17. Livia macht schon wieder etwas Impulsives

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»Wieso ist das so kalt?«, beklagte sich Minh und sah zur offenen Kellertür, doch Laertes schob sie bereits zur Seite und sprang die Treppe herunter.
Minh warf ihrer Freundin einen unsicheren Blick zu, aber die war auch bereits auf der Treppe.

Sie holten Laertes ein, als er vor der letzten Tür wartete. In einer Hand hielt er eine große Taschenlampe, die er vermutlich irgendwo in seinem langen Mantel versteckt hatte, die andere Hand lag bereits auf der Klinke, dennoch öffnete er die Tür nicht. Stattdessen wandte er sich an Livia.

»Wie geht es ihr?«, fragte er.
»Sie... ist am Leben?«, antwortete Livia überfordert. Anders konnte sie es nicht ausdrücken. Laertes schnaubte abfällig.
»Ich weiß, dass Mina am Leben ist!«
Livia sah ihn wütend an. Er könnte einfach hereingehen und sich selbst davon überzeugen, aber nein, anscheinend will er zuerst von ihr einen Lagebericht.

»Wilhelmina ist also tatsächlich da unten?«, kam es von Minh und zog Livias Aufmerksamkeit auf sich, was gut war, da sie Laertes vermutlich sonst an die Kehle gegangen wäre.
»Ja«, antwortete Livia und versuchte ihre eigenen Erkenntnisse zu erklären, »Wilhelmina ist das Herz. Sie ist mit dem Haus verbunden und versorgt es mit Magie. Der Keller scheint dabei von der Zeit abgekapselt zu sein, hier unten vergeht keine Zeit.« Der Lichtpegel von Laertes Taschenlampe war auf die Tür gerichtet, aber die Lichtquelle reichte gerade aus, dass Livia sehen konnte, wie verschiedene Emotionen über Minhs feine Züge huschten, während sie versuchte, die letzten Minuten zu verarbeiten.

Sie strich sich das schwarze Haar aus dem Gesicht und befeuchtete die Lippen bevor sie fragte: »Ist diese Zeitdifferenz der Grund für die Kälte hier unten?«
Livia lächelte schwach. »Man kann Energie für Magie in Form von Wärme aus der Umgebung gewinnen, ich glaube, das ist der Grund«, überlegte sie.
Minh sah sich im Gang um. »Ich weiß, aber so etwas ist extrem.«
»Das ist, weil es nicht normal ist, noch ein ganzes Haus mit Magie mitversorgen zu müssen«, meldete sich Laertes wieder in einem abfälligen Ton.

Livia fuhr zu ihm herum, mittlerweile hatte sie die Nase voll von seinem Verhalten. »Öffne jetzt diese verdammte Tür oder ich sorge dafür, dass du so kurz vor deinem Ziel stirbst, und glaube mir, ich kriege das schon irgendwie hin!«, fauchte sie.
Laertes sah sie noch eine Sekunde trotzend an, bevor er die Schultern straffte und endlich die Tür öffnete.

Seit ihrem letzten Besuch, vor nicht einmal 24 Stunden, hatte sich nichts geändert. Die Kerze auf dem Hocker war keinen Zentimeter weiter runtergebrannt, Wurzeln ragten aus der Decke und schlangen sich den Wänden herunter und inmitten der Wurzeln kniete Wilhelmina mit ihrer dürren Gestalt und dem schneeweißen Haaren. Nur befand sie sich dieses Mal in einer aufrechteren Position und beobachtete die drei Eintretenden.

»Mina!« Laertes war augenblicklich vor ihr auf den Knien und nahm ihr Gesicht in seine Hände. Er küsste sie und lehnte seine Stirn an ihre, während mit dem Daumen sanft über ihre Wange strich.
»Endlich«, murmelte er, »ich hole dich hier raus... ich hole dich hier raus!«
Livia sah zu Minh, die sich geschockt im Raum umsah.
»Sie war 400 Jahre hier unten?«, flüsterte sie schließlich. Livia nickte und sah, wie Wilhelmina an ihren Wurzel-Fesseln zog und versuchte ihre Handgelenke freizubekommen.

»Helft mir«, meinte Laertes, während er sich mit den Wurzeln um Wilhelminas Hals zu schaffen machte.

Eilig trat Livia neben Laertes und griff nach den Wurzeln um ihr Handgelenk. Doch bevor sie etwas machen konnte, warf Wilhelmina den Kopf zurück.

»Es hat keinen Sinn«, sagte sie mit rauer Stimme. »Du kannst dem Haus nicht das Herz entreissen. Das lässt es nicht zu.«

Livia erschauderte, hatte Aramis doch recht gehabt. 

»Ich hole dich hier raus«, erwiderte Laertes und legte seine Hand auf ihre Wange. »Das habe ich mir geschworen, ich habe deinem Vater und deinen Schwestern geschworen auf dich aufzupassen. Ich habe Jahrhunderte für dich gekämpft.«

Das Herz der HexenWhere stories live. Discover now