Kapitel 175

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„Hast du deinen Eltern Bescheid gegeben, dass du Besuch mit nach Hause bringst?", fragte Chiyoko an den Kapitän gerichtet, kurz nachdem sie in den Bus gestiegen waren.

„Habe ich", sagte Kuroo, „aber treffen wirst du nicht meine Eltern, sondern meine Großeltern."

„Du wohnst also bei deinen Großeltern."

Tetsurou nickte.

„Mit Kageyama."

Wieder nickte Kuroo.

„Und das finden deine Eltern in Ordnung?", fragte Chiyoko ungläubig.

„Was sollte denn daran nicht in Ordnung sein?"

„Naja... ihr beide seid Jungs. Da können komische Gerüchte aufkommen."

Tetsurou zog eine Augenbraue fragend in die Höhe. „'Komische Gerüchte'", echote er. „Die Fantasie der Leute, die solche ‚komischen Gerüchte' verbreiten, muss sehr lebhaft sein, wenn sie aus einem Akt der Freundschaft, wenn ein Freund einem Freund hilft, einen Akt der Liebe machen."

Chiyoko wand sich unter den starren Blicken des Nekoma-Kapitäns, bei denen sie das Gefühl hatte, er würde geradewegs in ihren Kopf schauen. Darüber hinaus war sie sich sicher, dass Kuroo seine Worte mit Absicht so gewählt hatte. ‚Einen Akt der Liebe' oder aber auch einen ‚Liebesakt'. Heiße Schauer rieselten durch ihren Körper, als sie sich vorstellte, einen solchen Akt der Liebe mit dem Kapitän zu vollziehen. Sie drohte, sich ihren lüsternen Gefühlen hinzugeben, als sich ihr Verstand blitzartig zurückmeldete und ihren Geist klärte. „Du kennst die Menschen. Sie wittern überall einen Skandal."

„Einen Skandal?", wiederholte Kuroo amüsiert. „Du findest also, es gleicht einem Skandal, wenn sich Personen des gleichen Geschlechts lieben?"

„Ich... das..."

„Verstehe. So eine bist du also", neckte Kuroo weiter, um das Mädchen aus der Reserve zu locken.

„Ich bin überhaupt nicht so eine! Man darf lieben, wen man will, das ist meine Meinung! Aber du... du..." Chiyoko stockte.

„Was? Ich dürfte es nicht?", hakte Tetsurou mit einem Lächeln auf den Lippen nach.

Tobio und Lev tauschten nervöse Blicke.

„Natürlich darfst du, aber—!"

„Aber was?"

Chiyokos Herz klopfte heftig in ihrer Brust. Nie in ihrem Leben hatte sie sich erträumt, jemals eine derartige Konversation mit ihrem heißgeliebten Schwarm zu führen. „D-Du bist das Sinnbild von Männlichkeit! Alle Mädchen auf der Schule sind in dich verliebt! Es wäre eine Schande, wenn du schwul wärst! Du würdest sie alle ihrer Träume berauben!", rief Chiyoko aufgebracht.

Das Lächeln war von Tetsurous Lippen gewichen. Waren dies nicht ähnliche Worte wie die, die Yuri Sato, seine durchgeknallte ‚Exfreundin', benutzt hatte? „Du sagt also, ich sollte mein Glück aufgeben, um den Mädchen ihre Träume zu lassen, die nie erfüllt werden können, damit sie den Rest ihres Lebens in einer Blase aus Lügen und Schein verbringen können?"

„Was? Nein, ich—"

„Chiyoko, offenbar hast du keine Ahnung, was du hier von dir gibst. Du widersprichst dir am laufenden Band. Vielleicht solltest du erst einmal deine Gedanken zum Thema gleichgeschlechtlicher Liebe ordnen. Und wenn du schon mal dabei bist, solltest du auch überlegen, ob es Menschen gibt, die etwas Besseres sind und das Recht haben, jemand anderen davon abzuhalten, sein Glück zu finden", sagte Kuroo mit fester Stimme und strengem Blick.

„Ich..." Chiyokos Herz klopfte so laut, dass es die Gedanken in ihrem Kopf übertönte. Sie schwieg, senkte den Blick und betrachtete akribisch ihre Schuhe. Tetsurou Kuroo, ihr Schwarm, seit sie ihn das erste Mal bei einem Volleyballturnier in der Mittelschule gesehen hatte, hatte ihr gerade so dermaßen gründlich den Kopf gewaschen, dass sie erst einmal einen Moment brauchte, um sich von diesem Schock zu erholen – und um über dessen Worte nachzudenken.

Rivalität mit Folgen [Teil 1]Where stories live. Discover now