Ich denk an dich

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Dieser Blick. Dieser verängstigte und eingeschüchterte Blick. Er ging mit nicht mehr aus dem Kopf. Ich wollte ihn nur umarmen, nur ganz kurz, ein danke zum Ausdruck bringen. Doch er war nicht in der Lage diese Nähe zu zulassen. Im ersten Moment glaubte ich das es allein an mir lag. Doch als er betonte das niemand ihn anfassen durfte, wurde mir ganz schlecht. Ich konnte nicht schlafen, und der Grund weshalb ich nicht schlafen konnte machte mich wahnsinnig. Ich sollte eigentlich nicht schlafen können, weil meine große Liebe jemand anderen hatte. Doch das war es nicht. Ich musste an Kisaki denken. Den Jungen dem ich vor zwölf Jahren blutend auf der Straße zurück ließ, den Jungen der sich aus dem Rollstuhl zurück ins Leben kämpfen musste. Den Mann, der so verletzlich wurde. Das hatte ich verursacht, und das konnte ich kaum ertragen. Als er humpelnd an mir vorbei ging hatte ich schon ein schlechtes Gewissen, doch als er auch noch so panisch auf Körperkontakt reagierte wurde mir ganz anders.

Ich fand kaum Schlaf, wachte früh am Morgen auf und lebte mein beschissenes Leben, wie ich es eben lebte. Doch nebenher schrieb ich mit Naoto. Er hatte beruflich Kontakt zu Kisaki, ich wollte wissen wo er arbeitete und ich wollte diverse Informationen über Hanma Shuji. Denn ja, ich fragte mich ob Hanma ihn noch retten konnte. Ich musste immer wieder an damals denken, damals als Kisaki noch so jung war und mir mit hoch roten Kopf erzählte, das Hanma seine Stirn an die des Bebrillte drückte. Ich war mir damals sicher das die beiden etwas ganz besonderes hatten, doch ich schaffte es Kisaki zu manipulieren und sie somit zu trennen.

Naoto tat worum ich ihn bat. Ihr fuhr zu der angegebenen Adresse und fand ein Tattoostudio vor mir. Hier sollte Hanma arbeiten, nein es gehörte ihn sogar! Ich hatte etwas Panik davor das Studio zu betreten, doch ich musste. Mit etwas Überwindung gelang es mir hinein zu kommen, und da stand er schon am Eingang. "Oh.", machte er als sich unsere Blicke trafen. Lässig stellte Shuji seinen Kaffee ab, lief um den Tresen und ging direkt auf mich zu. "Hanagaki Takemichi. Lange nicht gesehen. Du kommst für etwas Kunst?"

Recht schnell fand ich mich im Pausenbereich der Mitarbeiter wieder, vor mir eine dampfende Tasse Kaffee, und ein heftig tätowierter Hanma. "Kisaki.", sagte er nur leise und rieb sich den Nacken. "Damals hatte ich ihn wirklich geliebt." Er klang so wehmütig und doch störte mich das Wort "damals". Liebte er ihn heute etwa nicht mehr? Obwohl, es waren zwölf Jahre vergangen. Es war wohl nicht jeder so blöd wie ich und klammerte sich an alte Beziehungen aus Teenager Tagen. "Warum "hatte"? Habt ich euch nicht mehr gesehen?", fragte ich nach. Ich musste wissen was passierte und zu verstehen wie es Kisaki in der Vergangenheit erging. "Doch. Als ich hörte das du ihn abgestochen hast, besuchte ich ihn ständig, doch er wollte mich nicht sehen. Es war aber anders als damals, als er wegen seiner Kopfverletzung nach Hause kam. Er hatte keine Angst vor mir, zumindest sah ich es ihm nicht mehr an. Er war einfach nur so leer und in sich gekehrt. Er schob mich immer von ihm weg, verbat mir zu kommen. Doch ich tat es, immer wieder und wieder. Fast sechs Monate lang kam ich täglich zu ihm. Eines Tages stand ich jedoch vor einem leeren Haus. Er war umgezogen und ich wusste nicht wohin. Ich suchte eine Weile nach ihm, aber fand ich nicht. Jahre lang konnte ich ihn nicht finden." "Aber irgendwann hast du ihn dann wieder gesehen?" Hanma seufzte, rieb sich die Augen. "Ja, ich hatte ihn durch Zufall am Bahnsteig gesehen, er konnte wieder laufen und das erleichterte mich. Allerdings wollte ich nicht mehr zu ihm gehen. Ich merkte wie ich irgendwann mit dem Kapitel abgeschlossen hatte ohne das es mir bewusst war. Es wurde mir erst bewusst, als ich vor ihm stand und kein Bedürfnis mehr verspürte zu ihm zu gehen. Und damit ließ ich es stehen. Ich wollte keine frische Narbe wieder aufreißen, weder eine seiner noch die meine." Wütend sprang ich auf. "Du hast ihn einfach aufgegeben!", brüllte ich ihn an. Hanma neigte den Kopf zur Seite an, sein Blick wurde kalt. "Das habe ich nicht. Ich habe nur irgendwann ein neues Leben angefangen. Das war mein gutes Recht. Aber, was ich mich gerade frage ist: Warum regst du dich so auf? Du hast doch alles kaputt gemacht? Welches Recht hast du mich zu fragen warum ich ein neues Leben führe?"

Ich verstummte. Er hatte Recht. Ich kam hier her in der Hoffnung das Hanma aufstehen würde und gleich zu Kisaki rennen würde. Ich hatte den naiven Gedanken das er noch immer die selben Gefühle wie damals zu ihm hatte und ich glaubte das wenn ich die beiden zusammen führen würde, Kisaki wieder glücklich und gesund werden würde. So wie damals, als er aus dem Krankenhaus kam. Als sein Gedächtnis gelöscht war und er ein neues Leben starten konnte, als er die Chance hatte von vorne zu beginnen, und es meine Aufgabe gewesen wäre ein Freund zu sein. Ich erinnerte mich an sein naives Lächeln, die Art wie er lachte, wie er an mir hing, mich bewunderte. Ich spürte wie die Tränen in meinen Augen aufstiegen.

"Mein Kunde ist da. Könntest du jetzt bitte gehen?" Erschrocken schaute ich hoch, ach ja, ich war ja noch immer hier. "Danke für deine Zeit."

Ich fuhr direkt zum Restaurant, hoffentlich würde ich es noch rechtzeitig schaffen. Aber na ja, wenn nicht, wäre es mir heute vermutlich auch noch egal. Denn im Moment drehten sich meine Gedanken eh um etwas vollkommen anderes.

Kisaki. Warum gehst du mir plötzlich nicht mehr aus dem Kopf?!

Knock outDonde viven las historias. Descúbrelo ahora