Ein Wiedersehen

116 7 0
                                    

"Das ist nicht meine Bestellung. Und meine Frau hatte das ohne Kapern bestellt!", meckerte mich schon der nächste Gast an. Uff, also entweder war mein "anderes" ich ein besserer Kellner, oder mein Chef war extrem gutmütig. Denn ich war ein beschissener Arbeiter. Ich hatte bereits zwei Sachen falsch notiert, konnte mir nicht merken welcher Tisch zu wem gehörte und tja, irgendwie brauchte ich auch zu lang. Entsprechend wütend waren die Gäste und so wurde ich vom Manager zurück gepfiffen. "Takemichi. Konzentriere dich jetzt! Du baust heute einen Mist nach dem anderen. Ich muss mich jetzt um das Pärchen von Tisch drei kümmern und sie wieder bei Laune halten. Übernimm du Kazumis Tisch. Der Herr dort vorne. Oder auch Tisch sieben genannt." Ein letzter Seitenhieb meines Vorgesetzten. Ich schnappte mit die Karte und ging direkt auf den Herrn zu. "Herzlich Willkommen im "Tokio Steak house". Mein Name ist Takemichi und ich werde sie heute bedienen. Hier bitte, ihre Karte.", sagte ich freundlich und reichte ihm die Karte, doch was war mit ihm? Er schaute mich so verwirrt und überrascht an. Was war mit ihm? Oder, MOMENT!

Ich hätte ihn fast nicht erkannt, denn er sah in dieser Zeitlinie so anders aus. Seine Haare waren nicht so abrasiert wie in den anderen Zeitsprüngen, er trug einen Seitenscheitel, doch die Haare waren bei weiten nicht so streng zur Seite gegelt wie sonst. Blondiert war er jedoch nach wie vor, doch etwas heller, so wie früher als Teenager. Er trug ein tailliertes Honigfarbenes Hemd, dazu eine einfache Jeans. Seine Brille war etwas kleiner und einfach nur ein dezenter schwarzer Bügel. Er sah wirklich ganz anders aus als ich ihn als Erwachsenen im Kopf hatte.

"Könnte ich bitte eine andere Bedienung bekommen.", sagte er leicht brummig. Oh ja, sicherlich, das konnte ich verstehen. Allerdings wäre es mir extrem unangenehm jetzt zum Manager zu gehen um ihn zu sagen das wir eine komplizierte Vergangenheit hatten und ich diesen Herrn doch nicht bedienen kann. Also lächelte ich ein bisschen unsicher. "Na ja, ich ähm. Ich brauche den Job wirklich. Ich werde mich ganz unauffällig verhalten, versprochen!" Ob er sich darauf einließ? Kisaki musterte mich geringschätzig, schaute dann aber wieder zur Seite.


Sollte ich jetzt eine Szene machen? Dabei wollte ich doch einfach nur in Ruhe essen. Auf einmal spürte ich wie ich Kopfschmerzen bekam, so ein Mist. Ich hatte keine Lust mich jetzt mit Takemichi anzulegen, und jetzt nach dem Manager zu verlangen würde mich selbst in eine unangenehme Situation bringen, da ich dann wieder Aufmerksamkeit erregen würde, die ich nicht mochte. Es rechte schon das die Leute mich immer wegen meinen Gehstock und den humpelnden, bis schleifenden Gang anstarrten. Ich wollte jetzt nicht auch noch einen auf nervigen Gast machen. Ich griff die Karte, sagte nichts mehr und machte nur eine Handgeste die Takemichi zeigen sollte das er gehen konnte. Ob ich das Essen noch genießen konnte? Wie ich mich kannte, eher weniger.

Müde wanderten meine Augen über Getränke und Speisen, ich merkte wie sehr mir diese Begegnung aus den Magen schlug. Mein Appetit von vorhin war fast gänzlich geschwunden und doch wollte ich mir diesen Abend jetzt nicht ruinieren lassen. Der Kerl hatte schon genug in meinem Leben kaputt gemacht, es wurde an der Zeit über die Dinge zustehen. Aber konnte ich das?! Es würde mir unheimlich schwer fallen. Zumal ich nicht wusste ob ich es überhaupt hinbekam eine richtige Bestellung aufzugeben. Ich hatte keine Ahnung, aber irgendwie hatte ich die Angst das ich in seiner Gegenwart sagen und tun konnte was ich wollte, er würde eh alles nur bewerten. Als er dann  nach einer Weile zurück, gab ich meine Bestellung auf, würde sie jedoch nie so erhalten wie ich es mir wünschte.

Gott verdammt, Takemichi! Er war ein beschissener Kellner. Aus meinem Bitter Lemon wurde ein Orangensaft, das Gericht an sich war korrekt, doch hatte ich mein Fleisch durch bestellt, das hier war Medium und etwas sagte mir das der Koch keine Schuld trug. Ich wollte eine zusätzliche Portion Mayonnaise und erhielt Kräuterbutter. In jeden anderen Restaurant hätte ich höflich darum gebeten mir das zu bringen was ich bestellte, doch bei Takemichi wurde ich so schwach. Denn ja, er machte mir Angst. Als ich dann  noch mein Fleisch aufspießte und mir mit der Gabel das Essen zu Mund führte, merkte ich erst wie sehr meine Hand zitterte. Verdammt, ich durfte die Angst in  mir nicht siegen lassen! Immer wieder rief ich mich selbst dazu auf mich zusammen zu nehmen, doch das Zittern meiner Hand wollte einfach nicht stoppen.


"Hat es geschmeckt?", fragte ich als ich einen noch halbvollen Teller vor mir fand. "Ja, es war gut.", gab er trocken und monoton von sich. "Soll ich ihnen den Rest einpacken?" "Danke, nein. Ich nehme die Rechnung, bitte." Mir war klar das ich ihm den Abend versaute doch es war nicht meine Absicht. Wer hätte schon damit gerechnet das er heute hier auftauchen würde?

Wie gewünscht gab ich ihm die Chance schnell zu zahlen, ich erhielt sogar ein Trinkgeld, vermutlich aber auch nur damit man ihm keinen Geiz nachsagen konnte. Wie vom Manager gewünscht, holte ich seinen Mantel, als ich plötzlich einen humpelnden Mann am Gehstock vor mir sah. "D-Du gehst am Stock?!", fragte ich geschockt und hatte tatsächlich nicht daran gedacht was meine Messerattacke von damals angerichtet haben könnte. Als ich von Naoto hörte das er lebte war ich zufrieden, doch hatte auch nicht mehr erfragt. Mit ernster Miene riss er mir förmlich den Mantel aus der Hand. "Bist du enttäuscht, weil ich nicht mehr im Rollstuhl sitze?" Mit diesem rauen Worten verließ er das Lokal. Ich habe jemanden eine so starke Verletzung zugefügt, sodass er langfristig eingeschränkt war? Ich, Hanagaki Takemich? Ich hatte recht, ich hatte in meinem letzten Zeitsprung wirklich nicht mehr wie ich selbst gehandelt. Ich hatte all meine Prinzipien bei Seite geräumt und hatte nur noch eiskalt auf das Ergebnis geschaut, ich wäre wirklich über Leichen gegangen.

"Kisaki, warte!", rief ich ihm nach und verließ das Restaurant. Es war mir gerade egal ob das nun der letzte Rest war, damit ich meine Kündigung erhielt. Ich musste das klären, wenigstens ansatzweise. Er versuchte mir zur entkommen, denn er ging einfach weiter als hätte er mich nicht gehört, doch ihn einzuholen war nicht wirklich schwer. Schnell stand ich da, breitete die Arme aus um ihn den Weg zu versperren. "Bitte, ich muss es wenigstens ein bisschen erklären können." "Lass mich gehen. Sofort!", forderte er kalt und schaute mich wütend an. "Es war damals kompliziert und ich glaubte keinen anderen Ausweg zu sehen. Ich war noch jung und dumm." Ich fing an zu heulen. Ja, das war ich wieder, der heulende Takemichi, so kannte man mich doch. Doch mein Weinen schien keine Regung in Kisaki auszulösen, weiter starrte er mich nur an.

"Was glaubst du wird diese Erklärung ändern? Du kannst die Zeit nicht zurück drehen. Dazu ist es jetzt unnötig dich zu erklären. Du hast deine Strafe abgesessen und ich habe mein Leben auch hinbekommen. Ich habe keine Lust alte Probleme aus meiner Jugend wieder neu aufzukochen. Ich will nur mein Leben leben und sonst nichts. Es gibt also keinen Grund mir hinterher zu rennen und zu heulen. Es ist gut." Es ist gut? Hatte er das gerade wirklich gesagt? Ich ließ meine Arme wieder hängen, noch immer liefen mir die Tränen über die Wange. Hatte er mir gerade auf seine eigene Art verziehen? "Kisaki, ich..." Ich ging auf ihn zu, es war so überwältigend, ich hätte nie damit gerechnet das er so auf mich und meine Worte reagiert hätte. Ich wollte ihn umarmen, eine einzige Umarmung, ein Danke und eine Entschuldigung zu gleich. Doch als ich meine Arme erneut ausbreitete um diese um seinen Körper zu legen, schubste er mich mit seiner freien Hand von sich weg. Sein Blick hatte sich verändert, die Augen weit aufgerissen, er atmete schnell. "Fass mich nie wieder an. Niemand darf das. Niemand fasst mich an!" Er taumelte kurz zurück, ich hätte ihn gern gegriffen, doch ich hielt inne. Niemand durfte ihn anfassen. Er schien sich irgendwann wieder zu sammeln und ging. Niemand fasste ihn an.

Knock outWhere stories live. Discover now