Unterwegs

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Wir ritten bis in die dunkle Nacht hinein und machten während der Reise lediglich drei kurze Pausen um die Pferde und uns mit Wasser zu versorgen. Obwohl mir vom endlosen Reiten meine Glieder schmerzten, genoss ich dennoch die innere Ruhe und Sicherheit, welche die anderen Krieger mir gegenüber ausstrahlten.

Dass diese sehr redselig waren, darüber freute sich nicht nur Licius. Denn auch ich zog es vor, während den immer gleichen Tätigkeiten und Bewegungen ein wenig Abwechslung in einer Plauderei zu finden. Anfangs empfand ich es als äusserst seltsam, mit so stolzen und furchtlosen Männern über verschiedenste Themen zu diskutieren, doch konnte man sich schnell an ihre gerechten Argumentationen gewöhnen.

So empfanden wir es kurz nach Mittag als Heidenfreude, als die Hitze unbarmherzig in unsere Leibe drang, über die schlimmsten Folterinstrumente zu rätseln, wobei wir unseren Fantasien freien Lauf liessen. Obwohl Gelächter nicht angebracht gewesen wäre, erklärte man uns die Strategien mit solch einem Elan, dass man es gar nicht unterlassen konnte, mitzuhören und sich mit einem Kommentar einzubringen.

Natürlich hatte mir Patroclos einiges voraus, ihm war die Wortwahl der Krieger bereits bekannt. Doch das störte mich überhaupt nicht, im Gegenteil; jedes Mal, wenn er sich über eine Aussage freute, genoss ich sein strahlendes Lächeln und die dazugehörige Wärme in meinem Bauch. Da sich die Gruppe untereinander blendend zu verstehen schien, kam ich oft in den Genuss dieses Lächelns.

Manchmal benahmen sie sich wie richtige Lausbuben und rauften miteinander - und das zu Pferde. Der schlaksige Krieger stürzte einmal sogar vom Pferd, weil ihn einer der Kraftprotzen so stark boxte.

Patroclos schien meine Anwesenheit für keinen Augenblick vergessen zu haben. Denn obwohl er sich oft mit den anderen unterhielt, lenkte er sein Pferd immer wieder in meine Richtung. Manchmal ritten wir wortlos nebeneinander her und genossen einfach die Präsenz des anderen. Wenn wir am Truppenende ritten, teilten wir uns unsere Gedanken doch gerne mit.

Unsere Gespräche zeugten meist von belanglosem Geschwafel - Patroclos hatte nie auch nur den Hauch einer Andeutung auf meine Weiblichkeit geäussert. Dennoch fühlte es sich an, als ob ich ihn schon seit jeher kannte. Seine Blicke berührten mich, wenn ich mich danach sehnte, er boxte mich leicht an die Schulter, wenn ich seine Berührung nötig hatte und liess mich reden, wenn ich etwas unbedingt äussern wollte.

Einmal überkam mich sogar der gemeine Gedanke, dass seine Reaktionen nur gespielt waren, konnte er doch alle meine Gedankenzüge so einfach nachvollziehen. Natürlich verwarf ich diese Idee ganz schnell wieder. Was würde es ihm nützen, mir etwas vorzuspielen? Denn was hätte er schon verlieren können, wenn er einmal nicht meiner Ansicht gewesen wäre? Vielleicht war ich zu blind, um irgendeine negative Seite an diesem Mann zu entdecken. Doch war mir das mehr als recht, denn so konnte ich das Zusammensein geniessen wie mit keinem anderen Menschen.

Ebenso empfand ich es als angenehm, mich mit einem der anderen drei Schüler zu unterhalten. Mit Licius hatte sich mir bereits eine Gelegenheit angeboten, und gleich nach Aufbruch heute Morgen lernte ich auch Iáson etwas kennen. Zu einem gemeinsamen Gespräch kam es durch einen kleinen Unfall.

Iáson's Pferd wurde durch das Vorbeisausen eines Rehs aufgeschreckt, und der Ärmste benötigte einen kurzen Moment, um das herumwiehernde Pferd zu beruhigen. Mit aller Kraft bäumte sich das Tier immer wieder auf und drehte seinen Kopf ganz verwirrt in alle Richtungen. Da ich kein grosser Pferdekenner war, konnte ich ihm beim Zähmen nicht helfen. Dieses Intermezzo bemerkte ich als Einzige, so wartete ich kurz auf ihn, bis sich sein Tier beruhigt hatte.

Auch ohne mein Warten hätte er die Truppe bestimmt schnell wieder aufgeholt. Doch da bot sich mir eine gute Gelegenheit, einen weiteren meiner Gefährten kurz kennen zu lernen. Dabei konnte ich auch endlich meine Umgebung richtig anschauen.

Die letzte KriegerinWhere stories live. Discover now