Gebrochenes Herz

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Das mit Kisaki und mir lief bisher ziemlich gut, das musste ich schon sagen. Ich konnte förmlich spüren wie er mit jedem Treffen etwas zutraulicher wurde und mir immer mehr vertraute. Inzwischen kannte ich so manche Geheimnisse über den Jungen. Na ja, sehr interessant waren sie nicht, eher die typischen Probleme und Geheimnisse die man mit dreizehn so hatte. Wie zum Beispiel ein Schmuddelheft, das er wohl einem älteren Jungen auf dem Schulhof abkaufte, das er den neuen Freund seiner Mutter nicht leiden konnte und mit dessen Zahnbürste die Toilette reinigte. Kinderkram und langweilig, doch ich tat natülich total schockiert bis belustigt. Gott, ich hasste sein Lachen. Und das tat mir wieder leid. Es war schwer meine Rolle zu akzeptieren. Normalerweise ging ich Menschen, die ich nicht leiden konnte, aus dem Weg. Ich machte nie Jemanden etwas vor. Doch das hier war schon ein bisschen heftig. Doch immer wenn ich an Hina dachte, wurde mir bewusst das ich weiter machen musste. Ich MUSSTE da durch. Es gab keine Alternative.

So fand ich mich an einem kalten Abend wieder. Kisaki und ich kam gerade aus dem Kino heraus und beeilten uns den Bus zu bekommen. "Schneller, der Bus fährt sonst gleich!", rief ich ihm zu und rannte los. Der Jüngere eilte hinterher, doch wie war es immer, wenn man kurz davor war wieder frei zu sein? Ja, etwas dummes geschah! Tatsächlich schaffte es der Trottel auf dem Schnee auszurutschen und hinzufallen. Und ja, selbstverständlich fuhr der Bus uns direkt vor der Nase weg. "Autsch. Oh, Mist. Das tat echt weh.", jammerte er kindlich und rieb sich dabei den Hintern, während er sich langsam aufrichtete. Ich wollte mich doch noch mit Hina treffen. Seufzend rieb ich mir die Nasenwurzel. "Der Bus ist schon weg? Das tut mir leid. Das war wohl mein Fehler." Ja, das war wohl sein Fehler. Ich schluckte ein bissiges Kommentar runter und setzte mich seufzend auf die Bank an der Haltestelle. "Passiert. Ist nicht schlimm." Ein leichtes Lächeln schenkte ich  ihm, während ich neben mir auf der Bank klopfte um ihn dazu einzuladen sich zu mir zu setzen.

Natürlich kam er der Einladung nach und setzte sich direkt neben mich hin. "Uff, der nächste Bus kommt erst in vierzig Minuten. Was für eine Scheiße. Dabei ist es echt kalt.", quengelte er. Oh man, hätte er ordentlich laufen gelernt säßen wir im Bus. Doch auch das behielt ich für mich. "Ist dir so kalt?", hörte ich mich stattdessen fragen. Ich durfte meinen Plan nicht vergessen! "Ja, klar. Dir etwa nicht? Es schneit, man!" Ich lächelte, unterdrückte mein Augen rollen. Das war wohl die Gelegenheit. Noch einmal atmete ich tief durch, dann legte ich einen Arm um ihn. "W-Was machst du denn da, Takemichi?" "Dir ist doch kalt, oder?" Er schaute mich ein wenig geschockt an, wurde dabei sogar ein bisschen rot. Kurz verblieb er in meinem Arm, doch dann schob er sich etwas bei Seite. "D-Das ist etwas komisch, oder? Ich meine, wir sind zwei Typen." Sein Gesicht war total gerötet. Er sollte lieber nicht so tun, als hätte es ihm nicht gefallen. Ich schmunzelte. "Ja, und? Kann ein Kumpel seinen Freund etwa nicht wärmen bei so einer Kälte? Also ich finde das total normal." Verunsichert schaute er zu mir, die Augenbrauen zusammen gezogen, er wirkte nach wie vor verwirrt, lächelte jedoch. Ob ich so gucke wenn Hina sich mit nähert?

"Sag mal, Takemichi. Mit uns, das ist doch ein bisschen anders als bei anderen, oder?" Er schaute wohl mit Absicht auf die Straße nicht zu mir, es war ihm offensichtlich peinlich. Ich glaubte zu wissen was er meinte, doch ich musste mir sicher sein. "Was genau meinst du denn?" "Na ja, du kommst mir manchmal so nah. Das machen doch normale Freunde nicht so, oder?" "Ich mag dich eben. Stört es dich denn?" Kisaki schüttelte den Kopf. "Nein. Ganz und gar nicht." Verlegen schielte er zur Seite. Mein Vorhaben zeigte seine Wirkung. Ich hatte ihn an der Angel!

Wie ein echter Gentleman brauchte ich ihn nach Hause. Jetzt wo er wieder weg war, spürte ich endlich diese Freiheit. Mit Erleichterung machte ich mich lieber auf, zu meinem liebsten Date, Hina. Wir wollten heute einen Spieleabend machen, und auch wenn es dunkel war, so war es erst um sieben. Freudig bog ich ab, befand mich inzwischen schon vor dem Hochhauskomplex, in dem meine Freundin wohnte. Doch heute war es anders. Ihr Vater wartete bereits vor der Tür auf mich. Mit grimmigen Blick bat er mich mit ihm ein Stück zu gehen. Er erzählte mir davon das er Polizist sei und das er durchaus die Gangjacke kannte, die ich häufig trug. Er erklärte mir das er einen solchen Kerl nicht an der Seite seiner Tochter sehen wollte, und erst recht nicht wollte das ich sie in Gefahr brachte. Er stellte mir ein Ultimatum: Ich sollte mich noch heute von ihr Trennen oder er würde dafür sorgen das sie es tut. Was genau er meinte wusste ich nicht, doch ich ahnte das ich ihm nicht widersprechen sollte.

Ich weinte zunächst, ehe ich den Mut fasste zu Hina zu gehen. Ich wollte mich nicht trennen, doch wer weiß, vielleicht hatte er Recht. Wenn ich so an meine Gegenwart dachte, dann war Toman ein finsterer Haufen. Ich würde sie in Gefahr bringen, das war mir bewusst. Und doch schmerzte mein Herz.

Mit wackligen Beinen ging ich zu Hina, sie hockte auf dem Boden und hatte bereits einige Brettspiele ausgesucht. Fuck. Sie lächelte mich so hübsch an, Gott Hina, mach es mir doch bitte nicht so schwer! "Hey Takemichi. Du hast dich verspätet. Was war los?" Ach ja, ich war ja noch mit ihrem Vater unterwegs. "Ich hatte den Bus verpasst. Ich war vorhin noch im Kino.", sagte ich und hockte mich zu ihr. "Egal, mich freut es einfach das du da bist. Worauf hast du denn Lust? Ich habe da einige Spiele die wir spielen können. Also ich hätte..." Sie wollte gerade anfangen ihre Spiele auf zu zählen, doch ich stoppte sie. "Hina, ich muss mit dir reden. Und das fällt mir nicht leicht.", fing ich an. Sofort merkte sie wie betrübt ich war, doch ich musste es nun durchziehen. Das war besser so, oder? Ich brachte sie ja wirklich in Gefahr! "Ich muss mich von dir Trennen. Ich weiß das kommt plötzlich, aber es führt kein Weg vorbei." "Was redest du da Takemichi? Warum musst du dich von mir trennen?" Sie sprach noch ruhig, doch ihr Gesicht spiegelte allerlei Emotionen wieder. "Toman. Ich bin in einer Gang, und du bist die Tochter von einem Bullen. Das Funktioniert nicht. Ich ... ich muss gehen, es tut mir leid." "Nein, du musst jetzt gar nicht gehen. Ich verstehe das nicht. Was hat das mit Toman und meinem Vater zu tun? Was soll das?! Sag die Wahrheit Takemichi? Ist es wegen Emma? Damals, als du sie...." Sie stoppte. Ich wusste was sie meinte, der Abend an dem sich Mikey Schwester für mich auszog. Gott nein, es ging nicht um Emma, doch das war vielleicht eine Ausrede. "Ja, ich habe mich in sie verliebt. Es tut mir leid." Klatsch. Eine Ohrfeige, mein Kopf drehte sich zur Seite, die saß. "Du bist so ein Schwein! Ich hätte nie gedacht das du mir das antun würdest. Verschwinde, ich will dich nie wieder sehen!", schrie sie und stieß mich aus ihrem Zimmer. Natürlich lockte der Tumult die anderen Familienmitglieder ebenso in den Flur. Während Hinas Mutter und Naoto verwundert zu mir schauten, nickte ihr Vater mir einmal zu. Ich unterdrückte meine Tränen und verließ die Wohnung, um nur wenige Meter später zu heulen wie ein Schloßhund. Hina, ich liebe dich.

Knock outWo Geschichten leben. Entdecke jetzt