🔥 I. Fiero

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Laute Schreie gellten über das Feld neben dem Wald, Klingen kreischten. Donner grollte in der Ferne, die Winde peitschten den Männern um die Ohren.
Inmitten der Ritterschar kämpften die letzten zwei die noch standen, unterschiedlicher konnten die Rivalen nicht sein; der eine, in seiner schmutzigen Rüstung, mit der Statur eines Bären, wurde immer wieder zurückgedrängt von einem schmächtigen Jungen, der ihm kaum bis zur Schulter ging.

Der Halbwüchsige trug bloß ein Kettenhemd, der Rest von ihm steckte in fleckigen dunklen Klamotten, welche viel zu vornehm für seine Erscheinung wirkten, aber wenn man den Jungen genauer kannte, passte es doch zu ihm.

Fiero Fountain war gerade mal siebzehn Jahre alt, und für sein Alter kleiner als die meisten anderen Jungen. Sein dunkelblondes Haar klebte ihm verschwitzt ins Gesicht, die purpurne Röte darin überdeckte seine Sommersprossen. In ihm brodelte die schiere Wut und der Frust über die Ereignisse dieses Tages, und so schlug er immer und immer wieder mit seinem Schwert nach dem Ritter Lawrence.

Obgleich der Junge körperlich im Nachteil gegen seinen Gegner war, schien er auch dieses Duell zu gewinnen. Er war flink, schnell und intelligent, seine Hiebe waren präzise und ließen den Ritter immer wieder zurückstolpern. Fiero war zwar dünn, aber sehnig, und seine stets überschüssige Energie brachte ihm die nötige Ausdauer ein. Er bot nur wenig Angriffsfläche und konnte Lawrence's Hieben mit Leichtigkeit ausweichen. Er war ein Naturtalent des Schwertkampfes, doch noch lieber als ein Schwert, schwang Fiero normalerweise Pinsel und Feder.
Nur, dass diese eben nicht zum kämpfen gedacht waren.

„Fiero! Prinz Fiero!"
Als der Junge nicht auf die Rufe des herannahenden Dieners hörte, schlug Lawrence mit aller Kraft nach dessen Schwert, sodass nicht nur jenes zur Seite flog, sondern auch Fiero selbst. Keuchend landete er im Gras und stieß dann einen Frustschrei aus.
„Lasst mich in Frieden!", schrie er dem Diener zu.
„Eure Hoheit, wenn Ihr nicht mit mir kommt, wird Euer Bruder mir helfen kommen müssen", brachte der Diener notgedrungen hervor.
Wütend starrte Fiero ihn an, in der Hoffnung, er könnte durch seinen Blick tot umfallen.
Doch als dies nicht geschah, blickte er erst zu Lawrence auf, dann zu dem Rest der Ritter, die alle noch im Gras saßen und nicht die Absicht zu haben schienen, ihm zu helfen.

Fiero sah ein, dass er wohl keine andere Wahl hatte, als zum Schloss zurückzukehren. Dem Ort, den er mehr hasste als jeden anderen auf dieser Erde.
Den Tränen der Wut nahe, rappelte er sich auf und marschierte am Diener vorbei über das Feld. Dieser rief noch einmal seinen Namen, wirkte allerdings auch nicht so, als wolle er ihm folgen.
Zähneknirschend rauschte Fiero an den Torwachen vorbei und marschierte über den Innenhof des Schlossgeländes. Diener, Mägde und das Bauernvolk wichen ihm dabei ängstlich aus, als könnte er ihnen etwas tun.
Dabei war er trotz seiner Wutausbrüche doch der gnädigste der Lordschaften.

Das Burgtor öffneten ihm weitere Wachen. Ein junger Bediensteter stolperte aus dem Weg und rannte davon. Fiero schnaubte.
Sobald er die edel eingerichtete Eingangshalle der Burg betrat, sank all sein Selbstbewusstsein auf ein Minimum. Oh, wie hasste er diesen Ort doch.

Auf der imposanten Treppe, welche hoch zu den Gemächern der Lords und Ladys führte, wartete der persönliche Diener seines Vaters.
Horace de Cousser war ein hochgewachsener, streng dreinblickender Mann in seinen Fünfzigern, der Fiero genauso wenig leiden konnte wie überhaupt der Großteil auf der Burg.
„Prinz Fiero, Euer Vater erwartet Euch im Thronsaal. Ihr solltet Euch nicht mehr so viel Zeit lassen, Eure Hoheit ist nicht bei bester Laune." Dem letzten Satz folgte ein bedeutungsschwerer Blick, welcher erahnen ließ, dass Fiero der Grund für die Misslaune seines Vaters war.

Ohne ein Wort zu sagen steuerte Fiero den Weg zum Herz der Burg an. Und kaum erreichte er auch nur den Flur vor den riesigen Flügeltüren mit dem Wappen seiner Familie, hörte er schon laute Stimmen streiten.
Erneut kochte die Wut in ihm auf. Er hasste diese Familie, weil es hier keinerlei Liebe gab, für niemanden. Und sie stritten sich tag um Tag und gaben ihm die Schuld dafür.

Er atmete tief und entschlossen durch, bevor er die Türen aufstieß und in den Thronsaal trat.
Die Gespräche verstummten abrupt, alle Augen lagen auf ihm.
Nicht nur seine Eltern und Geschwister waren anwesend, auch seine Onkel und Tanten, deren Kinder und seine Großmutter.
Langsam schritt Fiero nach vorn. Die alte Dame saß in einem hölzernen Rollstuhl, den man extra für sie gezimmert hatte. Bei ihren neunzig Jahren hatte langsam die Schwäche ihren Körper eingenommen, und sie konnte sich kaum noch eigenständig bewegen und auch kaum mehr sprechen.
Seine älteren Brüder Archibald und Konran, siebenundzwanzig und vierundzwanzig, standen beide neben den Thronen seiner Eltern. Seine kleine Schwester Christine saß auf dem Schoß ihrer Mutter. Alle drei waren der größte Stolz seiner Eltern, während er die Schande wie eine Bleikugel hinter sich her schleifte.

„Da bist du ja endlich", brummte sein Vater genervt.
„Unglücklicherweise", antwortete Fiero, was zu allgemeinem Schnauben führte. Von seiner Mutter erntete er einen enttäuschten Blick.
Sein Vater hatte es irgendwann aufgegeben, ihn zurechtzuweisen. Er verkniff sich nur noch seine Wut, außer Fiero provozierte ihn so lange, bis er aus der Haut fuhr.
Lucius Philippe Fountain II faltete beherrscht seine Hände und lehnte sich in seinem hübschen Sessel zurück.
„Fiero, da wir keinerlei Besserung in deinem Verhalten sehen, haben wir beschlossen, deine Strafe zu erweitern", begann Lucius. Er legte eine Kunstpause ein, um Fiero nervös zu machen.
„Deine Reise nach Italien startet morgen Nachmittag. Und du wirst deine Verlobte ebenfalls kennenlernen, sobald ihr in Venedig angekommen seid."

Fiero klappte die Kinnlade herunter. Dass sein Vater ihm am Frühstückstisch offenbart hatte, dass er ihn fortschicken würde um die Tochter irgendeines Grafen kennenzulernen, hatte ihn bereits schockiert, doch schon morgen? Und er sollte sie auch noch heiraten?
„Das kannst du nicht machen", knurrte Fiero, doch statt wütend klang er eher verängstigt.
Lucius lachte boshaft. „Oh doch, mein Sohn. Wenn du dich nicht annähernd so gut benehmen kannst wie deine Geschwister, wird dies eben deine Strafe sein. Hoffentlich lernst du dann, wie sich ein echter Prinz verhält.
Die Familie Medici wird dich sicherlich besser erziehen können, nachdem wir leider kläglich an dir gescheitert sind." Damit verzog Lucius fast schon angewidert das Gesicht und versetzte Fiero damit einen Stich ins Herz.

„Es ist doch eure eigene Schuld", murmelte er mit geballten Fäusten vor sich hin, während er gegen die Tränen ankämpfte.
„Sprich lauter, Junge, sonst versteht man dich doch nicht", spottete sein Onkel Marshall.
„Es ist doch eure eigene Schuld, dass ich so bin!", schrie Fiero durch den gesamten Thronsaal, sodass ihm die Worte an den Wänden zurück hallten. Seine Sicht verschleierte sich, er schnappte nach Luft.
„Das ist aber nicht gerade männlich", kommentierte Marshall daraufhin. Am liebsten wäre Fiero ihm an die Gurgel gesprungen.

„Marshall und deine Brüder werden dich nach Venedig begleiten", verkündete Lucius nun. „Sodass du auch nicht in Versuchung gerätst, Reißaus zu nehmen. Zu deiner Hochzeit werden wir natürlich nachkommen."
Fiero stockte der Atem. Onkel Marshall mochte ihn noch weniger als sein eigener Vater, ebenso
Archibald. Sie würden ihm das Leben zur Hölle machen.

Verzweifelt starrte Fiero zwischen ihnen hin und her, doch es stand wohl fest: sie würden ihn nach Italien verschleppen und an eine Grafentochter verheiraten, seine eigene Familie.
Auf dem Absatz drehte Fiero um und rannte aus dem Thronsaal.







Und hiermit kündige ich meine neue Geschichte an — Die Prinzen von Venedig!🎭
Nachdem meine Story „Nur du zählst..." nunmehr (so gut wie!) fertig ist, werdet ihr Leseratten ab jetzt mit Fiero's Geschichte gefüttert.
Haltet eure Säbel bereit, ihr werdet nicht kampflos davonkommen⚔️

Euer... Knighttdreamer~🛡

Die Prinzen von VenedigWhere stories live. Discover now