3. Haben Häuser Bewusstsein?

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»Ihr seid Mitbewohner?«, fragte Aramis zögerlich.
Minh und Livia warfen sich einen belustigten Blick zu. »Ich meine, wir teilen uns eine Wohnung, durchaus«, meinte Livia. »Aber unsere Wohnung hat nur ein Schlafzimmer mit einem Bett und keiner von uns schläft auf dem Sofa. Ich bin mir ziemlich sicher, das qualifiziert uns für mehr als Mitbewohner.«

Aramis murmelte eine Entschuldigung und senkte seinen Blick auf den Teller, doch Livia störte es nicht.
»Ich bin für das Studium durch das halbe Land gezogen und war auf Wohnungssuche, so haben wir uns kennengelernt«, erklärte sie. Damals war es noch eine WG mit einer dritten Studentin namens Dana gewesen, bevor Minh und Livia zusammengekommen und ausgezogen waren. »Wir haben per Zufall herausgefunden, dass wir beide Hexen sind. Eine witzige Geschichte, wir haben für ein halbes Jahr überraschend erfolgreich versucht es voreinander zu verstecken«, erzählte sie weiter, zwischen zwei Bissen. Minh verzog neben ihr das Gesicht. Es war wirklich ein Wunder gewesen, dass sie es nicht früher gemerkt hatten. Dana war die Hälfte der Zeit irgendwo anders gewesen und hat es vermutlich daher nie mitbekommen.

»Hast du auch den Zirkel gewechselt?«, fragte Margery nach beim nächsten Versuch die unangenehme Stille zu brechen.
Livia nickte. »Ich hatte unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten mit gewissen Mitgliedern was meinen Dating-Pool anbelangte und ich brauchte etwas Abstand von meinen Eltern. Dann bin ich einem lokalen Zirkel in der Nähe der Universität beigetreten«, meinte sie. Livia war mit zwanzig ausgezogen und konnte die Treffen mit ihren Eltern in diesen drei Jahren an einer Hand abzählen. Hätte sie sich weiter anhören müssen, dass ihre Bisexualität nur eine Phase war, wäre sie vermutlich ausgeflippt und ihre Eltern hatten einen starken Fokus, dass Livia ja trotzdem noch die Möglichkeit hatte einen Mann zu heiraten und eine Familie zu gründen. Die Mitglieder des neuen Zirkels war auch im Durchschnitt um einiges jünger. Beim Treffen des alten Zirkels traf man sich zu Tee und Kuchen oder Bruch und besprach alles Wichtige. Beim Neuen spielte man Gesellschaftsspiele, lachte viel und betrank sich nebenbei. Poker konnte recht intensiv werden wenn jegliche Art von Magie erlaubt war, vor allem wenn diese Magie von betrunkenen Hexen gewirkt wird. Hexenzirkel waren da, damit sich lokale Hexen treffen konnten um sich auszutauschen und sich gegenseitig mit der Magie zu helfen. Meistens standen die verschiedenen Zirkel der Umgebung etwas im Kontakt, aber die hatten nicht wie in Harry Potter ein Ministerium, das sich um alles kümmerte. Auch gab es keine Schule, Hexenkindern wird die Magie von den Eltern und den anderen Mitgliedern des Zirkels beigebracht. 

»Manchmal braucht man einfach etwas Freiraum«, meinte Calla und versuchte das Gespräch weiter am Laufen zu halten. »Minh, bist du vertraut mit der Magie deines Herkunftslandes?«
Minh räusperte sich. »Vietnam? Nein, ich wurde adoptiert, als ich fast noch ein Baby war. Meine Adoptiveltern selbst haben keine Magie.«

Die Grundsätze der Magie waren überall gleich, so war es Minh, die aus Asien stammte, auch möglich europäische Magie zu erlernen. Jedoch konnte die Ausführung schon in Europa von Ort zu Ort stark differieren, von anderen (und vor allem größeren) Kontinenten ganz zu schweigen.

Calla nickte. »Ich werde morgen zeigen, wo du mit den Schutzzaubern anfangen kannst«, sagte sie an Minh gerichtet und erinnerte sie nochmals, warum sie in erster Linie hier waren. Minh hatte eine (für Livia) unerklärbare Begeisterung für Schutzzauber und wurde deswegen von Calla kontaktiert, um herzukommen und die Schutzzauber am Haus zu erneuern. So war zumindest der Plan, aber als Minh erfuhr, dass sie und Livia für zwei Wochen mit kostenloser Kost und Logis da Ferien machen konnten, machten sie wohl ein wenig zu viele eigene Pläne.

»Die jetzigen Schutzzauber stammen noch vom alten Zirkel, der hat sich aber schon in den 70ern aufgelöst und umorientiert«, erklärte Calla weiter.
»Oh«, meinte Minh, »Livi und ich dachten, wir schauen uns morgen etwas die Stadt an. Es gibt eine Ausstellung in einem Museum, die ich unbedingt sehen wollte und die morgen endet.«
Calla sah sie etwas schroff an, sie schien es nicht zu mögen, wenn etwas nicht nach ihrem Willen ging
»Wir sind für zwei Wochen hier, da haben wir Zeit für alles«, versuchte es Livia versöhnlich.
»Normalerweise macht man zuerst die Arbeit und dann das Vergnügen«, antwortete Calla schnippisch. Von ihrem breiten Lächeln war keine Spur mehr, dafür warf sie Livia einen Blick zu, als hätte sie gerade das letzte Kuchenstück genommen.

Das Herz der HexenWhere stories live. Discover now