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Das stälerne Tor öffnete sich quietschend und Jule fuhr hinter Kian die Kiesbedeckte Auffahrt hinauf.
"Meine Fresse", hörte Kian sie flüstern und er unterdrückte ein Glucksen. Das sie so geflasht sein würde, hatte er nicht erwartet.
Im Gegensatz zu ihm, sog Jule die neue Umgebung förmlich in sich auf. Überdeutlich nahm sie die vielen verschiedenen Blumen in den Beeten war, die die Auffahrt, zusammen mit einer Armee aus Kirschbäumen, schmückten.
Das stattliche Herrenhaus überwältigte sie. Es war weiß gestrichen und hatte große, Regelmäßig angeordnete Fenster. So viele Fenster in einem Haus waren faszinierend. Ein steinerner Torbogen beherbergte die hölzerne Eingangstür. Die äußeren Teile des Hauses waren etwas versetzt gebaut worden und ein Teil in der Mitte ragte über das schwarze Dach hinaus.

Ein Klopfen riss sie aus ihrem stillen Staunen.
Ein grinsender Kian schaute zu ihrem Autofenster hinein.
"Gefällt es dir?", fragte er, als sie die Tür geöffnet und ausgestiegen war.
"Ob es mir gefällt? Das ist unglaublich!" Über diese Begeisterung musste Kian lachen. Er hatte Angst gehabt, das Jule eingeschüchtert wäre, aber diese Sorge schien unbegründet zu sein.
"Wir müssen die Sachen reinbringen", erinnerte Kian und Jule schlug enthusiastisch ihre Tür zu.
"Schon unterweg- und ich hab meinen Schlüssel vergessen"
Kopfschüttelnd lief Kian zum Kofferraum seines Wagens, der direkt neben Jules, auf einer dafür vorgesehenen Stelle, stand.

Vollgepackt lief Kian los, Jule gleich hinter ihm.
"Sag mir nicht, dass das gar nicht dein Haus ist", meinte diese entsetzt, als er an der Eingangstür vorbei, um das Haus herum ging.
"Keine Angst", lachte er nur und drückte mit der Schulter eine Tür auf. "So sind wir nur schneller in der Küche."
"Ja, ja, macht Sinn", murmelte sie und Kian musste schmunzeln.
"Stell die Sachen einfach da hin", meinte er und zeigte auf den Küchentresen.
"Wow!", entfuhr es Jule, als sie sich in der Küche umschaute. Die Schränke und Tresen waren in einem dunklen Türkis, die Oberfläche war marmoriert. Durch die vielen Fenster war die große Küche Lichtdurchflutet.
Jule, die in einem Reihenhaus aufgewachsen war, war diese Größe nicht gewöhnt. Die Küche bei ihnen Zuhause ging direkt ins Wohnzimmer über, in ihrer eigenen Wohnung war die Küche ein kleiner Raum, in den nur eine Person passte. Das hier war der absolute Luxus.
"Meine Eltern leben übrigens nicht hier", informierte Kian sie und begann die Einkäufe in einen Schrank zu räumen. Mit hochgezogener Augenbraue musterte sie seinen Rücken.
"Das ist das erste Date, außerdem hatte ich einen blonden Lockenkopf erwartet".
"So meinte ich das doch gar nicht!"
"Schon klar."
Grinsend funkelte sie Kian an, der empört die Hände in die Hüfte gestemmt hatte. Schneller als Jule lieb war, verwandelte sich die Empörung in ein teuflischen Grinsen und Kian begann die Ärmel seines weißen Hemdes hoch zu krempeln. 'Man ei. Warum finde ich das attraktiv?', fragte Jule sich verzweifelt.
"Junge Dame", fing Kian da an und machte einen Schritt auf sie zu.
"Hilfe", rief Jule kichernd und floh um den Tresen, der zu ihrem Glück, die Mitte des Raumes einnahm. 
"Na warte!", rief Kian und folgte ihr.
Dankbar ihren Gedanken zu entkommen, riss Jule die nächste Tür auf und rauschte geradewegs in ein riesiges Wohnzimmer.
"Was zur Hölle-", entfuhr es ihr, doch da hatte Kian sie schon erreicht.
"Hab dich!", rief er triumphierend. Kopfschüttelnd grinste Jule, zog es dann aber vor, sich genauer in dem großen Raum umzuschauen.
Die Einrichtung hier war in einem hellen Beige gehalten. Mehrere Polsterelemente standen um einen niedrigen Tisch herum. Eine breite Treppe führte zu einer Art Balkon, der den Raum zu vergrößern schien. Wie schon in der Küche, ließen die großen Fenster extrem viel Licht einfallen.
Neugierig lief Jule zu einen der Fenster. Staunend betrachtete sie einen kleinen See und die vielen Koppeln, die sie schon vorhin entdeckt hatte. 'So viel Land', dachte sie. Selber kannte sie nur das schmale Stück Rasen, dass sich hinter ihrem Elternhaus befand und das sie sich mit den Nachbarn teilen mussten. Das hier war eine andere Art von Reichtum.

Kian war wieder dazu übergegangen Jule zu beobachten. Er mochte ihre kleinen Grübchen, die sich immer beim Lachen zeigten. Sie war keine Katalog Schönheit, aber sie war hübsch, dass konnte man nicht leugnen. Ihr Hellbraunes Haar hing offen über ihren Schultern und umrahmten ihr ovales Gesicht.
Kian hatte schon viele Frauen kennen gelernt. Ob Models, Sängerinnen oder Schauspielerinnen, er hatte sie vorgestellt bekommen. Alle waren wunderschön aber Jule. Sie strahlte eine Schönheit aus, die er nicht beschreiben konnte.
"Alles in Ordnung?", fragte Jule und riss ihn aus seinem starren.
"Ja. Ja, alles okay", meinte er verlegen.
"Ein schönes Grundstück", sagte Jule und schaute wieder aus dem Fenster. Doch Kian ließ sich nicht täuschen. Sie hatte mitbekommen, wie sehr er in ihrem Anblick versunken war. 'Idiot', schimpfte er sich selbst, wandte seine Aufmerksamkeit dann aber lieber Jule zu.
"Danke. Die Pferde gehören übrigens mir", startete er eine Konversation. 'Wollte sie jetzt auch unbedingt wissen', dachte er genervt, doch Kian verbannte diesen Gedanken wieder.
"Echt?", fragte sie ehrlich interessiert.
"Hmm. Die meisten sind alt. Hier können sie in Ruhe leben."
"Find ich gut." Der Blick in Jules Augen raubte ihm den Atem.
'Atemlos durch die Nacht', schoss es ihm durch den Kopf. Durch den Kontrast seiner inneren Stimme verwirrt, bekam er nicht mit, wie Jule zurück in die Küche ging.
"Wasn' das für ein Schrank?", hörte er sie gedämpft. Schnell durchquerte er den Raum und musste bei dem sich bietenden Anblick Grinsen. Jule hatte den Kopf in den Lastenaufzug gesteckt, in den er die Einkäufe geräumt hatte, und untersuche ihn.
"Ist ein Zauberschrank", meinte er, aus einem Impuls heraus.
"Echt?", fragte Jule begeistert und zog den Kopf aus dem Schrank. Mit einem schmerzhaften Krachen knallte sie gegen die Decke des Aufzugs.
"Auuu", jaulte sie und hielt sich dem Kopf. Kopfschüttelnd lief Kian zum Kühlschrank und holte ein Kühlpack heraus.
"Kannst du fangen?", fragte er schelmisch.
"Nein."
"Fang!"
Strafend sah Jule ihn an, als das Pack an ihrem Kopf abprallte und auf den gefliesten Boden fiel.
"Ups."

UnexpectedWhere stories live. Discover now