Der Junge aus Opus

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Unzählige Male drehte ich mich auf der viel zu weichen Liege. Meine eiserne Entschlossenheit zu kämpfen verunmöglichte jeglichen Schlaf. Bald wurde die anfängliche Müdigkeit nach einem langen Tag durch ein Gewitter in meinem Herzen ersetzt. Ich hörte es wahrlich donnern.

Erneut drehte ich mich und erreichte damit das Ende des Bettes. Einen Moment noch blieb ich liegen. Doch schneller als erhofft sass mein Leib auf. Erschöpft und gleichzeitig hellwach legte ich meinen Kopf in die Hände. Nur zu gut war mir bewusst, dass ich vorerst kein Auge würde zu tun können.

Viel zu viele Gedanken kreisten in meinem Kopf umher. Plötzlich erinnerte ich mich daran, was ich Christus versprochen hatte. Meinen treuen Begleiter, ohne den ich niemals so weit gekommen wäre, wollte ich keinesfalls im Stich lassen.

Alle Kerzen waren mittlerweile aus geblasen worden, so dass ich mich in der vom Mondschein erhellten Dunkelheit zurechtfinden musste. Riesengross schien er durch das mächtige Fenster meines Gemachs.

Nur einmal zuvor hatte ich solch eine helle Nacht erlebt. An dem Zeitpunkt war ich in Vater' s Schoss am Rande eines Flusses gehockt.

„Ängstige nicht die Nacht, mein Kind, denn sie ist es, die uns Träume schenkt", hatte er gesagt und mich in seinen Armen gewiegt.

Für einen kurzen Augenblick blieb ich stehen und lächelte wehmütig.

„Vater", flüsterte ich, „da du jetzt bei mir bist wie in jedem anderen Moment. Wisse, dass auch die Nacht es ist, die mich zu dir bringt. Und sie wird es auf ewig tun."

An einem Nagel neben dem Eingang hing ein im milden Licht bläulich leuchtender Umhang, welchen ich mir über die Schultern warf. Danach trat in den Gang hinaus und schritt still aber zügig aus dem Herrenhaus.

Wie ein Geist schlängelte ich mich zwischen den Säulen und Topfpflanzen hindurch. Lautlos. Auch aus dem Gebäude heraus drang kein Laut, das einzige Geräusch schien der pfeifende Wind zu sein. Daher erschrak ich schon lediglich ab den süssen Klängen eines der Windspiele.

Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass mir niemand folgte, huschte ich zum Stall. Dort verlangsamte ich mein Tempo und schlich der Mauer entlang zu den Tieren.

Kaum da ich die Stallungen betrat, wurde meiner Nase die frische Luft entzogen. Stattdessen roch es nach frischem Heu und Leder, aber auch nach Pferdekot.

Nun da ich mir sicher war, dass mich niemand beobachtete, drosselte ich meine Geschwindigkeit. Nachdem ich durch die Holzstäbe gelinst hatte, öffnete ich das Tor zur grossen Box einen Spalt breit. Darin standen sechs Pferde, allesamt mit glänzendem Fell und, mit Ausnahme von zweien, schneeweiss. Alexis erkannte ich als Patroclos' Stute, gleich daneben kaute mein wunderschöner Rappe genüsslich an einem Büschel Heu.

Einer der edlen Schimmel schaute mich neugierig aus seinen freudig erleuchteten Augen an. Ich tätschelte seinen Kopf.

„Na du", flüsterte ich, „welcher Gott hat wohl deine Schönheit kreiert?"

Ohne länger abzuwarten, begab ich mich zu meinem eigenen Rosse. Einer der Sklaven musste jedes Staubkorn aus Christus' Fell heraus gebürstet haben. Nie zuvor hatte er so geglänzt.

„Mein Guter", begrüsste ich ihn. Für einen Moment vergass ich alle meine Sorgen und fuhr mit meinen Fingern durch seine gewellte Mähne. Doch nun, da es nicht mehr meine Aufgabe war, ihn zu belohnen, fanden die bösen Gedanken ihren Weg zurück zu mir viel zu schnell. Mein Lächeln verging mir, als ich an diesen Nachmittag zurück dachte. Was hatten Patroclos und Achill noch besprochen, als ich schon weg gewesen war? Bedeutete dies, dass ich nun zurück in die Kriegerschule gehen würde?

Die letzte KriegerinWhere stories live. Discover now