Das dritte Jahr: Der Weg des Herzen

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Es gab gute und schlechte Zeiten. In den guten war der König zufrieden und die Krieger voller Tatendrang. In den schlechten war von uns Kriegern kaum mehr etwas Menschliches übrig, so gefühlsdumpf und tödlich waren wir.

Doch in meinen Erinnerungen überwiegen die guten Zeiten. Denn während jeder schreckliche Tag die gleiche Dunkelheit in meinem Kopf hinterlassen hatte, konnte doch jede schöne Erinnerung eine andersfarbige Spur zeichnen.

Eine besonders stark leuchtende Spur führt zurück zu jenem Moment, in dem die Welt sich selbst auf der anderen Seite des Meeres in Ordnung angefühlt hatte.

Octavia war der Name der wunderhübschen Sklavin gewesen, die ihrem Schicksal dank eines riesigen Herzens entkommen war. Sie war die einzige Trojanerin, die ich jemals kennengelernt hatte, die ihrem Besitzer das Lieben hatte lehren können. Doch das Herz, das sie erobert hatte, war auch ein äusserst grosses gewesen. Adàm's.

„Kleine Kriegerin", flüsterte Patroclos so leise, dass ich es fast überhörte. Wir standen in der grössten Hütte im Lager Achill's. Natürlich gehörte sie diesem selbst. Doch anders als sonst war sie sauber und wohlriechend. Der grosse Raum, in dem wir standen, war mit süss duftenden Blumen verziert worden. Obwohl das die einzigen Farbpunkte im Raum waren wollte ich nie aufhören, sie anzustarren. So viel Frieden und Glück lag in der Luft, ich konnte mich kaum daran erinnern wann ich solch eine Atmosphäre zum letzten Mal gespürt hatte. Wann der letzte Gedanke vor dem Schlafen gehen nicht der Krieg gewesen war.

Ich schaute zu Patroclos herauf, überwältigt von der friedlichen Ruhe. Seine gebräunte Haut betonte seine Ozeanaugen so dass sie mich wie immer direkt ins Herz trafen. Seine ganze muskulöse Gestalt glänzte goldbraun im flackernden Kerzenschein.

„Was?", hauchte ich zurück. Patroclos' Blick blieb an meinen Lippen hängen. Da er so viel grösser war als ich, konnte er meine Frage unmöglich verstanden haben. Neckisch biss ich auf meiner Lippe herum und mein Gefährte legte sofort den Kopf in den Nacken und schaute mich herausfordernd an. Doch er konnte das in ihm lodernde Feuer nicht verstecken. Nicht vor mir. Ich grinste.

Ohne ein weiteres Wort nahm ich seine Hand. Die Krieger um uns waren mir für einmal egal. Sobald ich die Wärme seiner Haut spürte, begann mein Herz wie wild zu klopfen. An seine Berührung würde ich mich wohl in meinem Leben nicht mehr gewöhnen. Verträumt zeichnete Patroclos mit seinem Daumen Kreise auf meine Hand. Ich zählte jeden einzelnen. In diesem Moment war ich im Himmel.

Ich schloss meine Augen und richtete sie dann auf Adàm. Gerade rechtzeitig um ihn aus dem goldigen Kelch trinken zu sehen. Glücklich grinsend stellte er den Kelch wieder ab bevor Achill ihm seine Hand auf die Schulter legte.

„Mögen die Götter mit euch sein", verkündete er. Selbst er schien einmal von den täglichen Strapazen befreit. „Wo auch immer ihr geht, was auch immer euch zu trennen versucht, nichts wird diese Vereinigung des Blutes je wieder entzweien können. Für immer seist du ihr und sie dein."

Noch während Achill sprach nahm Adàm einen Dolch mit goldenem Griff und Runen auf der Klinge zur Hand. Das Metall glänzte schwach. Lächelnd bückte er sich nach der Hand der zierlichen Octavia. Mein Herz klopfte vor Aufregung und Freude, als Adàm zuerst seiner Braut und dann sich selber die Hand aufschnitt. Während dem jungen Gemahl kein bisschen Zögern und Schmerz anzusehen war, verzog Octavia kurz ihr Gesicht. Die zarte Blondine kannte ziemlich sicher keine Gewalt. Oder hatte sie nicht gekannt, bis sie unsere Krieger gefunden hatten.

Ich war so unglaublich glücklich, dass sie ein Krieger wie Adàm aus ihrem Gefängnis gerettet hatte. Als Dienerin unserer Krieger hätte sie wohl mit ihren dünnen Armen und schönen Augen kaum lange durchgehalten. Und nun ehelichte sie den einen Krieger, der die Liebe zu seinem Volk mit verfilztem Haar zeigte. Dem die Angehörigkeit zu seinen Leuten und seiner Familie wichtiger war als alles andere, egal wie oft sich die Griechen über ihn lustig machten.

Die letzte KriegerinWhere stories live. Discover now