🎭 IX. Niccoló

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Der Morgen graute gerade erst, als eine hochgewachsene Gestalt mit wehendem Umgang aus dem Schatten der Häuser trat.
Beschwingt sprang Niccoló in seine kleine Gondel und löste das Tau, das sie festhielt.
Heute war einer der Tage, an denen er extra früh aufstand, da er wusste, dass einige Geschäftsleute um diese Zeit in Venedig ankamen und abreisten oder Einladungen in den Häusern der Reichen wahrnahmen.
Während er selbst das Viertel der normalverdienenden Bürger verließ, würden bald einige Adelige aus ihren Häusern kommen und ihn anhalten, um mitgenommen zu werden.

Leise gähnte er und stieß sich mit dem Fuß vom Kopfsteinpflaster ab, um schwungvoll aus der kleinen Gasse zu fahren. Der tieforange Morgenhimmel begrüßte ihn in den ersten Sonnenstrahlen des Tages. Er mochte das Tageslicht, und wie es die Lagune der Wasserstadt in bunte Farben tunkte. Das machte seine Arbeit immer eine Spur schöner.
Als erstes hielt er auf ein etwas größeres Haus zu, welches verblichen violett angestrichen und von Efeu berankt war. Die Seite des Hauses, an der sich ein großes Fenster befand, grenzte direkt ans Wasser. Niccoló hängte sein Ruder an seinen Platz, griff in eine Einkerbung im Lehm des Hauses und klopfte gegen die Fensterläden. Es dauerte keine Minute, bis sich etwas im Haus regte und eine der Läden polternd aufflog.

Niccoló blinzelte der Frau zu, welche breit strahlend in der Öffnung auftauchte.
„Niccoló, caro mio! Come stai?"
Er lächelte ebenso freudig. „Bene, grazie. Geht es dir besser, Cato?"
„Sì, ich fühle mich wieder so lebendig!" Cato streckte sich beschwingt. Sie war einige Zeit lang krank gewesen, und Niccoló hatte ihr ein wenig Geld geborgt, damit sie so bald es ging zum Arzt gehen konnte, um wieder zu genesen.
„Das freut mich wirklich!"
Cato kicherte geschmeichelt. „Du willst sicher etwas essen, mein Junge. Es ist so schön, dass wir wieder normal in den Tag starten können!"
Cato huschte in ihrem Haus herum und brachte Niccoló eine kleine Papiertüte. „Ich habe endlich wieder etwas Käse und Fleisch bekommen. Willst du noch etwas trinken?"
„Danke, das reicht mir vollkommen", erwiderte Niccoló mit einer kleinen Verbeugung.
Cato seufzte leise und stemmte die Hände in die Hüften. „Musst du schon los, mein Lieber? Du solltest wirklich länger bleiben, wenn du deine alte Freundin besuchst. Was, wenn ich wieder krank werde, hmm?"
„Ich hoffe mal, dass dies nicht wieder geschehen wird", entgegnete Niccoló leise. Er verabschiedete sich und umarmte die Dame, indem er sich ins Haus hinein lehnte. Sie roch nach starkem Parfüm und süßem Gebäck.
„Bis morgen, hoffe ich doch", murmelte sie und strich sanft über seine gipserne Maske.
„Wenn ich so früh aufstehe."
„Du kannst dich ja wohl trotzdem hier blicken lassen, Jungchen." Cato stemmte streng die Hände in die Hüften. „Nun gut, ab mit dir. Du hast ja viel wichtigeres zu tun."
Er rollte die Augen, schob seine Maske ein Stück weit hoch und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
„Gut dass mein Mann schon weg ist", kicherte sie. Niccoló grinste nur und deutete eine Verbeugung an, bevor er sein Ruder wieder in die Hand nahm und weiterfuhr. Cato winkte ihm zum Abschied mit einem Taschentuch, als würde er eine lange Reise angehen.

Niccoló aß sein Frühstück in Ruhe unter einem kleinen Torbogen, welcher durch die etwas belebteren Teile der Wasserstadt führte, und ließ seinen Blick durch die Gegend schweifen. Er liebte das Essen, das Cato zubereitete.
Aus dem Augenwinkel sah er, wie sich zwei Gestalten näherten. Sie trugen Bedienstetenkleidung, aber solche, die er nicht kannte. Dicke Kleidung aus Leinen, Kettenhemden darüber, und Gürtel mit Schwert daran. Sie führten ein hitziges Gespräch, was zu solch frühen Zeiten nicht gerade angebracht war.
Er faltete das Wachstuch zusammen, in dem sein Essen eingepackt gewesen war, schob die Maske zurecht und erhob sich. Die Männer hielten tatsächlich auf ihn zu und baten in brüchigem Italienisch um Mitnahme.
Mit einer Verbeugung bat er die zwei, einzusteigen. Sie tauschten einen Blick, nahmen dann aber gegenüber voneinander im vorderen Teil der Gondel Platz.

Stirnrunzelnd blickte er auf sie hinab. Wo wollten sie denn hin? Ihre Diskussion lenkte sie wohl viel zu sehr ab. Briten, so wie es schien. Wie der junge blonde Mann, der so gut gekleidet ist, dachte er. Mit dem Ende seines Ruders klopfte er gegen das Holz der Gondel, erregte somit die Aufmerksamkeit der Männer.
Er machte eine wedelnde Handbewegung, hoffte, dass sie selbst herausfanden, was er wollte.
Der ältere rieb sich angestrengt über die Stirn. „Zum Herzog, bitte", sagte er schließlich auf Englisch, wobei sein Blick darum bettelte, verstanden zu werden.
Wortlos setzte Niccoló seine Gondel in Bewegung und ließ sie durch eine der Hauptstraßen gleiten.

Die Prinzen von VenedigDove le storie prendono vita. Scoprilo ora