Kapitel 38

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Nachdem ich mich einigermaßen beruhigt hatte, holte ich dann doch noch mein Buch ab und machte mich danach auf den Weg nach Hause.

Den restlichen Tag verbrachte ich damit, mir den Kopf darüber zu zerbrechen, was zur Hölle Minous schwuler Cousin damit zutun haben konnte, dass sie den Kontakt zu mir abgebrochen hatte, doch jede einzelne Vermutung, die ich aufstellte, musste ich schon kurze Zeit später aufgrund fehlender Logik wieder verwerfen.

Ich quälte mich durch den Tag und erwartete beinahe, Minou würde mich früher oder später anschreiben, aber vergeblich – der Chatverlauf blieb unberührt.

Die Tatsache, dass ich jedes Mal, wenn mein Smartphone vibrierte, direkt danach griff, war in meinen Augen fast schon erbärmlich, aber ich schob es darauf, unbedingt erfahren zu wollen, wie Janny in dem Ganzen mit drinhing und nicht darauf, dass irgendeine winzig kleine Stimme in meinem Hinterkopf mir zuflüsterte, dass jetzt, wo er mit ihr reden wollte, ja vielleicht doch noch alles gut werden könnte.

Ich ging so spät wie möglich ins Bett, in der Hoffnung, direkt einzuschlafen und nicht erst noch drei Stunden wach zu liegen und irgendwelche Szenarien in meinem Kopf durchzuspielen, die sowieso nie eintreten würden.


Am nächsten Morgen wurde ich von einem schrillen Piepen geweckt. Verwirrt öffnete ich meine Augen ein Stück weit und griff nach dem lärmenden Wecker, der neben mir auf meinem Nachtschrank stand und aus voller Kehle rumschrie.
Es war Samstag, wieso ließ er mich nicht schlafen?

Immer noch schlaftrunken brauchte ich geschlagene siebenundfünfzig Sekunden, bis ich mich wieder daran erinnern konnte, wie ich gestern Abend, ohne darüber nachzudenken, dass Wochenende war, auf die Taste zur Aktivierung für den nächsten Tag gedrückt hatte.

Ich verfluchte mich innerlich für diesen dämlichen Fehler und versuchte angestrengt, zurück ins Land der Träume zu sinken – aber ich versagte kläglich.

Nach geschlagenen fünfundzwanzig Minuten gab ich den Versuch, doch noch etwas Schlaf zu bekommen, auf und verließ mein gemütliches Bett.

Es war mittlerweile fast sieben Uhr und so beschloss ich, mir schon mal frühstück zu machen, wobei ich penibel darauf achtete, so leise wie möglich zu sein, um meine Familie nicht aufzuwecken. Schließlich war ich ein wirklich liebenswerter Mensch.

Um halb acht kroch ich zusammen mit meinem neuen Buch zurück unter die Bettdecke und begann zu lesen.
Um halb zehn beschloss ich, mir etwas Vernünftiges anzuziehen und die Zeit mit Sozialen Medien zu verschwenden.
Um halb elf, meine Familie war mittlerweile ebenfalls auf den Beinen, setzte ich mich an den Aufsatz, den ich noch für den Geschichtskurs schreiben musste.
Um viertel vor zwölf klingelte es.

Ich sprang auf, froh, vor den Anfängen der Amerikanischen Revolution fliehen zu können, und öffnete die Tür. Vermutlich hatte Chrissy wieder irgendetwas online bestellt und zu uns liefern lassen, da bei ihr im Wohnheim immer mal wieder die Pakete von einem etwas eigenartigen Mitbewohner entgegengenommen und danach nie wiedergesehen wurden.

Aber es war kein Postbote.

(Naja, außer die Post hatte die Uniformpflicht abgeschafft und Minou hatte beschlossen, Paketbote wäre ihr neuer Traumnebenjob.)

„Oh ehm hey", begrüßte ich sie etwas überfordert.

„Du hast mit Janny geredet."

Ich nickte langsam und war unsicher, ob ich sie nun reinbitten sollte oder nicht. Doch die Entscheidung wurde mir letztendlich sowieso abgenommen.

„Darf ich vielleicht reinkommen? Ich denke, wir sollten reden", sagte sie unsicher und ich trat schnell zur Seite, um sie ins Haus zu lassen.

„Du hättest auch anrufen können", meinte ich und bemerkte zu spät, wie unglaublich taktlos das geklungen haben musste.
„Sorry", schob ich schnell hinterher, doch sie ging auf keine der beiden Aussagen ein.

Zebrawelt ✔Where stories live. Discover now