Kapitel 18

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„Du hast was gemacht?"

Es war Montagmorgen und Minous Stimme hallte über den ganzen Schulhof und von überall trafen uns neugierige Blicke. „Ich kann nicht fassen, dass du es echt ohne mich beendet hast!"

Ich zuckte mit den Schultern. „Jetzt tu doch nicht so, wir müssen es ja niemandem erzählen. Offiziell haben wir alles zusammen gemacht, okay? Keiner deiner Freunde wird irgendwas sagen können. Und außerdem ..."

Sie sah mir fest in die Augen und in ihrem Blick lag eine Mischung aus Zorn und Verletztheit. Ich atmete einmal tief durch.

„Und außerdem musst du jetzt nicht mehr mit mir Zeit verbringen, damit ich nicht denke, dass du nicht nur wegen Bio mit mir abhängst."

Sie schüttelte fast unmerklich den Kopf. „Ist das gerade dein Ernst, Vera?"

Ich biss mir auf die Zunge und zwang mich der Versuchung zu widerstehen einfach wegzurennen.

„Ja, ist es."

„Kannst du dir wirklich nicht vorstellen, dass ich zur Abwechslung mal Zeit mit jemandem verbringen will, für den sein Äußeres nicht an erster Stelle steht?"

Ich merkte, wie meine Selbstsicherheit langsam anfing, in sich zusammen zu sacken.

Minou blies die Nasenflügel kurz auf, vermutlich, um vor ihrem nächsten Satz einmal tief Luft zu holen, aber alles, was ich denken konnte, war, wie niedlich es aussah. Ich hasste mich innerlich für diesen Gedanken.

„Du hast das Projekt also allein gemacht? Das heißt dann, dass ich dir jetzt nicht mehr das Gefühl geben muss, dich zu mögen?"

Ich nickte verunsichert.

„Schön."

Ich merkte, wie sich meine Augen etwas weiteten. Ich hatte also doch recht gehabt.

„Schön, das heißt dann wohl, dass ich, wenn ich dich von jetzt an irgendwo mit hinnehme, wirklich mit dir befreundet sein will."

Sie mochte mich also vielleicht wirklich. Aber natürlich nur als eine Freundin.

Mein Herz schrie und ich kam nicht damit klar, nicht zu wissen, ob ich glücklich oder traurig sein sollte. Aber was hatte ich auch schon erwartet? Dass sie zufälligerweise mehr für mich empfinden würde als für eine Freundin? Das war geradezu lachhaft.

„Es sei denn, du willst keine Zeit mehr mit mir verbringen," ein dunkler Schatten huschte über ihr Gesicht.

Natürlich wollte ich das. Aber gleichzeitig wollte ich einfach nur so viel Strecke wie möglich zwischen uns bringen. Ich wollte ihr nah sein, aber gleichzeitig hasste ich mich dafür.

„Doch klar", antwortete ich und klang dabei ruhiger als ich erwartet hatte. Endlich ließ mich Fortuna mal nicht im Stich.

„Gut." Sie zog das Wort etwas in die Länge und in ihren Augen lag ein intensiver Blick, fast so, als wüsste sie nicht ganz, ob sie mich umarmen oder mir eine reinhauen wollte, aber das war ja auch irgendwie ein bisschen verständlich, wenn man bedachte, dass ich ihr gerade an den Kopf geworfen hatte, sie spiele seit Anfang an ein falsches Spiel.

Unglücklicherweise wurde die Situation nicht angenehmer, eher im Gegenteil und das erste Mal in meinem Leben betete ich dafür, dass die Klingel, die verkündet, dass der Unterricht beginnt, uns unterbrechen würde.

„Nun ...", Minou sprach sehr langsam und schien sich jedes Wort genau zu überlegen. „Hast du Freitag schon was vor?"

Mein Herzschlag beschleunigte sich und ich schwöre, hätte sich neben mir ein Loch aufgetan, ich hätte mich ohne zu zögern reingestürzt. In meinem Inneren kämpften mein Herz und mein Kopf um Dominanz.

„Also?", ich wusste nicht, wie lange ich geschwiegen und stattdessen meiner inneren Debatte gelauscht hatte, aber Minou sah bereits etwas genervt aus, weshalb ich mich zwang, hier nicht wie ein Depp rumzuflennen und sich darüber zu beschweren, wie schwer ich es doch hatte. Es war ja nicht so, als wäre sie die Eine für mich, ich fand sie halt attraktiv, was war schon groß dabei? Ich würde ja wohl mal einen Abend mit ihr verbringen können.

„Klar", ich zuckte mit den Schultern.

„Okay, wir treffen uns alle bei Hannah B. zuhause. Weißt du, wo das ist?"

Ich schüttelte den Kopf.

„Okay, dann gib mir mal dein Handy, ich speichere meine Nummer ein und schick dir dann Hannahs Kontaktdaten."

Ich nickte. Handy reichen, das war einfach, das konnte ich.

Ich griff in meine Tasche und reichte ihr mein Smartphone.

„Ehm, Vera, das ist versperrt ..."

Scheiße. Mir schoss das Blut in den Kopf und ich ließ mir mein Handy von ihr in die Hand drücken, um es zu entsperren.

Der Gedanke daran, einen ganzen Abend mit Minou zu verbringen, wenn ich schon nicht in der Lage war, auch nur geradeaus zu denken, wenn sie mal neben mir stand, war erschreckend.
Aber ich würde es schaffen, redete ich mir ein. Ich würde es schaffen, ganz normal mit ihr zu reden. Ich würde es schaffen.

Schließlich meinte sie, alle würden kommen, das heißt, es werden viele Leute um uns rum sein, die mich ablenken würden. Und außerdem hatte ich fast eine ganze Woche Zeit, um mich darauf vorzubereiten. Ich würde es mit links schaffen.

Gott, wie ich dieses Wechselbad der Gefühle verabscheute.

Zebrawelt ✔Where stories live. Discover now