Kapitel 35

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Die restliche Woche verstrich und ich verbrachte meine Zeit damit, Robin so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen. Ich mochte sie, aber ich hatte mich immer noch nicht entschieden, welche Antwort ich ihr geben wollte.
Dass das nächste Treffen des Komitees erst am nächsten Dienstag sein würde, kam mir dabei sehr gelegen.

Ich zog mein Handy aus der Tasche meiner Jacke und warf einen Blick auf den digitalen Stundenplan, der eine freudige Überraschung für mich bereithielt: Unsere Kunstlehrerin hatte die Doppelstunde kurzfristig abgesagt, was bedeutete, dass ich den Nachmittag freihaben würde.

Fröhlich schlenderte ich an dem kleinen Sportplatz hinter der Schule vorbei, um mich auf den Weg nach Hause zu machen, als ich ein Mädchen mit schulterlangen braunen Haaren am Rand des Fußballfeldes sitzen sah.
Es war ohne Zweifel Minou.

Kurz war ich versucht, meinen Gang zu beschleunigen, um unbemerkt an ihr vorbeizukommen, doch ich wusste, dass es keinen Zweck hatte, ihr für immer aus dem Weg zu gehen.

Robin war toll - sie war quasi der Inbegriff der perfekten Schwiegertochter und ich weigerte mich, mit ihr auf ein Date zu gehen, nur weil ich immer noch Minou hinterher trauerte. Das musste ich ändern.

Mit entschlossenen Schritten machte ich mich auf den Weg zu den Bänken und blieb erst stehen, als ich direkt vor ihr stand. Sie blickte fast schon erschrocken zu mir hoch.

„Hey, können wir reden?", begrüßte ich sie und Minou nickte zögerlich. Ich setzte mich neben sie auf die Bank und seufzte.

„Verrätst du mir den Grund, weshalb du deine Einstellung zu allem so plötzlich verändert hast?", fragte ich sie kurzerhand.

Sie schwieg kurz. „Das kann ich nicht."

Wäre auch zu schön gewesen.

Ich zupfte an meinem linken Daumennagel herum. „Wieso nicht?"

Wieder schwieg sie. „Weil du mich danach noch mehr hassen würdest."

Ich wollte ihr sagen, dass ich sie nicht hasste, doch ich kam nicht dazu, da in dem Moment Melissa Lord, umringt von einigen anderen Mädchen der Clique, vor uns auftauchte. Sie sah uns kurz mit einem argwöhnischen Blick an und setzte sich dann neben Minou auf die andere Seite der Bank.

„Ist Erik immer noch bei Fußballtraining?", wand sie sich an ihre beste Freundin, doch Minou zuckte nur mit den Schultern. „Das ganze Team ist eben in der Umkleide verschwunden, also schätze ich, er müsste jeden Moment fertig sein."

Als wäre das das Kommando gewesen, auf das sie alle gewartet hatten, tauchte augenblicklich eine Gruppe von Jungen auf der anderen Seite des Feldes auf, die auf uns zukamen. Allen voran Erik.

Kurz wunderte ich mich, da sie alle noch ihre Trikots trugen, obwohl Minou doch gerade eben noch gesagt hatte, sie würden sich umziehen, aber ich hatte sowieso noch nie etwas von Sport verstanden.

Als sie endlich vor uns angekommen waren, grinste Erik Parkmann über das ganze Gesicht und holte eine einzelne weiße Rose hinter seinem Rücken hervor. Er reichte sie Henrik mit den Worten „Halt mal kurz", drehte sich dann mit dem Rücken zu uns um und fing an, sich auszuziehen.

Ich riss erschrocken die Augen auf, als er so mitten auf dem Sportplatz plötzlich sein T-Shirt über den Kopf zog, doch sobald er sich wieder umdrehte, verstand ich, warum er seinen Oberkörper vor versammelter Mannschaft entblößte. Auf seine Brust waren in leuchtend blauen Buchstaben die Worte „Willst du mit mir zum Ball gehen?" geschrieben. Neben dem Wort Ball war ein kleiner Fußball gemalt.

Er ließ sich von Henrik die Blume zurückgeben und kniete sich vor uns auf den Boden. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Melissa unauffällig ihre Frisur richtete, als würde sie sich für ihren großen Augenblick in Szene setzen wollen.

Eriks Augen strahlten und sein Gesicht war von einem breiten Lächeln überzogen, als er die Worte aussprach, wobei er jede einzelne Silbe betonte.

„Willst du mit mir zum Ball gehen, -" Ich sah wie Melissa bereits den Mund leicht öffnete, um ihm ihre Antwort zu geben, als Erik seinen Satz beendete. „- Minou?"


Melissa riss die Augen auf und ihr Gesicht färbte sich dunkellila vor Zorn.
„Was?!", schrie sie, doch es wurde von dem allgemeinen Gejubel, das auf Eriks Antrag gefolgt war, verschluckt.

Ich wusste nicht genau wie lange es dauerte, bis sich alle wieder beruhigt hatten, die Fußballmannschaft aufgehört hatte zu grölen und Melissa und Minous Freundinnen nicht mehr aufgeregt kreischten, doch als endlich wieder Stille eingekehrt war, sah Erik Minou erwartungsvoll an.

„Und?", fragte er. Minou schwieg. Ihr Blick wanderte von Erik zu Melissa und dann zu mir. Ich überlegte, ob sie wohl wirklich absagen würde, um Melissa zu besänftigen.


Sie sah zurück zu dem immer noch auf dem Boden knieenden Jungen und lächelte gequält. „Nein, Erik, ich will nicht mit dir zum Ball gehen, tut mir leid."

Kathi klappte die Kinnlade herunter, die Hannahs sahen Minou mit großen Augen an. Melissas Miene hingegen hellte sich zumindest ein Stück weit auf.

„Aber ... wieso?", stammelte Erik und blickte verletzt zu ihr hoch. Offensichtlich wegen Melissa, du Depp, dachte ich, doch Minou blickte nur auf ihre Schuhspitzen und schwieg.

Nach einem kurzen Moment der Stille sah sie wieder hoch. Erik war inzwischen wieder aufgestanden.

„Erik, es tut mir wirklich leid, aber -", fing sie an und holte tief Luft, „aber ich kann nicht mit dir zum Winterball gehen. Es wäre falsch. Es wäre falsch, weil ich nichts für dich empfinde. Jedenfalls nicht in diesem Sinne. Ich mag dich, aber nur als Freund."

Ihre Stimme zitterte und ich hatte das Gefühl, in meinem ganzen Leben noch nie so etwas Ehrliches gehört zu haben. Vermutlich war es einfach eine ganz normale, freundliche Abfuhr und ich konnte nicht mal sicher sein, ob sie ihm nicht doch nur wegen Melissa abgesagt hatte, aber in diesem Moment glaubte ich ihr. Sie hatte Erik versetzt, weil sie es falsch fand, mit ihm zum Ball zu gehen, obwohl sie keine Gefühle für ihn hatte.


Und endlich wusste ich, was die einzig richtige Antwort auf Robins Frage war.

Zebrawelt ✔Where stories live. Discover now