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"Glückwunsch!", sagte ich mit einem aufgesetzten Lächeln.
"Wir habens geschafft! Wir habens wirklich geschafft!", quietschte San jetzt schon zum tausendsten Mal.
Eigentlich hatte ich mich unglaublich auf ihr Debüt gefreut, aber ich war im Moment einfach nicht in der Stimmung zu feiern. Trotzdem ließ ich mich von Hongjoong und Seonghwa in das kleine Café schleppen.
Blöde Idee.
Ich saß vor meiner Tasse Kaffee und versuchte, mich zusammenzureißen. Die Stimmen, die von überall her an meine Ohren drangen, verursachten mir Kopfschmerzen.
Ich war nur froh, dass alle im Moment so mit sich selbst beschäftigt waren. So fiel es nicht auf, dass ich völlig neben der Spur war.
"Hey...Leute, ich... muss morgen früh raus. Tut mir leid, aber ich muss dann wieder nach Hause."
Entschuldigend lächelte ich die Acht an.
"Schade... aber wir sehen uns ja bestimmt bald wieder, oder?", fragte Yunho, immer noch mit dem größten Lächeln im Gesicht.
Ich nickte und verließ dann winkend das Café.
Als die Türe hinter mir zufiel, spürte ich den kühlen Wind auf meiner Haut. Ich atmete ein paar Mal tief ein. Die frische Luft tat gut.
Dann ging ich in Richtung Zuhause.
So gut ich es auch versuchte, ich schaffte es nicht, nicht an Taehyung zu denken. Er ging mir seit Tagen nicht mehr aus dem Kopf. Und vergessen konnte ich ihn nicht. Wie auch. Jeden Tag kreuzten sich in BigHit unsere Wege. Ich versuchte immer irgendwie Augenkontakt herzustellen. Alles was ich wollte, was nur ein Zeichen. Ein Zeichen, dass er auch noch an mich dachte. Dass wir noch eine Chance hätten. Aber er ignorierte mich.
Ich seufzte schwer. Ich spürte, wie ich mit jedem Tag schwächer wurde. Ich aß nichts mehr und stürzte mich nur noch in meine Arbeit. Ich hoffte, dass alles so irgendwie besser überstehen zu können.
Ich kam an meiner neuen Wohnung an und sperrte auf. Drinnen angekommen ließ ich mich auf mein Bett fallen. Ich schloss die Augen drifte unbewusst ins Land der Träume ab.

Noch zwei Wochen.
Dann wäre alles vorbei. Ich würde dieses Gebäude nie wieder betreten. Ich würde BTS nie wieder sehen. Ich würde mich wieder vollkommen auf mein Studium konzentrieren. Keine Songs mehr. Keine Aufnahmen mehr. Kein Taehyung mehr.
Seufzend erhob ich mich von meinem fancy Drehstuhl und begab mich aus dem Raum.
Ich war wieder mal auf dem Weg zu der kleinen Krankenstation. Noch immer missachtete ich Jins Anweisungen. Ich brauchte meine Hand schließlich, wie sollte ich sie denn auch nicht bewegen?!
Zwar wurden die Wunden nicht gerade besser, das war mir klar, aber es war eben auch keine Lösung, nichts mehr zu arbeiten.
Mir wurde kurz schwindlig. Ich stützte mich an der Wand ab, bis ich mich wieder einigermaßen im Griff hatte. Auf der anderen Seites des Ganges konnte ich verschwommen zwei Personen wahrnehmen. Ich konnte meine Augen kaum mehr richtig offenhalten.
Trotzdem setzte ich schwankend meinen Weg fort. Erneut wurde mir schwindlig. Nur dieses Mal deutlich stärker. Ich spürte, wie meine Beine unter mir einknickten. Ich sah gerade noch, wie die zwei Personen auf mich zurannten. Mit letzter Kraft versuchte ich, bei Bewusstsein zu bleiben. Die zwei kamen näher. Sie schienen etwas zu rufen, aber ihre Stimmen drangen nicht bis zu mir durch. Meine Augen fielen erneut zu. Angestrengt öffnete ich sie nochmals. Ich konnte ihre Gesichter erkennen. Yoongi. Meine Lider schloss sich wieder. Taehyung. Dann wurde alles schwarz.

Taehyung pov

Zusammen mit Yoongi ging ich den langen Flur entlang. Die anderen waren heute früher nach Hause gefahren, aber ich blieb noch länger wegen meiner zusätzlichen Trainingseinheiten. Yoongi hatte letztens etwas in BigHit vergessen, weshalb wir nun zusammen fahren konnten. Wir marschierten den Flur entlang, als wir am anderen Ende eine Person sahen. Sie stützte sich an der Wand ab. "Was ist da los?", flüsterte ich Yoongi zu, der aber nur mit den Schultern zuckte.
Wir kamen näher.
Das Mädchen schwankte ein paar Schritte weiter.
"Hey, alles klar bei dir?", rief Yoongi, aber sie reagierte nicht. Wir warfen uns einen irritierten Blick zu.
Yoongi setzte erneut zu einer Frage an, da brach sie völlig zusammen. Wir rannten auf sie zu. Je näher wir kamen, desto bekannter kam sie mir vor. Als ich wusste, wer hier vor uns lag, blieb ich aprupt stehen. Verwirrt sah mich Yoongi an. "Was ist los? Warum bleibst du stehen?"
Ich nickte als Antwort nur mit dem Kopf in ihre Richtung.
Yoongi wandte seinen Blick wieder dem Mädchen zu und verstand dann, auf was ich hinaus wollte.
"Fuck.", zischte er und kniete sich sofort neben sie, während ich mich nicht von der Stelle bewegen konnte. Wie war das passiert? Lag es an den Schnitten? Hatte sie immer noch nicht auf Jin gehört? Oder hatte sie seit dem Tag wirklich nichts mehr gegessen? Egal was es war, eines blieb gleich: Es war meine Schuld. Wäre ich damals nur vorsichtiger gewesen, hätte uns vermutlich nie jemand gesehen. Das alles wäre nie passiert. Wir wären...
"Yah, Taehyung! Hör doch mal zu! Ruf sofort den Notarzt!"
Yoongis Rufe rissen mich aus meinen Gedanken. Ich brauchte etwas, bis ich seinen Satz verstand, dann holte ich mein Handy heraus und wählte die Nummer.

"Sind Sie Familienangehörige?", fragte die Krankenschwester.
"Nein, aber...", begann Yoongi, wurde aber just unterbrochen. "Tut mir leid, dann darf ich Sie nicht zu ihr lassen"
"Ich bin ihr Freund", sagte ich ohne zu zögern. Entgeistert sah mich Yoongi an. Auch die Schwester hob skeptisch eine Augenbraue.
"Wenn Sie falsche Angaben machen, kann das...", sagte sie, aber ich ließ sie nicht ausreden.
"Mach ich nicht. Lassen Sie mich bitte zu ihr durch."
Etwas widerwillig gab die Schwester den Weg für mich frei. Ich ignorierte Yoongi und trat in das Zimmer. Die Türe wurde hinter mir geschlossen.
Sie lag auf einem dieser scheußlichen Krankenbetten, gekleidet in einen dieser scheußlichen Patientenkittel.
Langsam näherte ich mich ihr und setzte mich vorsichtig auf einer freien Stelle neben ihr auf dem Bett nieder.
Ihre Augen waren geschlossen.
Ihr Gesicht war blass und sie war an mehrere Geräte angeschlossen. Automatisch glitten meine Finger durch ihr Haar. Sie atmete gleichmäßig, was mich zwar etwas beruhigte, aber dass sie nicht aufwachte, machte es nicht besser.
Warum auch immer sie jetzt hier lag, ich wusste, dass es meine Schuld war. Ich seufzte schwer. Wie konnte es nur soweit kommen?
Die Türe ging plötzlich auf und einer der Ärzte kam herein. "Ah, guten Abend, Sie müssen ihr Freund sein, richtig?", kam er lächeln auf mich zu. Erschöpft nickte ich.
"Wie geht's ihr?", fragte ich sofort.
Der Mann wurde ernst.
"Nun, ich denke, da ist viel zusammengekommen. Hauptursache des Zusammenbruchs dürften wohl die Überarbeitung und dass sie seit mehreren Tagen wohl nichts gegessen hat, sein. Es wirkt, als hätte sie in letzter Zeit viel durchgemacht."
Mein Gegenüber musterte mich skeptisch, während ich nur mit geschlossenen Augen nickte. Mein Blick fiel erneut auf das Mädchen. "Was ist mit den Schnitten an ihrer Hand? Sind die in Ordnung?", fragte ich.
"In ein paar Tagen dürften die besser aussehen.", antwortete er.
Die Türe ging nochmals auf und eine Krankenschwester betrat den Raum.
"Entschuldigen Sie bitte, aber die offiziellen Besucherzeiten sind vorbei. Ich muss Sie bitten, jetzt zu gehen.", meinte sie.
"Kann ich nicht noch etwas länger hier...", begann ich.
"Nein, tut mir leid. Bitte verlassen Sie den Raum.", unterbrach sie. Enttäuscht erhob ich mich und ging langsam aus dem Zimmer, noch einen letzten Blick auf das Mädchen werfend.

"Warum seid ihr so spät dran?", fragte Namjoon, als wir durch die Haustür traten.
"Krankenhaus", murmelte ich und entledigte mich meiner Schuhe und Jacke.
"Krankenhaus? Ihr wart im Krankenhaus? Warum? Ist was passiert? Geht's euch gut?", wollte er mit besorgtem Gesichtsausdruck wissen.
"Uns schon", meinte ich und verschwand die Treppe nach oben. Yoongi würde das schon erklären und mir war im Moment nicht nach sprechen zumute.
Ich warf mich aufs Bett und starrte an die Decke. Mein Kopf war gleichzeitig voller Gedanken und doch leer.
Ich dachte an das Mädchen. An mein Mädchen. Wie sie da lag. Ohne Bewusstsein.
Es klopfte.
"Tae, kann ich reinkommen?"
Jimin.
"Nein", antwortete ich knapp.
"Komm schon, ich... muss wirklich mit dir reden."
"Nicht jetzt."
"Bitte, Tae."
"Nein"
Die Türe ging auf und ich atmete genervt aus, drehte mich jedoch nicht zu Jimin um.
"Tae, ich weiß, dass das zur Zeit alles nicht leicht ist. Und es tut mir leid, was heute anscheinend passiert ist. Ich..."
"Spar's dir, Jimin."
Er seufzte.
"Scheint heute wohl keinen Sinn mehr zu haben. Wir sollten ein anderes Mal reden. Vielleicht... hab ich eine Idee. Aber ich weiß nicht, ob sie euch gefällt.", meinte er. Ich antwortete nicht und wartete einfach darauf, dass die Türe wieder ins Schloss fiel.
Ich dachte über seine Worte nach. Er hatte Recht. Es hatte heute keinen Sinn mehr.

As time goes by | Taehyung x readerWhere stories live. Discover now