Kapitel 98

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Der Koffer, welcher zuvor noch aus taktischen Gründen auf dem Bett des Kapitäns lag, war auf den Boden verbannt worden. In den weichen Laken lagen nun zwei eng aneinander gekuschelte Schwarzhaarige. Tobio hatte seinen Kopf auf Kuroos Oberkörper gebettet, während er mit den Fingern andächtig über dessen Brust strich. Tetsurou hingegen kraulte durch Tobios weiches Haar. Er würde das Gefühl an seinen Fingern, wenn diese durch die Strähnen glitten, vermissen. Es war sinnlos. Wäre Tobio erst mal fort und nicht mehr in seiner Nähe, würde er alles an dem Setter vermissen.

Tetsurou seufzte. „Eigentlich will ich gar nicht fragen, aber... Mit welchem Zug willst du nach Hau— zurückfahren?"

Die Stimmung des Setters rauschte in den Keller, als er auf die Uhr sah. „Ich denke, 18:17 Uhr wäre ganz gut."

„Okay." Tetsurou sah auf die Uhr. Es war 14:03 Uhr. Das bedeutete, dass sie noch drei Stunden gemeinsam im Bett liegen konnten. Sein Herz fühlte sich schwer an und seine Atmung flach. Der bevorstehende Abschied von seinem Freund machte sich bereits jetzt bemerkbar.

In Tobios Gefühlswelt sah es nicht anders aus. Es graulte ihm regelrecht vor dem Moment, in dem sie von hier aufbrechen würden. Doch bis dahin waren es noch drei Stunden: drei Stunden, in denen er sich keinen Millimeter von Kuroo entfernen würde.

Die besagten Stunden rasten förmlich an den zwei Schwarzhaarigen vorbei. Tobio fragte sich, wie es sein konnte, dass die Zeit in manchen Situationen scheinbar schleichend, in anderen wiederum rasend schnell verging. Es kam ihm so vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass der Kapitän vor seiner Haustür in Miyagi gestanden hatte und über ihn hergefallen war. Die zwei Wochen, die er hier in Tokio bei Kuroo und dessen Großeltern verbringen durfte, waren so schnell vergangen wie ein Wimpernschlag. Und wenn ihn diese zwei Wochen schon so kurz vorkamen, war es kein Wunder, dass er das Gefühl hatte, die Uhr wäre gerade urplötzlich von 14:03 Uhr auf 17:05 Uhr gesprungen.

„Tobio..."

„Ich weiß."

Tetsurous Körper, sein Verstand, seine Seele, sein Herz schrien auf, als sich Tobio von ihm löste und er den Jungen dabei beobachtete, wie er aus dem Bett kroch. Mit dunklem Blick sah er dem Setter dabei zu, wie er sich anzog. Erst die Boxershorts, dann die Socken, gefolgt von der Hose und einem Pullover. Schweren Herzens erhob er sich nun ebenfalls. Jede seiner Bewegung, während er sich anzog, wirkte schwerfällig und ungelenk. Er spürte Tobios Blicke auf sich, nahm wahr, wie der Junge auf ihn wartete. „Okay. Wir können", sagte er und sah in die blauen Augen, aus denen eine Trauer sprach, die ihm die Luft zum Atmen raubte. Er schluckte schwer und zog Tobio in seine Arme, hielt ihn fest, als würde es keinen Morgen mehr geben. In Gedanken wiederholte er immer wieder, dass diese Trennung nicht für die Ewigkeit war. Doch viereinhalb Monate ohne Tobio persönlich sehen zu können, kamen ihm nicht nur wie die Ewigkeit vor, sondern auch wie die reinste Hölle.

Langsam trennten sich die zwei Schwarzhaarigen voneinander. Tetsurou griff nach Tobios Koffer und machte sich auf den Weg nach unten, einen schweigsamen Setter auf den Fersen. Im Wohnzimmer trafen sie auf Atsuka und Takumi, die ebenfalls recht bedrückt wirkten.

„Ach Tobio, Schätzchen, die zwei Wochen sind viel zu schnell vergangen", sagte Atsuka und zog den Jungen in eine feste Umarmung. „Ich hoffe, dass du uns vor dem Frühlingsturnier noch einmal besuchen kommst."

„Das hoffe ich auch", erwiderte Tobio, als sie sich voneinander lösten, und probierte sich an einem kleinen Lächeln.

„Komm gut nach Hause, Junge", sagte Takumi und drückte den Schwarzhaarigen ebenfalls an sich.

„M-Mach ich", stotterte Tobio hervor. Ihm sträubten sich jedes Mal die Haare, wenn jemand das Haus, in welchem er in Miyagi lebte, als ‚Zuhause' bezeichnete, doch er schwieg.

Rivalität mit Folgen [Teil 1]حيث تعيش القصص. اكتشف الآن