Taten sprechen lassen

148 9 1
                                    

Warum hatte er mich zu sich nach Hause mitgenommen? Es erschien mir unlogisch, immerhin konnte er mich nicht leiden, nein, er musste mich hassen! Und doch hatte er es nicht über das Herz gebracht mich zurück zu lassen. Ich konnte es nicht lassen, ich musste permanent an ihn denken, und ja, anscheinend wurde ich sogar etwas verrückt. Dank Naoto wusste ich ein paar Sachen über Kisaki, den Rest erfuhr ich durch meine Beobachtungen. Ja, ich beobachtete ihn. Wurde ich gerade zum Stalker? Anscheinend. Es war verrückt, auf einmal befand ich mich in einer seltsamen Obsession wieder. Denn ich wollte Antworten, verstehen warum er mich trotz allem doch noch mochte. Ich wollte wissen was für ein Mensch aus ihm wurde und ich wollte wissen warum ich plötzlich diese seltsamen Gefühle hatte. Ob ich mich schämte? Natürlich. Immerhin lauerte ich Jemanden auf, der nicht einmal wusste das ich es tat. Hin und wieder ließ ich mich mal sehen, grüßte ihn und tat ganz überrascht ihn hier auch anzutreffen. Ich drückte ihn immer zu ein Gespräch auf. Zu Beginn war er abweisend, doch irgendwann schien er zu begreifen das ich nicht locker lassen würde und er ließ sich darauf ein. Mir war bewusst das er nur mit mir sprach, weil ich mich aufdrängte, und doch genoß ich es seine Stimme zu hören.

Auch heute war wieder einer dieser Abende. Nach Feierabend fuhr ich zum Kino um dort vor dem Eingang zu warten. Freitag war Kinotag. Es war lustig wie Kisaki tickte, er schien für alles einen festen Plan, und somit eine Routine zu haben. Das machte es mir leicht seine Unternehmungen zu verfolgen. "Takemichi! Was soll das?!", hörte ich plötzlich und drehte mich überrascht um. Kisaki kam nicht aus dem Kino, er hatte sich wohl um die Ecke versteckt und nun war ich der Jenige, dem aufgelauert wurde. "Kisaki, was für ein Zufall." Ich lachte und ging auf ihn zu, überspielte meine Verwirrung mit einem freundlichen Lächeln. "Lass den Scheiß. Ich bin nicht bescheuert. Du tauchst immer und überall auf wo ich bin. Und jetzt stehst du vor dem Kino und wartest auch mich. Los, sag schon. Was willst du?!" Ich hatte ihn offensichtlich unterschätzt, das hätte ich nicht tun dürfen. Anscheinend hatte ich für einen Moment vergessen das Kisaki ein Genie war, ein ziemlich dummer Fehler von mir. Sollte ich weiter lügen, obwohl ich bereits enttarnt war? Nein, das wäre dumm und würde nicht nur mich lächerlich machen, sondern auch Kisaki beleidigen. Ich atmete tief durch. "Ich wollte einfach sehen wie es dir geht.", antwortete ich zerknirscht. "Wie es mir geht? Was soll der Scheiß. Deswegen lauert man niemanden auf. Und überhaupt, was sollte es dich interessieren? Hast du etwa ein schlechtes Gewissen?" "Natürlich habe ich ein schlechtes Gewissen. Ich habe dir etwas schreckliches angetan, was ich bereue." "Und bis heute bekam ich keine Antwort auf das Warum."

Ich schwieg. Ja, das Warum. Ich konnte verstehen warum er eine Antwort wollte. Doch was sollte ich sagen? Es war zu kompliziert. "Ich kann dir doch auch keine Antwort geben. Ich war psychisch angeknackst, wurde von Hinas Vater bedrängt mit ihr Schluss zu machen und das hatte mir den Rest gegeben. Ich weiß nicht so richtig was ich sagen soll.", log ich und erneut war ich überrascht wie gut mir diese Lügen über die Lippen gingen. Ich wollte ihn eigentlich nicht mehr anlügen, doch die Wahrheit konnte ich wohl kaum sagen.  

Er stand kurze Zeit einfach nur so da, schien nachzudenken, zu grübeln. Oder riss er sich nur zusammen? Als er sich schließlich entkräftet auf eine der Bänke setzte, sah ich wie sehr es ihm emotional mitnahm. Ich bekam ein schlechtes Gewissen, ich war egoistisch gewesen, war ihm gefolgt und hatte mich ihm aufgedrängt. Ich hatte nicht eine Sekunde daran gedacht wie aufwühlend das für ihn sein musste. So stand ich da, nicht wissend ob ich mich zu ihm setzen sollte, oder ob ich gehen sollte. Mein Blick ruhte auf seinem Kopf, denn er hatte sich so vorgebeugt, stützte seinen Kopf mit den Händen ab und schaute zum Boden. Mir war bewusst das er nicht wollte das ich nun sein Gesicht sah, weshalb ich stehen blieb und eben nicht vor ihn in die Knie ging um ihn ansehen zu können. Ich versuchte wenigstens das zu respektieren.

Es vergingen ein paar Minuten, dann erhob Kisaki wieder seinen Kopf, seine Augen waren etwas gerötet, er hatte wohl Tränen versucht zurück zu halten, doch es war ihm nicht geglückt. Er wirkte abwesend, verletzlich, als er aufstand um zu gehen, lief er noch langsamer als sonst und wirkte so, als wäre er nicht wirklich anwesend. Ich entschied mich dazu ihn nach Hause zu begleiten, und die Tatsache das er mich nicht abwehrte bewies wie erschöpft er doch war.

Schweigend begleitete ich ihn zu seiner Wohnung. "Gute Nacht, Kisaki.", sagte ich und wollte mich umdrehen und gehen, als ich auf einmal eine Hand um mein Handgelenk spürte. Verwundert drehte ich mich um und schaute in ein verlegenes Gesicht. "Willst du noch mal mit hoch kommen?"

Ich willigte ein und fand mich schon bald in Kisakis Wohnzimmer ein. Vor mir stand ein Glas Wasser und Kisaki saß mir gegenüber. Wir schienen beide nicht zu wissen was wir sagen oder machen wollten und doch war klar das wir gerne mit dem jeweils Anderen sprechen wollten. Über was? Die Vergangenheit? Nein, die wollte ich ruhen lassen, die Fragen die Kisaki hatte konnte ich eh nicht beantworten, zudem wühlte es ihn auch viel zu sehr auf. Sollte ich über mein jetziges Leben reden? Würde es ihn interessieren? Ich zerbrach mir den Kopf und wusste nicht was ich tun sollte. "Hattest du mich damals überhaupt gemocht?", fragte Kisaki und schaute zur Seite. Er hatte mir ja schon gesagt das er in Jugendzeiten in mich verliebt war, nein, das er es sei. Ich seufzte. Ich wollte ihn nicht mehr anlügen, ich schuldete ihn wenigstens einen Hauch von Wahrheit. "Nein.", antwortete ich sachlich. "Oh.", machte er ein wenig enttäuscht und sagte nichts weiter dazu. Mir war bewusst das es hart war, doch wenn es sich vermeiden ließ, würde ich ihn nicht mehr anlügen. "Aber das war damals. Ich war noch jung und dumm. Mit der Zeit bin ich jedoch erwachsener geworden und ich weiß die Dinge und Menschen in meinen Leben anders zu schätzen." Ich lächelte, doch er hatte seinen Blick noch immer abgewandt. Es klang wie eine Floskel, das war mir bewusst.

Sollte ich vielleicht Taten sprechen lassen? Manchmal war das die einzig wahre Strategie. Also erhob ich mich, ging direkt auf Kisaki zu, welcher mich fragend ansah, anschließend setzte ich mich neben ihn und fuhr ihn über die Wange, sodass er sein Gesicht zu dem meinen drehen musste. "Ich mag dich. Ich mag dich  vermutlich ein bisschen zu sehr. Deswegen lief ich dir hinterher.", hauchte ich und näherte mich seinen Lippen. Kisaki wehrte sich nicht, ließ es zu, und schon gleich berührten sich unsere Münder. Ich küsste ihn zunächst zaghaft, presste meine Lippen abwechselnd auf unter und Oberlippe. Dann neigte ich sie zur Seite, sog an ihnen, ehe meine Zunge über sie glitt. Kisaki, der alles nur über sich ergehen ließ, und nichts erwiderte, öffnete nun doch seinen Mund und meine Zunge fuhr in ihn hinein. Nun wurde auch er aktiv und spielte mit meiner Zunge. Wir waren zaghaft und doch fordernd. Es war ein herrlicher erster Kuss den wir gerade hatten, doch irgendwann trennten sich unsere Lippen von einander. "Takemichi, ich verstehe nicht ganz wieso." "Es gibt nicht immer ein wieso. Manchmal muss man sich auf die Situation einlassen.", antwortete ich flüsternd und beugte mich erneut zu ihm vor und küsste ihn.


Knock outWhere stories live. Discover now