Das sechste Jahr, Eins: Ein Geschenk der Götter

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Dieses wunderbare Gespräch mit Achill sollte wohl vorerst das Einzige bleiben. Jedenfalls hatte ich seit einer Ewigkeit nicht mehr richtig mit ihm gesprochen. Meine Worte – genauso wie die aller anderen – hatten keine Faser in dem eisernen Krieger gerührt, so dass meine Bitte keinen Effekt hatte. Wie alte Männer sassen wir tage- und nächtelang vor unseren Hütten und warteten. Warteten auf nichts.

Hin und wieder halfen einige von uns beim Schlachten oder bei der Ernte vom Gut des fremden Bodens, welches uns doch nun schon so vertraut war. Die Erinnerung an das Essen in Griechenland verblasste von Tag zu Tag. Genau wie der Rest meines geliebten Heimatlandes. Über fünf Sonnenzyklen befanden wir uns auf der anderen Seite des Meeres. Ich hatte keine Ahnung, wie lange wir noch bleiben mussten, doch das ungute Gefühl der Ewigkeit breitete sich täglich weiter in mir aus. Dennoch hielt ich an einem winzigen Funken Hoffnung fest, dass ich unseren griechischen Boden wiedersehen würde. Dies war mehr als die meisten der Krieger zustande brachten.

Doch mein vor Heimweh schmerzender Verstand liess es nicht zu, dass ich meine Abstammung ganz vergass. Dies schuldete ich nicht nur Vater und Mutter, sondern auch mir selbst. Während Patroclos sich immer öfters zu Achill verzog, um dort seine Langeweile und sein Heimweh zu vergessen, unternahm ich ab und zu etwas mit Adàm. Natürlich hatte ich nichts gegen die Besuche meines Gefährten bei seinem Herzensbruder einzuwenden. Umgekehrt konnte mir Patroclos aber auch nicht verbieten, Adàm zu sehen. Das hatte er auch nicht versucht.

Vor ungefähr zwei Mondzyklen war mein aufmerksamer Gefährte aber dennoch etwas argwöhnisch geworden. Gewiss stand es einem ehrenvollen Griechischen Weib nicht zu, sich mit anderen Männern zu treffen. Geschweige den auf einer solch regelmässigen Basis.

Während ich weiter einen Schritt vor den anderen setzte, verzogen sich meine Lippen zu einem Lächeln. Die Erinnerung an den Moment, in welchem Patroclos mich daran erinnert hatte, was sich für ein Weib gehörte, war seltsam. Während eines Spaziergangs dem Strand entlang hatte er mich ausgefragt, was ich mit Adàm gewöhnlich so tat. Als wäre es gestern gewesen konnte ich mich an den ernsten, aber etwas unsicheren Ausdruck in seinen schimmernden Ozeanaugen erinnern. Grinsend hatte ich ihm unschuldig die Übungskämpfe und Ausritte beschrieben.

„Gut", hatte er geantwortet und ernst genickt, so wie es ein normaler, dicklicher Gemahl bei uns Zuhause getan hätte. „Sollte ich dich noch einmal an deine Pflichten als meine..."

„Patroclos", hatte ich eingewendet und war stehen geblieben. „Wer hat dir dies eingeredet? Achill? Du musst mich an nichts erinnern, gewiss weiss ich, was ich als deine Gefährtin zu tun und zu unterlassen habe. Nicht im Geringsten bin ich dazu geneigt, etwas Unschickliches zu tun, da doch dieser Krieg und einer seiner tapferen Krieger schon genug Abenteuer für mich bedeuten."

„Gewiss", hatte er erwidert und einen zerstreuten Eindruck gemacht.

„Sei ohne Sorge", hatte ich fortgefahren, „kein anderer Krieger darf mich anfassen. Dies war schon immer so und wird auch so bleiben. Gewiss sind meine Fäuste genauso schnell wie deine es wären, wenn jemand überhaupt einen Versuch wagen sollte."

„Ich bezweifle, dass jemand dies wagen würde", hatte er gewitzelt.

„Obwohl sie mir wohl nur schwer wiederstehen können", war meine spielerische Antwort darauf gewesen. Dabei hatte ich jedes einzelne Wort betont und gekonnt mit meinen Augen geklimpert. Patroclos hatte gelacht und meinen Kopf mit seiner Hand weggedrückt. Da die kalten Zeiten die Sonne in einer etwas abgeschwächten Form präsentierten, hatte ich seine warme Hand auf meiner Haut als wohltuend empfunden. Immer noch lächelnd hatte ich nach seiner Hand gegriffen und sie zart an meine Wange gelegt.

„Vertrau mir", hatte ich ihn um das gebeten, was ihm am schwersten fiel. „Du kannst mir vollkommen vertrauen."

Dann hatte ich ihm einen Kuss in die Handfläche gedrückt, woraufhin er mich in den Arm genommen hatte. Ich hatte meine Nase in seiner Brust vergraben und seinen vertrauten Geruch eingesaugt.

Die letzte KriegerinWhere stories live. Discover now