Kapitel 14

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Um genau 11:34 standen wir vor dem Eingang des großen Hallenbads. Zwar hatte das örtliche Schwimmbad auch eine kleine Freibadanlage, zu dieser Jahreszeit wurde von den Besuchern jedoch um diese gerne ein großer Bogen gemacht.

„Wo bleibt Simon denn?", quietschte Lina fröhlich und freute sich wie eine Schneekönigin darüber, dass sie es so kurzfristig geschafft hatte uns beide für ihr Vorhaben zu gewinnen.

Irgendwie war ihre Stimmung ansteckend und ich merkte, wie auch mich langsam das Gefühl beschlich, es gar nicht mehr abwarten zu können, bis unser Freund endlich auftauchte. Ich musste über Linas kindliche Art lachen, was sie nur noch mehr anzuspornen schien. Sie griff nach meiner rechten Hand und hüpfte wie ein kleiner Flummi auf und ab - sie war gerade einfach nur glücklich. Wir sollten alle mehr wie Lina sein, glaube ich.

Um 11:41 kam Simon auf seinem dunkelblauen Fahrrad auf den Parkplatz des Schwimmbads gefahren.

„Na geht doch! Wo warst du denn?", begrüßte ihn Lina fröhlich.

„Ich bin losgefahren, sobald ich deine Nachricht bekommen habe", Simon musste lachen.

„Weil du ja auch nie auf dein Handy guckst!", rief sie.

„Entschuldige, dass nicht jeder an einem Samstagmorgen schon um viertel vor sieben auf den Beinen ist, so wie du", verteidigte er sich grinsend, während er sein Fahrrad abschloss.

„Vera hat die Nachricht voll schnell beantwortet, du Langschläfer!"

„Ja?", Simon wandte sich an mich. „Du pennst mal nicht bis mindestens halb Elf?"

Ich streckte ihm die Zunge raus.

„Können wir jetzt endlich rein gehen?", rief Lina. „Immer trödelt ihr rum!"

Nachdem wir an der Kasse unsere Tickets gekauft hatten und durch das Drehkreuz geschritten waren, (wobei Lina natürlich aufgeregt ihre Karte in den Schlitz gesteckt hatte, nur um es dann doch wieder zu schaffen, so durch das Tor gehen zu wollen, dass es schon wieder einrastete, bevor sie durch war) trennten wir uns, um uns umzuziehen und uns abduschen zu gehen.

Mittlerweile strömten immer mehr Besucher in das Schwimmbad und als wir endlich am Wasser waren, tummelten sich schon überall kleinere Gruppen mit Menschen in den Becken.

Ich entdeckte einen Freund meines Vaters einige Meter entfernt mit seiner Familie und nickte ihm freundlich zu, als auch er mich erkannt hatte.

„Endlich!", kreischte Lina und sprang in das Wasser, nur um wenige Augenblicke später wieder aufzutauchen und einen Schwall Wasser auszuspucken.

„Vorsicht!", warnte Simon. „Wenn man ins Wasser springt, ohne sich vorher abzukühlen, kann das zu einem Schock oder so führen."

„Danke, Mama", Lina ließ sich auf den Rücken gleiten und kraulte ein Stück am Rand des Beckens entlang.

„Wirklich, sowas kann echt gefährlich sein!"

Lina blickte schuldbewusst zu Simon auf. „Okay, ich achte in Zukunft drauf. Zufrieden?"

„Ja", er nickte grinsend und ich musste mir das Lachen verkneifen. Die zwei waren wirklich ein eigenartiges Duo.

Mittlerweile hatten Simon und ich uns auch ins Wasser getraut und ich genoss das angenehm kühle Gefühl auf meiner Haut.

„Fühlt sich fast an wie Sommerferien", verkündete Lina.

„Naja, wenn Sommerferien mitten an einem kalten Herbsttag im November liegen und man übermorgen einen Physiktest schreibt, hast du vermutlich recht", erwiderte ich sarkastisch.

„Boah, V, warum musst du nur immer so ein Pessimist sein?", beschwerte sich Lina.

„Ich bin kein Pessimist, ich bin ein Realist", verbesserte ich sie und spritzte dann ein wenig Wasser in ihre Richtung. Lina kreischte auf und innerhalt weniger Sekunden war eine Wasserschlacht ausgebrochen, die so manchen römischen Feldherren vor Neid hätte erblassen lassen.

Nachdem sich Lina und ich gegen Simon verbündet hatten, hob er lachend die Hände. „Okay, okay, ich kapituliere!"

Lina jauchzte und zog sich am Beckenrand hoch. „Du schuldest uns Reparationen!"

Nachdem wir uns darauf geeinigt hatten, dass ein Eis eine faire Kriegsentschädigung wäre, auch wenn Simon ja eigentlich nur zwischen die Fronten geraten war, machten wir uns also auf den Weg zu dem kleinen Kiosk.

Wir reihten uns in die Schlange vor der Kasse ein und warteten darauf, endlich dranzukommen, als ich jemanden meinen Namen rufen hörte.

Ich fuhr herum und blickte in ein paar kastanienbraune Augen. „Minou", rief ich komplett überrumpelt. „Was machst du denn hier?"

Sie lachte über meinen verwirrten Gesichtsausdruck. „Ehm, schwimmen?"

Offensichtlich. Warum stellte ich eigentlich immer so dämliche Fragen?

„Und ich könnte dich übrigens das gleiche fragen und es würde sogar viel mehr Sinn machen, da ein Schwimmbad schließlich nichts mit Schule zu tun hat und du immer noch du bist."

Hatte sie mich gerade beleidigt?

„Ehm", brachte ich hervor. Sie grinste.

„Wolltest du dich nicht heute eigentlich mit Melissa treffen?", ich war froh, dass mir endlich etwas Geistreiches eingefallen war, doch Minou grinste nur noch breiter. „Das tue ich doch", sagte sie und deutete auf die kleine Gruppe Menschen ein paar Schritte entfernt, die alle in unseren Jahrgang gingen und unter denen ich auch Melissas Gesicht fand. Was hatte ich da noch eben von geistreich gesagt?

„Weißt du ...", fing Minou einen Satz an und strich sich dabei die nassen Haare aus dem Gesicht, die jetzt fast schwarz wirkten. Ich betrachtete ihr Gesicht und ich bemerkte, dass ich sie vermutlich das erste Mal komplett ohne Make-up sah – und sie sah umwerfend aus. Ihre Lippen hatten endlich eine natürliche Farbe und ich sah, dass sie ein paar winzige Sommersprossen auf der Nase hatte, die sie sonst wohl zu überschminken schien.

„Also?", fragte Minou und sah mich auffordernd an. „Äh, was?" Fuck, ich hatte vergessen ihr zuzuhören.

„Ob du gleich mitwillst?"

Ich schüttelte den Kopf. „Ich bin mit zwei Freunden hier."

Minou legte die Stirn in Falten. „Ist alles okay mit dir, Vera? Die zwei haben sich doch grade von dir verabschiedet. Der Junge meinte, sie würden noch zu einer Trillian wollen und darum jetzt gehen. Wer ist das eigentlich? Geht die in unseren Jahrgang?"

Zwei Dinge fuhren mir durch den Kopf:

1. War es möglich, dass ich das gerade echt alles nicht mitbekommen hatte??

2. Hatte dieser kleine Bastard sich wirklich ohne mich aus dem Staub gemacht und als Ausrede benutzt, dass er eine Figur aus einem Roman besuchen wollte? Und wie genau wollte er das bitte schön Lina erklären?

„Ja, nein, sorry, mir war nur gerade etwas schwindelig", log ich.

Minou nickte langsam. „Also, kommst du jetzt mit zu Cardy's Diner?"

Natürlich hatte ich keine Lust den ganzen Abend mit Melissa und ihren „coolen" Freunden zu verbringen und mir am besten noch die ganze Zeit irgendwelche Sticheleien anzuhören, weil sie vermutlich genauso wenig Lust auf mich haben, wie ich auf sie.

Und deshalb sagte ich das einzig Vernünftige, was man auf so eine Frage antworten kann:

„Klar, gerne."

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