🔥 XVI. Fiero

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Fiero nutzte die Situation aus, Tante Leonora zu sagen dass er sich ebenfalls krank fühlte.
Zwar ging es ihm, den Umständen nach, physisch gut, allerdings wollte er sich keineswegs vor den anderen Familienmitgliedern blicken lassen. Am wenigsten seinen Brüdern und Onkel gegenüber. Er wusste nicht, wer von ihnen ihn angegriffen hatte; womöglich Archibald oder Marshall, und die Ungewissheit zerriss ihn schon jetzt. Wie sollte er ihnen ins Gesicht sehen, ohne dass etwas auffiel? Niemand würde ihm glauben, dass er ausgerechnet einen von ihnen verdächtigte. Und er wollte keinen unnützen Tumult auslösen.

Er verbrachte die Hälfte des Tages im Bett und ließ sich am Nachmittag eine heiße Suppe von Leonora bringen, die darauf bestand, sich um ihn zu kümmern. Allerdings konnte er sie schnell davon überzeugen, dass er zu müde war sich zu unterhalten, und glücklicherweise respektierte sie es. Er hatte einen dicken Strickpullover mit langem Kragen gefunden, der wirklich passend für die Umstände war. Angeblich hatte er Schüttelfrost und ein Kratzen im Hals. Aber um einen Besuch des Arztes zu umgehen, behauptete er, dass er morgen schon wieder gesund sein würde und sich heute bloß ausruhen wolle.
Vom Doktor kam anschließend die Nachricht, dass Ramona einen Infekt habe und wohl nicht ganz so schnell wieder auf den Beinen sein würde. Er müsse sie täglich besuchen, bis er sichergehen konnte, dass es ihr besser ging.
Selbstverständlich geriet dadurch die gesamte Villa Medici in Aufruhr, und Fiero wurde in Ruhe gelassen, beinahe vergessen.

Er saß in seinem Bett und blätterte in einem der Bücher, das er in seinem Zimmer gefunden hatte. Er verstand nicht so viel wie er gehofft hatte, aber es schien um einen jungen Mann zu gehen, der durch die Welt reiste und allerlei Berufe erlernte, bis ihm damit zu langweilig wurde. Was eine interessante Welt, mit so viel Freiheit verbunden, dachte er sich dabei.
Als es plötzlich an seiner Tür klopfte, schrak er zusammen. Hastig richtete er seinen Kragen, bevor er etwas heiser Herein rief.
Zu seiner Überraschung trat Konran ein.
„Darf ich reinkommen?"
Zögerlich setzte Fiero sich auf. „Du bist doch schon drinnen."
Konran verdrehte schmunzelnd die Augen und schloss die Tür hinter sich. Dann zog er sich einen Schemel an Fiero's Bett. „Wie geht es dir, Brüderchen? Ich hoffe, noch nicht so schlecht wie Ramona."
„Nein nein, ich bin nur etwas erschöpft." Fiero winkte ab und seufzte, wandte den Blick ab. Er wusste nicht, was er ihm sagen sollte. Konran vertraute er am meisten von seiner Familie, doch nicht genug, um ihm zu erzählen was passiert war. So weit konnte er nicht gehen.
Er legte das Buch weg das er gelesen hatte, aber nicht ohne ihm ein Eselsohr zu verpassen.
„Das sollst du doch nicht machen", tadelte Konran, klang aber nicht sehr ernst dabei.
„Wirst du mich etwa an Vater verraten?", fragte Fiero mit einem schiefen Grinsen.
Zum Glück schmunzelte sein Bruder. „Nein. Aber das Buch ist nicht deines, nicht, dass die Bibliothek der Medicis noch aussehen wird wie unsere."
Fiero lachte leise. „Ich werde mich zurückhalten. Konran, weshalb bist du hier?"
Konran stieß einen Schwall Luft aus und vergaß wohl, dass der Schemel wohl keine Lehne hatte, denn er ruderte plötzlich erschrocken mit den Armen als er beinahe umkippte und setzte sich wieder ordentlich hin. „Herrje. Ach, Archibald und Onkel Marshall verziehen sich in die Tiefen ihrer Zimmer und lassen nicht mit sich reden. Vielleicht werden die auch krank. Aber wenn ich Francesca nicht sehe, wird es wahrlich langweilig."
Fiero lachte leicht, auch wenn es ihm schwer fiel.
„Darf ich?" Konran klopfte auf sein Bett, und Fiero nickte. Er machte ihm Platz, sodass sie nebeneinandersitzen konnten, und Konran legte die Füße auf dem Schemel ab. Etwas, was er normalerweise sicher nicht tun würde, doch es störte Fiero nicht im geringsten.
„Hast du schon mitbekommen, dass der Graf nachdenkt, euer kommenden Feiern etwas nach hinten zu verlegen?", fragte Konran.
Fiero zog die Stirn kraus. „Ich hätte es voraussehen können, allerdings überrascht es mich doch etwas."
Konran zuckte die Schultern. „Ramona scheint es wohl wirklich schlecht zu gehen. Hast du sie schon gesehen?"
„Nein", nuschelte Fiero und rieb sich verlegen den Nacken.
„Willst du sie besuchen?", fragte Konran weiter und musterte ihn eingehend.
„Sicher, wenn ich darf...", murmelte Fiero lahm. Sein Bruder lächelte leicht und kämpfte sich wieder hoch. „Gut, dann frage ich nach ob sie Besuch empfangen darf. Und schleiche mich an der Küche vorbei, hoffentlich finde ich dort so etwas wie Gebäck. Soll ich dir auch etwas mitbringen?"
Fiero nickte eifrig, wenn auch perplex. Seit wann war sein Bruder so unglaublich nett zu ihm? Lag es an dem Glück das seine Freundin ihm machte? Womöglich musste er sich auf die Suche nach ähnlichen Frauen machen, die Archibald und Marshall ebenfalls den Kopf so positiv verdrehen könnten.

Die Prinzen von VenedigWhere stories live. Discover now