

Vorsichtig zog ich meine Beine an und musterte dabei möglichst unauffällig den Krieger, der mich bewachte. Anscheinend hatte die Truppe nicht das Gefühl, dass es mir schon viel besser ging. Verübeln konnte ich es ihnen nicht. Und nach meinem gestrigen fehlenden Einfügen in der Gruppe schien es auf der Hand zu liegen.

Schnell einmal hatte ich den Entschluss gefasst, dass ich mich bewegen wollte. Obwohl meine Wunde unangenehm zog war der Schmerz heute weitaus erträglicher als noch am Tag zuvor. So zog ich meine Beine ganz an meinen Körper und biss die Zähne zusammen, als ich langsam den Baum herauf glitt. Ich musste so aufgeschnauft haben, dass Frisos Wubla plötzlich neben mir stand und ohne ein Wort zu sagen seinen Arm unter meinen Rücken schob. Ich verharrte erschrocken einen Augenblick und war wie gelähmt. Im Gegensatz zu Patroclos' Nähe war mir diese hier extrem unangenehm und unwillkommen. Der Krieger schien dies zu merken und liess mich sofort wieder los. Dann stand er unschlüssig neben mir.

Für eine Weile fixierte ich den Boden, unfähig zu denken. Doch bald entschied ich mich, dass ich ohne jegliche Hilfe kaum einen Schritt würde machen können. Entgegen dem Gefühl in meinem Bauch sah ich Frisos Wubla in die Augen und blinzelte ein Paar Mal verwirrt, bevor ich sagte:

„Entschuldigung."

Er nickte nur und schien zu verstehen. Sogleich schob er seinen Arm erneut unter meine Schultern und ich stützte mich an ihm, als ich mich dann völlig aufrichtete. Meine Beine waren zwar wackelig und der Schnitt brannte wie Feuer, aber mein Wille war stärker. Also wackelte ich ein Paar Schritte in irgendeine beliebige Richtung, bis ich wusste, dass das Gehen funktionierte. Darüber war ich unglaublich erleichtert. Nun konnte ich das nächste Ziel visieren.

„Gibt es hier irgendwo eine Wasserquelle?", fragte ich leise aber bestimmt. Ich kannte mich zwar in der Gegend um meine Heimat aus, aber so weit weg davon war ich vorher noch nie auf Wassersuche gewesen. Frisos Wubla nickte. Dann drehte er ab und ich mich folglich auch. Wir waren im Begriff, das Lager zu verlassen, als mir plötzlich etwas in den Sinn kam.

„Warte," wendete ich ein. „Ich brauche etwas."

„Was ist es?", fragte mich der stämmige Mann verwundert.

Die letzte KriegerinWhere stories live. Discover now