Kapitel 8: Unsere Familie

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Es war spät geworden, wieder einmal

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Es war spät geworden, wieder einmal. Doch die Ruhe war nötig gewesen, um einen klaren Kopf zu bekommen. In dunklen Kneipen und düsteren Absteigen fühlte er sich paradoxerweise sicher und frei. Der Abstand zu seiner Familie war wichtig, um nicht vollkommen den Verstand zu verlieren. So war es auch an diesem Abend gewesen. Curtis kam wie immer betrunken nach Hause. Elaine schläft bestimmt schon. Manchmal wartete sie im Wohnzimmer, auf der Couch sitzend, während Curtis versuchte, sich ungesehen ins Haus zu schleichen. Überraschenderweise wirkte sie von Mal zu Mal weniger wütend, als verliere sie allmählich das Interesse, was ihr Ehemann des Nachts so trieb. Es war ein Glück für Curtis' Gesicht, das bereits mehrmals ihre heftigen Ohrfeigen zu spüren bekommen hatte, wenn Elaine auf ihn lauerte, nur um ihm ihre Wut zu zeigen. Doch lieber würde er sich ein Dutzend Mal von ihr ohrfeigen lassen, als dass sie ihm die kalte Schulter zeigte, so wie heute, wo niemand auf ihn wartete.

In den letzten Wochen und Monaten war Elaine ein festes Mitglied der Davut-Familie geworden. Etwa zur selben Zeit hatte sie sich immer weiter von Curtis entfernt. Wo einst Liebe war, herrschte nun nur noch ein gemeinsamer Haushalt ohne Emotionen, und das Einzige, was ihre brüchige Ehe zusammenhielt, waren ihre gemeinsamen Kinder. Er sollte mit ihr sprechen, das hätte er bereits vor längerer Zeit tun müssen, das wusste er. Zu wichtig war ihm allerdings die Stille und vermeintliche Harmonie im eigenen Zuhause, auch wenn sie nur noch künstlich am Leben gehalten wurde.

Dass Curtis seine Sorgen mit niemandem teilen konnte, machte ihm zu schaffen. Curtis war eigentlich kein Mensch, der Dinge unausgesprochen ließ, auch besonders dann nicht, wenn sie Menschen betrafen, die ihm nahe standen. Die Nähe zu Elaine, mental wie körperlich, fehlte ihm Tag für Tag mehr. Curtis' Anker waren seine beiden Sprösslinge, die dreizehnjährige Vivien und der achtjährige Tom, der von allen nur Tommy genannt wurde. Nur spärlich erinnerte sich Curtis daran, wie es war, ohne Elaine und seine Kinder zu sein. Als er so alt war wie seine Tochter am heutigen Tage, hatte Curtis bereits einiges auf dem Kerbholz. In jenem Jahr hatte er seine erste Waffe bekommen. Ungefähr ein Jahr darauf musste er sie zum ersten Mal einsetzen. Und wieder rund ein Jahr später trug er sie täglich bei sich. Amir Jet, das große Oberhaupt der Familie und dem kriminellen Unternehmen der Davut-Familie, kümmerte sich um die Mitglieder der beiden Familien. Dabei machte er kaum Unterschiede zwischen seiner leiblichen Familie und der Familie, die er sich selbst gesucht und aufgebaut hatte.

Voller Wehmut betrachtete er den Treppenaufgang, der hinauf in den ersten Stock führte und somit auch ins Schlafzimmer. Curtis zog die Klamotten aus und warf sie über den kleinen Hocker neben der Couch. Nicht einmal das Licht wollte er einschalten, um weder Elaine noch Vivien oder Tommy zu wecken. Er überlegte mehrmals, die Treppen nach oben zu steigen, sich zu seiner Frau zu legen und sie wieder einmal um Verzeihung bitten. Von Erfolg wäre dieser Plan nicht gekrönt, stank er doch nach Whiskey-Cola und Zigarettenqualm. Also ließ er sich auf die Couch nieder, legte die Füße hoch und nickte innerhalb kürzester Zeit ein.

Tageslicht fiel ihm wie ein wärmender Weckruf ins Gesicht. Mit schmerzenden Gliedern setzte sich Curtis auf, der sich am liebsten wieder hingelegt hätte. Mir ist so schwindelig. Sein Magen rebellierte, und das Durstgefühl brachte ihn beinahe um den Verstand. Wasser, ich brauche Wasser. Zitternd kam er auf die Beine, nur um anschließend zur Küche zu wanken. Das eiskalte Leitungswasser war eine wahre Wohltat, als es seine trockene Kehle erfrischte. Er fror, wahrscheinlich nicht zuletzt wegen des Wassers, weshalb er zurück ins Wohnzimmer tapste, wo er sich dieselben Klamotten überstreifte, die er gestern noch getragen hatte. Curtis musste den Brechreiz unterdrücken, als ihm die prozenthaltige Duftnote in die Nase stieg. Nur solange, bis ich ins Schlafzimmer kann, um mir neue Sachen zu holen. Eine Dusche ist auch bitter nötig, dachte er sich und durchwanderte das Wohnzimmer, während er sich das befleckte Hemd überstreifte. Ich muss warten, bis Elaine aufgestanden ist. Ich will ihr nicht gerade so unter die Augen treten ... nicht schon wieder.

METROPOLA - Band 1 - Der JahrhundertsturmWhere stories live. Discover now