right here, right now

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„Philipp! Ich bin extra hierhergekommen für dich. Ich bin nicht zu Castings gegangen für dich. Irgendwann reicht es aber auch mal!", rief ich empört. „Bitte Nat, es wäre doch nur ein Tag." „Aber ich habe nicht mal eine Ausbildung! Weißt du, dass du dich damit strafbar machst?" Er seufzte. „Die Mutter hat gesagt, es ist egal. Der kleine solle einfach Snowboarden lernen. Und es kann hier niemand außer dir Snowboarden!" „Aber ich habe keine Ausbildung.", fauchte ich verärgert zurück. „Natalie du warst schon österreichische Staatsmeisterin im Snowboarden, bevor du nach Berlin gezogen bist!" „Da war ich 12!" „Ist doch egal, du kannst snowboarden, wo ist das Problem?" Ich ließ mich auf einen Sessel im Wohnzimmer fallen. „Ich hätte morgen in LA eine Audition für eine große Rolle. Ich hätte die echt gerne bekommen..." Philipp senkte seine Stimme. „Oh. Aber gibt es nicht auch die Möglichkeit Videos einzusenden?" Ich nickte langsam. „Ja, aber wer weiß, ob die sich die Videos überhaupt ansehen." „Okay, kannst du einfach ein Video machen und noch ein paar Tage hierbleiben? Bitte!" Ich seufzte, stimmte aber letztendlich zu.

„Ich habe auch schon Erfahrung in der Branche, da ich in Deutschland schon relativ erfolgreich bin. Was auch ein Vorteil für die Rolle ist, da ich fließend Deutsch kann, und ich keinen Unterricht nehmen müsste. Außerdem bin ich deswegen nicht live bei den Auditions, weil ich meinem Cousin hie am Big Bear beim Skilehrern aushelfen muss. Also kann ich auch gut Skifahren, was ja auch kein Nachteil für die Rolle wäre." Ich sah mir mein Video selbstkritisch an. Das war ja sowas von unsympathisch. So würde ich mich selbst nie casten. Seufzend wollte ich mich nochmal hinsetzten und von vorne beginnen, doch da kam Clarisse ins Zimmer. „Magst du mit uns zu Abend essen? Ich habe Knödel mit Saft gemacht!" Sie wusste, dass das mein Lieblingsessen war. Ich nickte begeistert und folgte ihr nach unten ins Esszimmer.

Der Abend war an mir vorübergezogen, und ehe ich mich versah war es schon 23 Uhr. Ich schrie auf und rannte in mein Zimmer. Die Deadline für die Videos war um Mitternacht. Jetzt war es zu spät, noch ein neues Video aufzunehmen. Ich schickte mein Video seufzend und ohne große Hoffnungen an die genannte Mailadresse. Nachdem ich ungefähr 20 Mal nachgesehen hatte, ob mein Mail eh gesendet hatte, setzte ich mich auf mein Bett und ging nochmal die Basics durch, die ich benötigte, um einem 6-jährigem Jungen das Snowboarden beizubringen.

„Das machst du schon super Tom! Probiere dich hier noch ein bisschen mehr auf die Backside zu lehnen.", wies ich ihn an. Es war mittlerweile schon der letzte Tag und Tom konnte schon ganz akzeptabel jeden Hang hinunterfahren. Unten stiegen wir in eine Gondel ein. Ich steckte unsere beiden Snowboards an die Tür und stieg ein. Außer uns war nur eine Person in der Gondel, obwohl eigentlich für 10 Personen Platz wäre. Ich setzte mich und zog meine Handschuhe aus. Es war sehr warm. „Hey, dich kenn ich doch." Ich blickte auf und erkannte ihn. „Hey, ich kenne dich auch. Du bist doch der der mich letztens umgefahren hat.", meinte ich sarkastisch. Er grinste schief. „Sorry nochmal. Du fährst auch Snowboard?", er blickte mich fragend an. Ich nickte „Ja, aber ich bringe heute Tom hier das Boarden bei.", fügte ich hinzu. Ich sah hinaus und mir fielen die Ski auf. „Du fährst auch beides?" Er nickte stolz. „Wie heißt du eigentlich?", fragte er. „Natalie." „Cooler Name, ich bin Charles, aber so nennt mich nur meine Mutter. Also für dich Charlie." Ich grinste leicht. „Und von wo kommst du?" Wurde das jetzt eine Fragerunde? „Aus Österreich. Aber ich bin mit 14 nach Deutschland gezogen und jetzt vor zwei Wochen hier nach LA." „Wow, du hast garkeinen Akzent!", er wirkte beeindruckt. Ich nickte. „Ja, meine Mom ist hier aus den Staaten, deswegen bin ich zweisprachig aufgewachsen." Er nickte interessiert. Ich wollte ihn gerade noch fragen, woher er eigentlich kommt, doch da war es schon an der Zeit auszusteigen. Wir verabschiedeten uns schnell und ich konzentrierte mich wieder ganz auf Tom.

„Wir würden uns freuen, wenn Sie diesen Freitag um 9:00 Uhr bei den Endcastings dabei sind. Liebe Grüße, das Julie and the Phantoms Season 2 Team." Ich stieß einen Freudenschrei aus und tanzte durch meine Wohnung. In nur zwei Tagen würde ich mein erstes live Casting in LA bestreiten!

Völlig verschlafen stolperte ich durch die Haustür nach draußen. Ich hatte am Abend ewig nicht einschlafen können und heute Früh war ich zu fast gar nichts fähig gewesen. Mein Lebenswille hat gerademal dazu gereicht mir einen Kaffee zu machen und mich einigermaßen angemessen zu kleiden. Mehr Makeup als Wimperntusche war aber auch nicht drinnen gewesen.

„Natalie?" Ich nickte. „Folge mir bitte!" Ich ging hinter der Frau her und setzte mich auf einen von fünf Stühlen. Drei waren bereits von anderen Mädchen besetzt. Ich begrüßte sie alle freundlich, doch nur eine grüßte zurück. Irritiert blickte ich auf meine Mappe, in der sich ein Teil des Scripts und meine Skilehrerzeugnisse befanden. Als ich meinen Namen hörte stand ich auf und ging in den nächsten Raum. Und dann plötzlich stand er vor mir Kenny Ortega. Der Erschaffer meiner Kindheit. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht vor ihm auf die Knie zu fallen und ihn anzubeten. „Hallo, ich bin Natalie. Es ist echt schön hier sein zu dürfen!", freute ich mich und schüttelte allen die Hand. Ein paar sahen zwar verwirrt aus, freuten sich aber über die Geste. „Okay Natalie, bitte geh mal Szene 3 durch." Ich nickte und begann.

„Okay super. Und jetzt holt Martha kurz Owen, er kann Deutsch und wird schauen, ob du auch echt deutsch kannst." Ich nickte verwirrt. Warum sollte ich kein Deutsch können, wenn ich es gesagt hatte? Das würde ja sofort auffallen. Ein großer, blonder Junge kam in den Raum. Ich schätzte ihn zirka auf mein Alter, also 21. „Hi ich bin Owen." Ich begrüßte ihn und stellte mich vor. „Und was soll ich sagen?", ich blickte in Kennys Richtung. „Stell dich einfach selbst auf Deutsch vor." Ich nickte und wandte mich Owen zu. „Hallo, ich heiße Natalie, aber meine Freunde nennen mich Nat. Ich komme aus Österreich, bin aber mit 14 nach Deutschland gezogen und hab dort schon geschauspielert.", sagte ich auf Deutsch. Owen nickte beeindruck. „Ich heiße Owen und bin aus Oklahoma.", sagte er in gebrochenem Deutsch. Ich lächelte ihn an. „Perfekt, danke Natalie. Bitte warte noch draußen, wir werden gleich heute die Entscheidung treffen.", sagte Kenny und ich bedankte mich. Draußen lief ich sofort auf die Toilette um dort einen kleinen Freudentanz aufzuführen.

one kiss less | charlie gillespieWhere stories live. Discover now