Ich habe keine Freunde

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"Take-...michi.", brachte ich gebrochen zusammen. Mein Gesicht tat weh, doch wenn ich ehrlich war, so war mein Herz im einiges schwerer. Ich wusste nicht mehr wie viele Schläge es waren die ich ertragen musste, doch irgendwann ließ er von mir ab und ich ging in die Knie. Meine Stimme bebte, mein Körper zitterte. Ich spürte noch nicht mein Gesicht, es war taub und fühlte sich geschwollen an. Takemichi hatte wirklich mit ganzer Kraft auf mich eingeschlagen. Wieso? Was hatte ich ihn getan? Ich verstand es nicht. Ich wollte nach dem 'warum' fragen, doch ich brachte es nicht über die Lippen. Ich war wütend, eingeschüchtert, verletzt und gedemütigt zu gleich. All diese Gefühle geisterten in mir herum und ich wusste nicht wie ich damit umgehen sollte. Ich spürte wie die Tränen über meine Wangen liefen. Mein bester und wohl einziger Freund hatte auf mich eingeschlagen. Es war so seltsam, denn tatsächlich hatte ich gestern noch geglaubt das da etwas ganz besonderes zwischen uns war. Verdammt, wie naiv dieser Gedanke doch war. Ich erinnerte mich an alles, plötzlich flogen mir allerlei Gedanken durch den Kopf. Takemichi wie er nicht wusste wo ich wohnte, Takemichi dessen Handynummer ich erst später bekam, Takemichi der mein altes Handy kaputt machte, Takemichi der zwei komische Kerle zu mir einlud, die mich nicht leiden konnte, Takemichi der nicht einmal wusste in welche Klasse ich ging. Ja, ich hatte es immer für seltsam gefunden, doch ich hatte immer dieses freundliche, warme Gesicht vor meinen Augen gehabt. Dazu hatte er ein Gefühl in mir ausgelöst, was mich so schwach und glücklich zu gleich machte.

Nur langsam schaffte ich es mich auf zu richten, schaute auf den Boden, denn ich traute mich nicht in sein Gesicht zu schauen. Noch immer stand er vor mir, die Fäuste hatten sich zu Hände gelöst, anscheinend war er fertig und wollte mich nicht mehr angreifen. Aber das war mir egal. Ich wollte nur noch weg von hier. Ich drehte mich um, rannte los, keine Ahnung wohin, nur noch weg. "Kisaki, warte!", hörte ich ihn rufen, doch ich rannte weiter ohne mich auch nur um zu drehen. Ich rannte auf die Straße, schaute nicht einmal ob Autos kamen, doch ich hatte Glück. Ich sah einen Park, lief in diesen hinein, immer weiter und weiter, so lang wie mich die Beine trugen. Irgendwann spürte ich wie die Kraft immer weniger wurde. Ich musste mich setzen. Ohne bis zu einer Bank zu laufen, ließ ich mich auf den mit Schnee bedeckten Boden sinken.


'Sieben, acht, neun.', zählte ich in Gedanken und schlug Kisaki dabei ins Gesicht. Als ich elf zählte spürte ich wie sehr meine Hand schmerzte und ließ von ihm ab. Ich war ganz benommen von meiner Wut. Ich brauchte Zeit, Zeit um zu denken, um zu realisieren. Was genau war passiert? Kisaki hatte mich hier her gebracht, dem Ort an dem Hina starb, er schaute mich so glücklich an und dann verlor ich die Kontrolle. Ich hatte auf ihn eingeschlagen. Erst jetzt bemerkte ich das er vor mir kniete, er hatte eine Platzwunde an der Augenbraue, ein blaues Auge, eine aufgerissene Lippe und mehrere Hämatome. Er sah ganz schön demoliert aus. Fuck. Was war aus meinem Plan Hina zu retten?! Damit hatte ich ihn zerstört. Verdammt, er sollte sich doch in mich verlieben, dann wäre alles gut gegangen, oder? Oder hatte ich mir diesen Plan ausgedacht, weil ich zu feige war um das zu tun, was ich tun müsste?!

Während ich nachdachte sah ich wie er sich aufrichtete, wollte er sich nun an mir rächen? Verstehen könnte ich es. Doch nein, ein drehte sich um und rannte. Aber wohin? Was hatte er vor? Ich hechtete ihm nach, er durfte mir nicht entkommen. Ich müsste meinen Plan in die Tat setzen! Ich hätte ihn fast gehabt, da spürte ich wie mein Handy vibrierte. Wer war das denn?! Ich hielt an um an das Telefon zu gehen, es war Baji der mir erzählte das er Chifuyu gerade im Krankenhaus abgeliefert hatte. Fuck. Der Angriff auf Hanma ging schief, und mein bester Freund war verletzt. Ich drehte sofort um, ich musste Chifuyu bei stehen, Kisaki war gerade egal!

Ich hatte das Gefühl das es Ewigkeiten dauerte bis ich im Krankenhaus ankam, doch irgendwann war ich da. Ich rannte den Flur entlang, wo ich Baji bereits sitzen sah. "Was ist mit ihm?!", fragte ich ihn hysterisch. "Bleib locker. Er hat eine Stichwunde am Arm und seine Hand wurde durchstochen, aber es ist zum Glück nichts schlimmeres passiert." Erleichtert atmete ich aus und setzte mich zu ihm. "Wie konnte das denn passieren?" Seufzend erzählte der Schwarzhaarige mir alles, wie sie zuerst Hanma festsetzten, und das sie ihn genau da hatten wo sie wollten. "Aber in dem Moment als Chifuyu das Messer nehmen sollte, tat er es nicht." "Aber wieso denn?!" "Ich denke, weil..." "Weil ich feige war. Ich konnte mir nicht vorstellen einen Menschen das Leben zu nehmen. Deswegen.", erklärte Chifuyu der gerade aus dem Behandlungsraum raus gekommen war und uns wohl hörte. "Chifuyu, es tut mir so leid.", sagte ich und stand auf um mir seine Verletzungen an zu sehen. "Du bist nicht daran schuld. Wäre ich mutiger gewesen, wäre mir das nicht passiert."


Die Zeit verging, doch ich merkte es nicht. Mir wurde nur immer kälter. Irgendwann tauchte ein älterer Herr neben mir auf. "Hey, Junge! Willst du hier erfrieren?", fragte er mich und ich schreckte auf. Ich war so erschrocken, das ich ihn nur kurz ansah, ehe ich regelrecht aufsprang und wieder los hetzte. Ich wusste nicht warum ich denn nur rennen konnte, laufen erschien mir gerade keine Option. Ich rannte wie ein Irrer nach Hause. Einen Ort, an dem ich mal wieder ganz allein sein würde. Endlich in meinem sicheren Zuhause angekommen, schloss die Tür mehrfach ab, als hätte ich angst Takemichi würde plötzlich her kommen. Ich machte das Licht nicht an, ich wollte einfach nur ins Bett und einschlafen. Dieser Tag war schrecklich, denn es war der Tag an dem mir bewusst wurde das ich keine Freunde hatte.

Knock outWhere stories live. Discover now