walk away

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„Du hast keine Ahnung was du da machst!" „Ach ja, aber du kennst dich ja mal wieder am besten aus, was?" Julie und ich probten gerade die letzte Szene, die morgen anstand. Danach würden wir in die Berge fahren, um dort ein paar Szenen im Schnee und beim Skifahren zu drehen. Wir gingen die Szene etwa dreimal mit dem Skript durch, danach machten wir eine Pause. „Okay, machen wir es dann nochmal ohne nachlesen und ganz frei gesprochen?", fragte Madi. Ich nickte und griff noch schnell nach meinem Handy. „Schau mal her, ich brauche eine Insta Story." Ich postete in den letzten Wochen viel weniger, als wie ich noch in Deutschland gewohnt hatte. Gerade als ich auf ‚posten' klicken wollte, stürmte Owen ohne Vorwarnung ins Zimmer, riss mir das Handy aus der Hand und lief wieder hinaus. Die Tür knallte er hinter sich zu. Ich rief ihm empört hinterher, doch es blieb still. „was war das denn?", fragte ich Madi verwirrt. Sie zuckte nur mit den Schultern. „Wahrscheinlich irgendeine komische Phase von den beiden. Machen wir trotzdem weiter?" Ich nickte und konzentrierte mich wieder auf die Szene.

Eine halbe Stunde später gingen wir zusammen in die Küche. Die Tür von Owen und Charlies Zimmer war geschlossen, und wie wir ein paar Sekunden später bemerkten, auch zugesperrt. Ich klopfte dreimal. Keine Antwort. „Hallo? Was soll das?" noch immer keine Reaktion. „Was wollt ihr essen? Sonst machen wir etwas was euch nicht schmeckt!", drohte Madison. Ich grinste sie an. Als immer noch niemand antwortete, ging ich wütend in die Küche. „Das Problem ist, das Charlie eigentlich echt alles isst...", überlegte ich laut. „Ich hätte extrem Lust auf Flammkuchen. Wir könnten in eine Ecke ein paar Nüsse hineingeben, Owen ist auf die allergisch.", kicherte Madi. Ich lachte auf. „Das ist aber ziemlich gemein." „Genauso gemein wie dir das Handy wegzunehmen und dann nicht zu antworten." Dann machten wir uns an die Arbeit.

„Essen ist fertig!", rief ich laut. Wir setzten uns zu zweit an den tisch und warteten gespannt, ob sich die zwei blicken ließen. Dann öffnete sich die Tür und die beiden kamen heraus. „Willkommen in unserem Restaurant, wir haben schon für euch gekocht.", sagte Madi sarkastisch. Beide setzten sich wortlos auf ihre Plätze. Ich versuchte Charlies Aufmerksamkeit auf mich zu lenken und sah ihn fragend an. „Wir müssen reden.", sagte er leise. Ich hob meine Augenbrauen. „Was glaubst du, warum ich dein Handy genommen habe?", fragte Owen. Ich zuckte mit den Schultern. „Weil du lustig sein wolltest? Keine Ahnung, du machst oft so unangekündigte Sachen." Er grinste gekünstelt. „Nein. Wir haben was gesehen und wollten nicht, dass du es auch siehst.", Charlie griff nach meiner Hand. Ich zog sie weg. „Was? Ich bin alt genug, ich kann mit Kritik umgehen!", sagte ich leicht aufgebracht. „Ich brauche keine Beschützer." Owen zuckte mit den Schultern und hielt mir mein Handy hin. Charlie boxte ihm leicht gegen die Schulter. „Charlie! Ich kann damit umgehen, was immer es ist." Er schüttelte leicht den Kopf. Ich öffnete Instagram und sah nichts Ungewöhnliches. „Und was soll jetzt sein?" Charlie streckte seine Hand aus. Ich gab ihm mein Handy. Ich wartete, bis er es mir wieder herhielt. Es waren verschiedene Posts von diversen Fanpages. Fotos von unserem Karaoke Duett vor ein paar Tagen. Ich schluckte. Ich sah die Kommentare unter dem Bild. „Wer ist das?" „Was will eine Deutsche von Charlie?" „Er ist viel zu hübsch für sie." „Die soll wieder zurückgehen, wo sie hergekommen ist. Was denkt sie wer sie ist?" Ich senkte das Handy. Ich versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, dass meine Hände zitterten. „Schon okay, war ja klar, dass sowas kommt. Ist mir aber egal. Lasst uns essen." Alle schwiegen. Ich nahm mir ein Stück Flammkuchen. Dann riss ich Owen seinen Teller aus der Hand. „Iss meines. Hier sind Nüsse drin." Er sah mich verwirrt an, doch ich konzentrierte mich voll auf meinen Teller.

Ich lag in meinem Bett und starrte auf die Decke. Ich wartete, bis ich Madi neben mir ruhig atmen hörte. Leise setzte ich mich auf, nahm mir mein Handy und schlich mich ins Badezimmer. Ich setzte mich auf den Boden und lehnte mich an die kühle Wand. Ich scrollte locker zwei Stunden durch diverse Posts und deren Kommentare. Auch wenn ein paar Kommentare nett waren „Wie süß!" „ich hoffe Charlie ist glücklich!" „Sie ist so hübsch!" überwogen die negativen Kommentare deutlich. Mir fielen langsam die Augen zu, bis mein Blick auf einen Kommentar fiel: „Die soll sich doch umbringen." Ich beugte mich über die Kloschüssel und erbrach mich. Es war beinahe wie vor ein paar Jahren mit Max. Ich hatte kein Problem mit Kritik. Aber Morddrohungen oder solche Kommentare, die mir sagte, dass ich mich einfach selbst umbringen sollte, gingen zu weit. Ich begann stumm zu weinen. Das war der schlimmste Schmerz. Wenn man weinte, keinen Ton mehr herausbrachte und es sich wirklich anfühlt, als ob etwas in einem zerbrechen würde. Ich hatte keine Kraft aufzustehen. Ich legte mich auf den Teppich, der am Boden lag und rollte mich zusammen. Obwohl in meinem Gehirn so viele Gedanken umherkreisten, schlief ich schnell ein. 

one kiss less | charlie gillespieWhere stories live. Discover now