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Meine Stimme zitterte ungewollt. Alle Augen lagen plötzlich auf mir.
Ich sah im Raum herum. Namjoon lachte sarkastisch auf. Jin wirkte enttäuscht. Enttäuscht von uns. Jimins Blick konnte ich nicht lesen. Yoongi sah mich mitfühlend an. Es wirkte fast, als täte es ihm leid.
"Ein Ausrutscher? Du nennst uns einen Ausrutscher?"
Ich sah Tae an. Fassungslos zog er seine Hand zurück, die bis jetzt in meiner gelegen hatte.
Ich konnte seinem Blick nicht länger standhalten. Senkte den Kopf. "Ich versteh schon", sagte er leise und wandte sich ab. Ging die Treppe nach oben. Schlug die Zimmertüre hinter ihm zu. Drehte den Schlüssel.
Eine einzelne Träne bahnte sich den Weg über meine Wange und fiel zu Boden. Ich bereute meine Worte sofort. Aber ich konnte ihn doch auch nicht einfach so alles aufgeben lassen. Nicht für mich. Nicht wegen mir.
Harsch wischte ich mit meinem Ärmel über meine nasse Backe.
Noch immer sahen mich alle an. Ich stand nur da. Bemerkte, dass ich meine Tränen nicht mehr lange zurückhalten konnte. Ich löste mich aus meiner Starre und rannte die Treppen nach oben in mein Zimmer. Ich ließ mich auf mein Bett fallen. Die Tränen flossen in Bächen und fanden ihr Ende in meinem Kopfkissen.
In meine Trauer mischte sich langsam Wut. Wut auf die anderen, die uns nicht verstanden. Wut auf diese Bilder, die alles zunichte gemacht hatten. Wut auf mich. Dass ich es einen Ausrutscher nannte. Denn das war es nicht, weder für ihn, noch für mich. Ich stand auf. Schlug mit der bloßen Faust gegen die Wand. Immer wieder, bis ich verzweifelt und weinend an ihr hinunterrutschte.
Mein Blick fiel auf den Spiegel gegenüber von mir. Ich sah mich an. Meine Haare waren zerzaust, meine Augen rot und geschwollen. Ich hatte Schuld. An alldem. Ich stand auf. Bewegte mich schwankend auf mein Spiegelbild zu. Mit einem Wutschrei schlug ich meine Hand in das Glas. Es zerbrach. Die Splitter verteilten sich auf den Boden um mich. Steckten in meiner Haut. In meiner Hand, meinen Armen, meinen Füßen.
Die Zimmertüre wurde aufgerissen. Yoongi stürtzte herein. Er verstand die Situation sofort. Er rannte auf mich zu und hob mich hoch, darauf achtend, nicht in die Scherben zu treten.
Ich klammerte mich an ihn und begann nur noch mehr zu weinen.
"Shh, ist gut", sagte er und legte mich auf dem Bett ab.
"Was machst du denn nur", murmelte er und sah auf die Splitter in meiner Haut hinab.
"Warte hier. Ich hol Jin, er kennt sich mit sowas besser aus"
Yoongi stand auf, aber ich hielt ihn am Ärmel fest.
"Es tut mir so leid, Min Yoongi. Ich...", er unterbrach mich.
"Nein, es muss dir nicht leid tun. Ich sah sowas kommen. Ich würds euch auch vergönnen. Wirklich. Aber das liegt nicht in meiner Hand."
Ich sah ihn an. Er lächelte mir traurig zu. "Danke", flüsterte ich. Er nickte leicht und wandte sich zum gehen.
"Yoongi", hielt ich ihn nochmal auf.
"Kannst du vielleicht... Tae was ausrichten? Er... will mich glaub ich im Moment nicht sehen", murmelte ich.
Er nickte.
"Kannst du ihm sagen, dass ich das nicht wollte? Es... war kein Ausrutscher für mich. Aber er darf mich nicht über sich stellen.
Kannst du... ihm sagen, dass... ich ihn liebe?", ich sah zu Boden.
"Mach ich", sagte er und verschwand.
Ich ließ mich zurückfallen.
Wenige Minuten später stürmte Jin mit einem kleinen Erste-Hilfe-Kasten ins Zimmer.
"Aish. Bist du verrückt!? Ihr beiden macht mich noch wahnsinnig. Der eine sperrt sich ein und lässt nicht mit sich reden und die andere zerschlägt einen Spiegel. Ihr bringt mich noch um", sagte er und kam auf mich zu. Die Sorge spiegelte sich deutlich in seiner Miene wieder.
Er zog die Splitter zuerst aus meinen Beinen und Armen. Zum Glück waren die Schnitte nicht tief.
Dann nahm er meine Hand.
"Warum konntest du nicht einfach auf die Wand einschlagen", nuschelte er. "Hab ich auch", murmelte ich und sah zu Boden.
Er schüttelte tadelnd den Kopf und zog die Splitter heraus.
Ich zischte leicht auf. Es tat mehr weh, als ich dachte.
"Tut mir leid, aber die müssen raus. Wenn es sich entzündet, wird's noch schlimmer", sagte er verzeihend.
Er desinfizierte die Wunden und wickelte einen Verband um meine Hand.
Als er fertig war, stand er wieder auf.
"Hast du Hunger? Willst du noch was essen?"
Ich schüttelte den Kopf.
"Nein, Tae und ich waren... ich hab schon gegessen", flüsterte ich und senkte meinen Kopf.
Mein Gegenüber seufzte.
"Hör zu, das, was da heute passiert ist... das tut mir wirklich leid. Aber es geht eben nicht anders. Nicht nur zu Taes Sicherheit. Ganz besonders auch zu deiner eigenen"
Ich schüttelte den Kopf.
"Ich will's nicht hören", sagte ich und drehte mich weg.
"Mein Gott, ihr zwei seid so unkooperativ", nuschelte er.
"Kannst du das Licht ausschalten, wenn du gehst?", fragte ich und hoffte, er würde so endlich gehen und mich alleine lassen.
Es funktionierte. Seine Schritte entfernten sich von mir.
"Gute Nacht",  sagte er, aber ich ignorierte ihn. Er betätigte den Lichtschalter und verließ den Raum.

As time goes by | Taehyung x readerWhere stories live. Discover now