Kapitel 13

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Am nächsten Morgen wachte ich um 6:30 auf. An einem Samstag!

Ich versuchte vergeblich wieder einzuschlafen, doch als ich merkte, dass jeglicher Rest Müdigkeit aus meinen Adern verschwunden war, gab ich auf und vergrub meinen Kopf frustriert in den Kissen.

Leise schlich ich mich nach unten in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Erfreut stellte ich fest, dass noch ein letzter Rest Orangensaft da war und besorgte mir eines der bunten Gläser, die meine Mutter so liebte.

Ich ließ mich gerade auf einem der gepolsterten Küchenstühle nieder, als ich von einem lauten Knurren meines Magens abgelenkt wurde.

„Hunger?", fragte eine Stimme hinter mir.

Ich wirbelte herum. „Chrissy!"

Meine Schwester lachte. Ich ging auf sie zu, um sie zu umarmen.

„Was machst du denn hier? Und dann auch noch so früh an einem Samstag?"

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich habe die komische Deadline für die Hausarbeit ausgenutzt und sie erst heute Morgen um drei Uhr abgegeben. Und dann dachte ich mir, ich könnte auch einfach jetzt schon in den Zug steigen ..."

Ich schüttelte gespielt mahnend den Kopf. Meine Schwester Christina studierte seit einigen Semestern an einer Uni in Rheinland-Pfalz und kam nur noch manchmal nach Hause. Das sie ihr Studium überhaupt noch nicht geschmissen hatte, konnte mich nur wundern, da sie auch jetzt nur, wie damals in der Schule, das absolute Minimum tat und deshalb auch nur mit Ach und Krach überhaupt ihr Abitur bestanden hatte.

Chrissy öffnete den zierlichen Brotkorb und griff nach zwei Scheiben des Vollkornbrotes, das dort seit vorgestern darauf wartete, verspeist zu werden. Danach schaute sie in den Kühlschrank und angelte das Nutellaglas heraus. Aus irgendeinem merkwürdigen Grund war unsere Mutter der festen Überzeugung, dass Nutella in den Kühlschrank gehörte.

Während Chrissy also versuchte, die hart gewordene Nussnougatcreme mit einem Plastikmesser aus dem Glas zu kratzen, ließ ich mich wieder auf den Stuhl fallen.

„Und was gibt es Neues in deiner Welt?", fragte ich sie neugierig.

„Och nicht wirklich viel ...", antwortete sie ausweichend, während sie es endlich geschafft hatte, die zwei Scheiben zu beschmieren. Sie beförderte zwei Porzellanteller aus dem Schrank und reichte mir einen.

„Thanks", nuschelte ich und biss in mein Brot.

„Und bei dir?", sie ließ sich auf den Stuhl mir gegenüber gleiten, den Teller in der einen, ein Glas Wasser in der anderen Hand und das Nutellabrot zwischen die Zähne geklemmt.

„Auch nicht viel ...", antwortete ich und wir aßen schweigend unser Frühstück.

„Wie geht es Thilo?", versuchte ich nach einiger Zeit wieder ein Gespräch in Gange zu setzen, doch Christina zuckte abermals nur mit den Schultern. „Wir haben uns letzten Monat getrennt."

„Was?", mir viel die Kinnlade runter. „Warum hast du denn nichts erzählt?"

„Warum sollte ich? War doch sowieso nichts Ernstes ..."

Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Sie war nun seit fast einem Jahr mit einem Typen zusammen und bezeichnete das nicht als etwas Ernstes? Das war eindeutig mal wieder einer dieser Augenblicke, in denen sich zeigte, wie ungleich wir uns doch waren.

„Weißt du", fuhr sie fort, „vielleicht sollte ich einfach mal eine Auszeit nehmen von Männern. Ich meine, sieh dich an: Du hattest noch nie einen Freund und bist ein echter Überflieger. Vielleicht lag es ja die ganze Zeit nur daran, dass es bei mir so gehapert hat in der Schule."

Ich musste lachen. „Ich bin mir sicher, da hast du recht."

„Jaaaaa vermutlich ...", sie grinste und ich strich mir eine Haarsträhne, die sich aus meinem schlampigen Dutt gelöst hatte, hinter das linke Ohr.

Auf einmal blitzte ein schelmisches Funkeln in Chrissys Augen auf. „Da ist doch kein Junge, oder?"

Sie grinste verschmitzt, doch ich sah sie nur kalt an. „Nein."

Meine Schwester zuckte irritiert zurück, sie war es nicht gewohnt, dass ich so etwas ernst nahm, wir scherzten oft darüber, doch nach dem gestrigen Abend konnte ich das gerade wirklich nicht gebrauchen.

Kurz kam mir der Gedanke, Christina davon zu erzählen, was geschehen war, ich verwarf ihn jedoch gleich wieder.

„Okay ...", sagte Chrissy vorsichtig. „Glaubst du, Mom und Dad wären sehr sauer, wenn ich die Waschmaschine für den Rest des Tages in Beschlag nehme? Die im Wohnheim ist seit neustem kaputt und ich muss mittlerweile dieselben Socken schon mehrere Tage hintereinander tragen."

„Urgh", ich verzog angewidert das Gesicht. „Das wollte ich jetzt wirklich nicht wissen, Chrissy!"

Sie lachte und verließ dann die Küche, vermutlich um wie von ihr angekündigt die Waschmaschine mit ihrer bestimmt mittlerweile schon schimmelnden Kleidung zu foltern.

Mein Blick fiel auf den Teller, den sie natürlich mitten auf dem Tisch stehen gelassen hatte, anstatt ihn eben neben die Spüle zu stellen. Warum sind Geschwister eigentlich immer so anstrengend? Ich räumte meinen Teller ab, ließ ihren jedoch aus einem Anfall kindlichen Trotzes stehen und verzog mich dann auf mein Zimmer.

Ich schaltete mein Handy an und sogleich trudelten ein halbes Dutzend Nachrichten von Lina ein. Aus irgendeinem mir unerklärlichen Grund schien sie nicht in der Lage zu sein, ihre Anliegen in einer einzigen Nachricht dazulegen und so war ich es gewohnt, regelmäßig von ihr zugespammt zu werden.

Ich öffnete den Messenger-Dienst und überflog die kurzen Texte, die für meinen Geschmack viel zu viele Emojis und viel zu wenig Satzzeichen enthielten.

In umständlicher Art und Weise versuchte mich Lina in ihren Nachrichten dazu zu zwingen, heute Nachmittag mit ihr schwimmen zu gehen und da ich sowieso heute nichts mehr vorhatte, gab ich mein Okay für den Plan:

In einer einzigen Nachricht ohne Emojis, dafür aber mit angebracht vielen Satzzeichen.

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