Nicht ohne Dich

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Der dumpfe Klang von Schlägen weckte mich sanft aus meinem tiefen Schlaf. Irgendeinmal hatte ich doch noch einschlafen können, doch war die Nacht viel zu kurz gewesen.

Sonnenlicht, welches durch die grossen Öffnungen in der Mauer ins Zimmer flutete, wurde vom Spiegel reflektiert. Für einen Augenblick war ich blind, bevor sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnen konnten.

Verschlafen schob ich mein wirres Haar aus dem Gesicht und sass auf. Ich gähnte, wodurch erneut eine Strähne ihren Weg vor meine Augen fand.

Barfuss tappte ich zur Schüssel, welche mit frischem Wasser aufgefüllt worden war. Während dem ich weiterhin dumpfe Schläge und ab und zu ein Stöhnen hörte, wusch ich mir mein Gesicht. Das kühle Nass fühlte sich auf meiner erhitzten Haut wie der Himmel an. Die glühende Sonne strahlte wie immer und es war schon zu morgendlicher Stunde extrem heiss.

Die Sklavin vom Vortag trat in den Raum und brachte einen weiteren grossen Krug mit Wasser.

Ich lächelte sie an, da ich nicht davon aus ging, dass sie Griechisch wirklich verstand. Auch die hübsche Sklavin zeigte mir ein aufmunterndes Lächeln. Dann schob sie den Krug neben die Wasserschüssel.

„Danke", sagte ich und sie nickte eifrig. In diesem Moment überkam mich ein Gefühl der Trauer und des Mitleides. Wie hatte man dieses Weib in eine Welt stecken können, in der sie nichts und niemanden verstand? Schuldgefühle machten sich in mir breit. Schliesslich nutzte ich sie genauso aus wie alle anderen.

Doch bevor ich etwas tun konnte, verliess die Sklavin den Raum wieder. Eine Weile lang starrte ich mein Spiegelbild im Wasser an.

Während ich aus meinem Kleid schlüpfte und meinen Körper wusch, dachte ich an die letzte Nacht zurück. Während ich mein Haar mit einer wohlduftenden Seife einrieb, sah ich die ganze Zeit Patroclos' tränennasses Gesicht vor meinen Augen. Mit Hilfe eines weichen Lappen schrubbte ich jedes Stückchen Haut an mir sauber, und konnte an nichts anderes denken als an den wunderhübschen Krieger, den ich zu lieben begonnen hatte.

Seit einer Ewigkeit fühlte ich mich zum ersten Mal sauber. Denn meine letzte Wäsche hatte ich noch in der Schule gehabt.

Tief in Gedanken versunken untersuchte ich die Kleidung, welche bereit lag. Die Sklavin hatte mir verschiedene Gewänder auf eine Truhe gelegt. Darunter konnte ich auch ein Männergewand finden.

Mir wurde bewusst, dass ich genauso wenig wie die Sklavin wusste, was ich anziehen sollte. Bisher hatte ich eigentlich immer meine Rüstung getragen, wenn ich mit Patroclos und den Kriegern unterwegs gewesen war. Natürlich hatte ich in der Schule andere Kleidung getragen, dennoch war ich verunsichert.

In Péristeris' Schule hatte ich Jungenkleidung getragen und so griff ich zuerst nach dem schlichten türkisen Gewand. Doch nach letzter Nacht, in der Patroclos sich mir so offenbart hatte, spürte ich einen anderen Teil von mir deutlicher als zuvor.

Während der Reise war ich an Reife gewachsen und die Weiblichkeit in mir war ausgeprägter als je zuvor. Wohl gerade dadurch, dass ich jemanden gefunden hatte, der diejenige wertschätzte. Es fühlte sich an, als könnte sie mir wieder verloren gehen.

Langsam und verträumt strich ich über den schimmernden Stoff eines rötlichen Kleides, welches orange und goldene Verzierungen hatte. Wie würde es sich anfühlen, nach solch langer Zeit wieder einmal ein Kleid zu tragen, welches meinem Körper passen würde?

Doch so schnell er gekommen war, schob ich den Gedanken wieder zur Seite. Ich hatte mich für den Krieger in mir entschieden, und nicht das Weib. Geschwind schlüpfte ich in das türkise Männergewand und begab mich zum Spiegel.

Die letzte KriegerinWhere stories live. Discover now