🔥 IV. Fiero

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Den Rest des Tages verbrachte Fiero damit, mit Captain Hunter in dessen Deckshäuschen Wein zu trinken und Schach zu spielen. Sein Onkel hatte lautstark dagegen protestiert, und war drauf und dran, Fiero einfach zurück in seine Kammer zu schleifen. Zum Glück hielt Konran ihn zurück.
„Dies hier ist mein Schiff, Lord Fountain", sagte Captain Hunter dabei scharf, „Hier wird getan, was ich sage, nicht Ihr. Und soweit mir bekannt ist, seid Ihr in der Rangfolge des Throns irrelevant gewesen."
Dies lies Marshall vor Wut rot anlaufen. Fiero musste sich ein Kichern verkneifen. Tatsächlich war Marshall in seinen jungen Jahren nicht als Thronfolger infrage gekommen, weil er Regeln nicht befolgte, lieber in Spelunken trank und keine Führungsqualitäten besaß, und so hatte sein Bruder Lucius ohne Umschweife den Platz ihres Vaters eingenommen.

„Freut Ihr Euch bereits darauf, in Venedig anzukommen?", fragte Captain Hunter bei seinem nächsten Zug mit einem Bauern. Die schienen ihm die liebsten Figuren zu sein, wie Fiero während der letzten Partien festgestellt hatte.
Mit gehobenen Brauen schaute er auf. „Warum fragt Ihr, Cap?"
Hunter lachte bloß leise auf. „Warum nicht? Ihr seid dran."
Grummelnd schob Fiero seinen Springer vor und stibitzte einen Bauern des Captains.
„Also nein." Hunter preschte mit dem Pferd vor und schnappte sich Fiero's Springer, was den Jungen zum fluchen brachte.
„Lasst euch nicht ablenken. Im Kampf könnt Ihr das viel besser", grinste Hunter. Er zündete sich eine Zigarre an und paffte den Qualm in Fiero's Richtung. Fiero rümpfte die Nase, hielt aber das Husten zurück. Er musste sich nicht noch mehr blamieren.
Ein paar Züge gingen hin und her, in denen sie sich gegenseitig auf dem abgewetzten Schachbrett Figuren stahlen und einander auswichen. Dann fragte Hunter endlich.
„Warum freut Ihr Euch nicht?"
Statt seinen vorletzten Bauern zu bewegen, nahm Fiero einen großen Schluck Wein. „Ich werde an eine Grafentochter verheiratet. Vielleicht ist sie doppelt so alt wie ich und hässlich. Außerdem sind meine Familienmitglieder Barbaren."
Hunter grinste breit und wackelte anzüglich mit den Augenbrauen. „Und jetzt die Wahrheit."
Grummelnd schob Fiero seine Figur über das Brett und kassierte sich eine des Captains. „Es ist die Wahrheit." Nun ja, zumindest ein Teil der Wahrheit.
Captain Hunter nutzte die Gelegenheit und schlug ihn schachmatt. Dann legte er die Arme übereinander und fixierte Fiero mit in Schalk blitzenden Augen. „Eure Hoheit, man sieht es Euch schon an, dass ihr nicht sonderlich interessiert an Ladies seid. Doch wie seid Ihr den Lords gesinnt?"
Frustriert und überfordert ballte Fiero die Fäuste und musste sich zurückhalten, nicht einfach mit dem Schachbrett zu werfen.
Bilder der Hinrichtung seines Freundes schossen durch seinen Verstand, spuckten das Feuer, das in ihm brodelte und ließen seine Adern pochen. Der Alkohol provozierte seinen Zorn und die Verzweiflung nur.
„Prinz", begann Hunter, „Wisst Ihr, wir Piraten haben andere Regeln. Ihr könnt es mir ruhig sagen..."
Sobald Hunter die Hand auf die Fiero's legte, explodierte er und schlug den Arm des Captains Weg, so heftig, dass dieser laut polternd vom Stuhl kippte.
„Seid verflucht, Hunter", spuckte Fiero aus und ließ den Mann am Boden liegen. Er würdigte ihn keines weiteren Blickes, sondern marschierte so schnell es ging aus dem Deckshäuschen.

Fiero hätte nicht geglaubt, dass er jemals froh würde, in den Bauch des Schiffes zu seiner kleinen Kammer zu flüchten, doch er rauschte die Leiter nach unten und an dem Ritter vorbei. Hinter sich knallte er die Kammertüre zu und schmiss sich auf seine Koje. Erst dort angekommen schnappte er wieder nach Luft.
Der Gestank von dreckigen Stroh und Exkrementen widerte ihn an, doch er zügelte seine Wut. Mehrmals atmete er einfach nur ein und aus und wischte sich mit den Ärmeln den Schweiß aus dem Gesicht.

Doch die Ruhe wahrte nicht lange. Laute Schritte polterten über das Holz, und dann polterte die Kammertüre auf, dass Splitter durch die Gegend flogen. Onkel Marshall stürmte auf ihn zu, mit hochrotem Kopf.
Alarmiert sprang Fiero auf und wich zurück, doch es gab keinen Ausweg.
„Was wagst du es, so einen Krach zu machen?", fuhr Marshall ihn an und schubste ihn gegen die Wand.
Fiero war erschrocken, doch seine Wut brodelte wieder auf. „Störe ich etwa deinen Schönheitsschlaf, Onkel?", fragte er schnippisch.
Marshall verpasste ihm eine schallende Ohrfeige, die ihn zur Seite fegte. Er trat ihm mit dem Stiefel in die Magengrube. „Wenn du noch einmal so mit mir redest, stelle ich dich dem Teufel persönlich vor, du verdammte Missgeburt!"

Fiero stöhnte mit Tränen in den Augen. Mittlerweile war auch Konran in die Kammer getreten. Sein Blick war wie so oft undefinierbar. „Onkel Marshall", zischte er tonlos.
„Verpiss dich", fuhr dieser ihn an, doch irgendetwas lag in seiner Stimme, was Fiero, so desorientiert wie er gerade war, nicht richtig deuten konnte.
„Ich warte auf Euch", brummte Konran und verließ das Zimmer. Marshall wirkte wie hin- und hergerissen, doch mit einem letzten vernichtenden Blick auf seinen Neffen rauschte er davon und knallte die Türe zu. Kurz darauf klickte es.

Fiero seufzte und hielt sich den schmerzenden Bauch. Er zog den Boden seiner Koje vor und rollte sich zusammen, um etwas durch die Schmerzen zu schlafen.

~

„Aufwachen!"
Fiero schreckte hoch und fiel bei dem aufkommenden Schwindel beinahe zurück. Ein Tritt auf seine hielt ihn allerdings in der Realität und er fauchte auf. Als er realisierte, dass Archibald in seiner Kammer stand, trat er kräftig gegen dessen Knie. Sein Bruder jaulte auf, hielt sich aber den Mund. Fiero wusste, dass er ihn zwar bei Marshall anschwärzen würde, allerdings würde er nie eingestehen, dass sein kleiner Bruder ihm wehgetan hatte.

Archibald gab ihm eine Ohrfeige und zerrte ihn an den Haaren in die Senkrechte. Fiero fauchte bloß, da es nicht allzu sehr schmerzte. Er stieß Archibald von sich und rappelte sich auf.
Archibald ballte beherrscht die Fäuste. „Ab mit dir. Wir sind angekommen. Und wehe, du versuchst noch etwas, dann ertränke ich dich höchstpersönlich."
Fiero spuckte gegen ihn aus. „Nichts lieber als das."
Bevor Archibald ihn hinaus schubsen konnte, war er schon am Ritter draußen vorbei und lief auf die Luke zum Deck zu. Hinter ihm rasselte Metall, und er wusste, dass der Krieger seinen Rücken vor Archibald schützte.

Als er es aufs Deck geschafft hatte, wartete allerdings schon Onkel Marshall auf ihn. Doch immerhin sah er seinen Koffer bei Bastet stehen.
„Achtung! Marsch!", herrschte Marshall Fiero im Befehlston an. Der Junge hob skeptisch eine Braue, beeilte sich dann aber, die Beine in die Hand zu nehmen, als Marshall seine Peitsche knallen ließ.
Auf dem Weg zur Reling spürte er, wie sich Blicke in seinen Rücken bohrten. Er schaute zurück, und da war Captain Hunter, der mit verschränkten Armen an seinem Deckshaus lehnte und den Kopf schief gelegt hatte.
Rasch machte Fiero, dass er runter von diesem verfluchten Schiff kam.

Sie erreichten eine der Inseln der Lagune von Venedig, wo sie mit ihrem Gepäck in mehrere Gondeln stiegen. Fiero staunte nicht schlecht, als er die hübschen Gebäude sah, doch vor allem natürlich die kleinen Wassergefährte.
Die Gondeln waren hübsch bemalt, mit vielen geschnitzten Ornamenten verziert, und sogar überdacht. Auf jeder Gondel stand ein Mann in gepflegten Gewändern, alle maskiert. Schnabelmasken, Halbmasken, die nur eine Seite des Gesichts oder bloß die Augen bedeckten, Tiermasken, in allen Farben, die man sich ausdenken konnte.

Fiero wurde am Arm gepackt. Konran zerrte ihn zu einer der kleineren Gondeln. „Na los, rein da. Du hast Glück, dass weder Archibald, noch Marshall mit dir fahren wollen", raunte er seinen letzten Satz.
Bevor irgendjemand seine Meinung ändern konnte, stieg Fiero in die Gondel. Etwas unbeholfen, um genau zu sein, doch immerhin kenterte das Boot nicht. Er nahm auf der Sitzbank am Bug Platz, und Konran setzte sich neben ihn.
Der Gondoliere stand breitbeinig vor ihnen und fragte etwas auf italienisch.
Konran antwortete zurück, wobei der Name Medicis fiel.

Fiero schluckte. Nun gab es kein Zurück mehr.

Die Prinzen von VenedigWhere stories live. Discover now