🔥 XIII. Fiero

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Das Essen war großartig. Die Stimmung war auslassend, und überraschenderweise empfand Fiero die Feier ebenfalls als recht angenehm. Es gab ein riesiges Buffet im Speisesaal, teuren Wein und himmlische italienische Spezialitäten, von denen Fiero noch nie gehört hatte, aber sie waren wirklich genüsslich. Laute Menschen, die er nicht kannte, gratulierten ihm und schmolzen bei dem Anblick des jungen Paars dahin. Ramona und er wurden immer wieder für die Wahl ihrer Kleider und Masken gelobt und standen durchgängig im Rampenlicht.
Fiero ließ all das über sich ergehen, in der Hoffnung, dass dieser Abend schnell vorbeigehen würde. Zumindest hielten Archibald und Marshall sich auf Abstand.

„Ich brauche eine Pause", maulte Ramona und lehnte sich ein weiteres Mal an seine Seite. Nachdenklich legte er einen Arm um sie. Es war wirklich seltsam, dass sie sich so anhänglich verhielt, das passte überhaupt nicht zu ihr. Er dirigierte sie weg von der Mitte des Raums, zu den Fenstern die auf die Straße zeigten, und lehnte sich an die Wand. „Bist du müde?", fragte er.
„Ich glaube, ich werde krank", murmelte Ramona zurück und blinzelte erschöpft zu ihm auf. Ihre Augen waren leicht glasig. Besorgt zog Fiero die Brauen zusammen. Das war gar nicht gut. „Hey, das geht nicht. Du steckst mich noch an."
Es sollte sie zum Lachen bringen, aber Ramona reagierte nicht und ließ den Kopf auf seine Schulter sinken. Er seufzte und tätschelte unbeholfen ihren Kopf. Wäre sie doch zumindest ein Junge gewesen...

„Brüderchen!" Ausgerechnet jetzt kam Konran mit seiner Begleitung auf ihn zu. Eine hoch gewachsene Frau mit einer eher kräftigen Statur in einem rosaroten Ballkleid hatte sich bei ihm eingehakt.
„Guten Abend", grüßte Fiero freundlich und stellte sich aufrecht hin. Er zog Ramona enger an sich und hielt sie fest, damit ihr kränklicher Zustand nicht allzu sehr auffiel.
Unter Konran's weißgrauer Wolfsmaske schien sich ein Grinsen zu bilden, denn seine Augen begangen zu leuchten. „Fiero, Ramona, das ist Francesca Dilegato, meine Freundin."
„Es freut mich, Eure Hoheit", sagte Francesca und knickste.
„Ach, es ist also offiziell?", meinte Ramona. War ja klar, dass sie ihren Sarkasmus nicht zügelte, selbst wenn sie krank wurde.
„Die Freude ist ganz unsererseits", beeilte Fiero sich zu sagen und nickte ihnen zu. Francesca kicherte.
Aus dem Augenwinkel sah Fiero Noemi auf sie zulaufen. „Da seid ihr ja! Warum versteckt ihr euch denn hier? Tante Leonora sucht euch, ihr sollt zum Ballsaal kommen, es geht gleich los!"
Ramona grummelte leise, setzte sich aber in Bewegung.
„Entschuldigt uns", rief Fiero seinem Bruder und Francesca über die Schulter zu. Die zwei winkten ihnen und drehten sich um.

Fiero griff nach Noemis Arm. „Ramona wird krank", zischte er in ihr Ohr.
„Oh nein", hauchte Noemi besorgt und beäugte ihre Cousine.
„Es ist alles in Ordnung", brummte Ramona, wenn auch wenig überzeugend.
„Dann sollten wir den Abend wohl schnell hinter uns bringen", seufzte Noemi.

Sie erreichten den Ballsaal, wo sich das kleine Orchester, Signora Béguin und Tante Leonora bereits eingefunden hatten.
„Da seid ihr ja endlich!", rief Leonora erleichtert und rauschte mit der Tanzlehrerin auf sie zu. Auch sie hatten sich natürlich für den Abend schick gemacht; Signora Béguin trug eine dunkle Schnabelmaske und ein imposante schwarz-violettes Kleid, was sehr zu ihrer Persönlichkeit passte.

„Los los, aufstellen, Kinder, wir wollen die Gäste nicht ewig warten lassen." Signora Béguin scheuchte Fiero und Ramona Richtung Orchester und nahm sich Noemi an, welche ihnen noch rasch Glück fürs tanzen wünschte.
„Ich glaube ich muss brechen", ächzte Ramona. „Bitte nicht hier", erwiderte Fiero verzweifelt und packte sie an den Armen, nur um sie überfordert zu mustern. „Schaffst du den Tanz noch?"
„Wer weiß, vielleicht überrasche ich unsere Gäste mit einem extra Schritt des übergebens", seufzte sie und nickte schließlich leicht. Fiero drückte aufmunternd ihre Schulter.

Signora Béguin gab ihnen tatsächlich nicht viel Zeit, sie ließ die Gäste bereits wie einen Schwarm in den Ballsaal strömen. Die Leute tuschelten aufgeregt, natürlich lag alle Aufmerksamkeit auf dem jungen Paar. Dennoch schien keinem aufzufallen, wie Ramona eingefallen in Fiero's Arm hing.
Graf Medici rauschte durch die Menge auf sie zu und breitete in einer schwungvollen Drehung die Arme aus.
„Signore e signori!", rief er mit kräftiger Stimme und riss dabei aller Ohren und Augen auf sich.
„Vielen Dank, dass Ihr Euch zur Geburtstagsfeier meines zukünftigen Schwiegersohns", er legte Fiero eine Hand auf die Schulter, „dem dritten Kronprinz von England, Fiero Fountain, heute hier versammelt habt. Das alles ist für uns eine unglaublich erfreuliche Situation..."
Fiero ließ das italienische Geschwafel an sich vorbeirauschen und sagte nur ein paar mal was, als er dazu gebeten wurde. Auch Ramona blieb eher wortkarg. Ihr Vater schien zu spüren, dass es ihr nicht sonderlich gut ging, und hielt seine Rede kürzer als geplant.
„Meine wunderschöne Tochter und ihr zukünftiger Mann werden nun einen tollen einstudierten Tanz vorführen. Ich lasse mich ebenso überraschen wie Ihr, Ich habe nämlich noch nicht zugeschaut." Giulio zog einige Lacher auf sich und begann zu klatschen. Das war das Zeichen. Der Graf zog sich zurück und Fiero führte Ramona auf die Mitte der Tanzfläche. Sein Herz klappte ihm bis zum Hals, und er war sicher, dass es Ramona nicht anders erging.
Das Orchester begann zu spielen, und sie zu tanzen. Fiero gab sich alle Mühe, Ramona's Zustand zu kaschieren und ihre kleinen Fehler von der Menge zu verstecken. Es schien zu wirken, denn die Gäste klatschten und jubelten immer wieder.
Dann kam der schwierige Teil; der Schritt, bei dem Fiero Ramona in die Luft hob.
„Auf drei hebe ich dich hoch", zischte er ihr schwer atmend ins Ohr. Ramona nickte leicht. Er zählte an, fasste sie um die Hüfte und drehte sie mit Schwung mit sich. Die Gäste jubelten begeistert auf. Ramona schwankte, als sie wieder am Boden aufkam, fing sich aber schnell und ließ sich von Fiero dicht an sich ziehen.

Es war nicht geplant, aber plötzlich rannten Konran, Francesca, Noemi und ein Junge auf die Tanzfläche zu ihnen und gesellten sich in ihre Choreografie. Die Überraschung war allen anzusehen, aber es war der perfekte Zeitpunkt. Die drei Paare harmonierten miteinander, und nach und nach strömten mehr Gäste dazu, um mitzutanzen. Die Lieder änderten sich schon bald, und der Saal war gefüllt von ausgelassenen Tänzern und Tänzerinnen.

„Fiero!" In einer Drehung reckte der Prinz den Kopf zu Noemi, die ihm mit ihrem Partner näher kam. „Bring Ramona auf ihr Zimmer. Giulio weiß schon Bescheid."
Fiero stieß erleichtert einen Schwall Luft aus und blieb mit Ramona im Arm stehen. „Danke, ihr habt uns wirklich gerettet... aber ich glaube, du solltest mitkommen."
Noemi zögerte, tauschte einen Blick mit ihrem Partner. Der nickte bestätigend.
„In Ordnung. Lasst uns gehen." Noemi raffte ihr Kleid und hakte sich bei Ramona ein, ihr Partner gesellte sich ebenfalls zu ihnen. Zusammen bahnten sie sich möglichst unauffällig einen Weg an der Wand entlang bis zur versteckten Bedienstetentür und stahlen sich hinaus.

„Ramona, Liebes, wie geht es dir?", fragte Noemi sorgenvoll.
„Ich brauche einen Eimer und kühle Lappen wenn ich in meinem Zimmer bin", winkte Ramona erschöpft ab und riss sich die Maske vom Kopf.
„Wofür denn einen Eimer?"
„Ihr ist schlecht", mischte Fiero sich trocken ein.
„Oh." Noemi biss sich überfordert auf die Lippe.
Sie brachten Ramona auf ihr Zimmer, wo Noemi sich rührend um ihre Cousine kümmerte. Der Junge, der sich als Davide vorstellte, lief los, um einen Eimer und kalte Wickel zu besorgen.
Etwas unschlüssig stand Fiero neben Ramona's Bett, während Noemi ihre Stirn fühlte. „Ich glaube, sie bekommt Fieber", sagte sie an ihn gerichtet.
„Herrje..." Fiero hatte ebenfalls die Maske abgenommen und fuhr sich durchs Haar.
Die Tür öffnete sich, und mit Davide erschien auch der Graf mit einem sorgenvollen Gesichtsausdruck.
„Ramona, mein Schatz, was ist denn los?"
Giulio ließ sich auf der anderen Seite des Bettes fallen und griff nach der Hand seiner Tochter.
„Es ist alles bestens", versicherte Ramona.
„Sie kriegt Fieber", mischte sich Noemi ein, wofür sie sich einen säuerlichen Blick von ihrer Cousine einfing.

„Oh nein, das darf doch nicht wahr sein, ausgerechnet jetzt." Giulio rieb sich verzweifelt das Gesicht und winkte Davide mit den kalten Wickeln heran. Dann bedachte er die Jungen mit einem ernsten Blick.
„Gentlemen, am besten verlasst ihr nun den Raum. Fiero, wenn du dich schwach fühlen solltest, lass es uns wissen."
Fiero nickte und drückte noch schnell Ramona's Arm. „Gute Nacht", wünschte er, bevor er sich aufmachte.
„Ach, und Fiero?"
An der Tür drehte er sich nochmal um. Davide wäre beinahe in ihn hineingelaufen.
Der Graf schenkte ihnen allen ein Lächeln. „Ihr habt super improvisiert heute Abend. Ich bin stolz auf euch."
Fiero lächelte zurück. „Das haben wir Noemi zu verdanken."
Giulio drückte die Hand seiner Nichte und nickte ihm dann zu. Endlich konnten sie hinaustreten und schlossen die Tür hinter sich.

„Was ein aufregendes Kennenlernen", meinte Davide und grinste. Er offenbarte ein Lächeln mit einer Zahnlücke, was ihm mit den Sommersprossen und einer Narbe am Kinn einen passend verwegenen Ausdruck verlieh.
„Oh ja." Fiero seufzte. Sie gaben sich die Hand, und Davide verabschiedete sich.

Fiero huschte in sein Zimmer und ließ sich entkräftet auf sein Bett fallen. Er hatte es überstanden...

Die Prinzen von VenedigWhere stories live. Discover now