5.

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"Könne wir nicht etwas kleiner Anfangen?", fragte Jule zweifelnd.
"Willst du etwa auf dem da reiten?", fragte Kian zurück und zeigte mit dem Daumen auf ein Zwergpony, das Jule gerade einmal bis zum Bauch reichte.
"Wäre doch ne' gute Idee", meinte Jule verzweifelt.
"Au!", rief sie im nächste Moment.
"Dein Pferd hat mich gebissen!", meinte sie empört.
"Das ist ein Pony".
"Es hat mich trotzdem gebissen!"
"Soll ich pusten?"
"Idiot". Grinsend schaute Kian zu ihr herüber. Sie trug eine dunkle Reithose und ein einfaches T-shirt von seiner Schwester. In ihrem Abendkleid wäre reiten etwas blöd gewesen.
"Was?", fragte Jule und zog eine Augenbraue hoch.
"Nichts, nichts", meinte er und drehte sich wieder zu dem Pferd vor ihm.
"Wir lernen jetzt ein Pferd zu führen", erklärte er.
"Du stellst dich am besten links vom Pferd hin. Der Führstrick ist in deiner Hand. Wickel ihn aber niemals um deine Hand! Wenn er plötzlich los rennt, wirst du sonst mitgerissen. Am besten hältst du den Strick direkt unter dem Kopf des Pferdes. Den restlichen Führstrick hältst du in deiner linken Hand, ungefähr so", meinte er und machte es vor.
"Aha", sagte Jule und legte den Kopf schief. Grinsend hielt Kian ihr den Strick entgegen. Vorsichtig näherte Jule sich dem Wallach.
"Streichel ihn erstmal", forderte Kian sie auf und Jule begann, das Pferd vorsichtig am Hals zu streicheln.
"Und jetzt übernimmst du die Führung", sagte Kian und drückte ihr den Führstrick in die Hand. Jule nahm ihn so, wie Kian es ihr gezeigt hatte.
"Genau! Und jetzt führst du ihn. Lauf einfach los".
"Okay", meinte Jule unsicher und begann Kian zu folgen. Nachdem sie merkte, wie der Walllach ihr folgte, entspannte sie sich.
"Eigentlich ist das ganz cool!", sagte sie begeistert und trat im nächsten Moment in einen Haufen Pferdeäpfel.
"Bringt Glück", meinte Kian und unterdrückte ein Grinsen während Jule leise fluchte.
"Huch!", rief sie, als das Pferd ihr ins Ohr schnaubte. Kian konnte sein Lachen nicht mehr zurückhalten. Jule war wirklich unverbesserlich.

"Hier hin", sagte Kian und zeigte Jule die Stelle. Er nahm ihr den Strick ab und band das Pferd an der vorgesehenen Halterung fest.
"Wir müssen ihn putzen und satteln", erklärte er und ging in Richtung des große Stallgebäudes.
"Du warstest hier, ich hole die Sachen", meinte er und grinste Jule an, dann verschluckte der Betonbau ihn. Interessiert schaute Jule sich um. Alles hier wirkte, entgegen ihrer Erwartungen, altertümlich. Die Betonplatten des Putzplatzes hatten Risse, zwischen denen Stroh und Heu ihren Platz gefunden hatten. Der Stall schien von außen relativ neu, aber durch die große Eingangstür sah man eine alte hölzerne Einrichtung.
'Es ist schön hier', dachte Jule zufrieden. Hinter einem der Grashügel sah man die letzten Strahlen der untergehenden Sonne. Wie auf Kommando gingen Lichter aus großen Laternen an und erleuchteten den Platz. Ein Schnauben riss Jule aus ihren Gedanken.
"Was ist den los?", fragte sie das große Pferd und trat näher zu ihm.
"Hmm? Ist doch alles in Ordnung", sprach sie auf das Tier ein und begann ihn zu streicheln, was ihm sichtlich behagte.
"Jule-", grinsend schaute Kian auf das sich ihm bietende Bild. Jule und der Wallach Bingo wirkten so vertraut, wie als würden sie sich schon Jahre kennen.
"Ich hab Wochen gebraucht, bis er mir so vertraut hat und du machst das innerhalb einer Minute", meinte er und lachte während Jule ihn angrinste.
"Ich bin halt ein Genie", sagte sie und Bingo schnaubte zustimmend.
"Na ihr beiden versteht euch ja super. Um's putzen kommen wir trotzdem nicht vorbei".
"Was muss ich machen?", fragte Jule neugierig, während Kian die Putzbox abstellte. 
"Als erstes nimmst du dir einen Striegel und fährst in kreisenden Bewegungen über den Rücken und Bauch." Skeptisch betrachtete Jule das Ovale Gummi Putzuntensiel. In jeweils kleiner werdenden Ovalen waren Zacken angebracht und eine Schlaufe auf der anderen Seite half beim festhalten.
"Hand hier rein", meinte Kian und zeigte bei seinem eigenen Striegel, wie Jule unter die Schlaufe greifen musste.
"Du machst links und ich rechts, Deal?", fragte Kian und Jule stimmte zu.
"Wenn sich zu viel Fell oder Dreck in der Bürste gesammelt hat, einfach rausmachen oder auf dem Boden rausklopfen".
"Geht klar", meinte Jule und begann vorsichtig mit dem Striegel über das Fuchsfarbene Fell des Wallachs zu fahren.
"Mit mehr Druck. Sonst bringt das nichts", sagte Kian als er Jules Bewegungen sah.
"So?", fragte sie unsicher und übte mehr Druck aus.
"Sieht gut aus, ja".

"Du stellst deinen linken Fuß in den Steigbügel, ungefähr so. Dann hältst du dich am Sattel fest und ziehst dich nach oben. Dann musst du einfach dein linkes Bein auf die andere Seite schwingen", erklärte Kian gerade. Jule war eher auf den großen Reitplatz fokussiert. Große Scheinwerfer erleuchteten den, von einem Holzhaus abgeriegelten, Standplatz.
"Jule? Sag mal hörst du mir überhaupt zu?"
"Natürlich!"
"Na dann kannst du ja jetzt problemlos aufsteigen"
"Vielleicht solltest du das doch noch mal vormachen"
"Du hast mir nicht zugehört", meinte Kian gereizt. "Blitzmerker" Vergnügt blitzten Jules Augen auf und nahmen der Situation damit ihre gefährliche Spannung. 'Ich wollte nicht so gereizt sein', dachte Kian dich Jule schien es ihm nicht übel zu nehmen.
Seufzend gab er sich geschlagen und erklärte es nochmal. Kurz darauf saß Jule astrein auf Bingo und grinste ihn an.
"Noch Zweifel?", fragte sie und Kian verneinte.
"Was ist das?", hakte Jule neugierig nach, als Kian eine lange Leine an Bingos Trense anbrachte.
"Das ist eine Longe. Damit hab ich Bingo unter Kontrolle, ohne die ganze Zeit neben ihm herlaufen zu müssen", erklärte Kian und begann den schwarzen Strick abzurollen.
"Und wofür brauch ich dann das Zeug hier?", fragte Jule verwirrt und zeigte auf die Zügel.
"Das Zeug da nennt man Zügel. Sie sind mit einem Mundstück, der Trense, so heißt das Ding was Bingo um den Kopf hat, verbunden. So könnest du ihn theoretisch lenken, aber ich glaube, das brauchen wir erstmal nicht. Oh, egal was passiert, halt dich niemals an den Zügeln fest. damit würdest du Bingo unnötig schmerzen zufügen."
"Und wie soll ich mich dann festhalten?"
"Da am Sattel ist eine Art Kuhle, Sattelkammer genannt. Eigentlich ist das nicht zum festhalten, aber ich habe leider keine Voltigier Decke wo extra Griffe dran wären", sagte Kian und zeigte ihr die Stelle.
"Voltigieren war doch Turnen auf nem' Pfer, oder?", fragte Jule.
"Ganz genau", bestätigte Kian.
"Gib mir mal deine Hände", forderte er sie dann auf. Etwas zögerlich streckte sie Kian ihre Hände entgegen.
"Hab ich's mir doch gedacht. Deine Hände sind ziemlich Weich. Zieh am besten die hier an", sagte Kian, nachdem er ihre Hände in seine genommen hatte, und holte ein Paar Reithandschuhe aus seiner Jackentasche.
"Warum das denn?", fragte Jule verwirrt.
"Weil wir ja nicht wollen das deine hübschen Hände wund gescheuert werden", erwiederte Kian grinsend. Um ihre Verlegenheit zu überspielen schnappte sie sich die Angebotenen Handschuhe und streckte ihm die Zunge heraus. 'Niedlich', dachte Kian und grinste sein Gegenüber an.

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