[TWELVE]

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> Cigarette Daydreams - Cage The Elephant <




Als der Schiedsrichter zur Halbzeit pfiff war Giulia die Erste, die aufsprang und mich mit sich zog. Schon die letzten 10 Minuten hatte sie gequengelt, dass sie aufs Klo müsse, wollte aber nicht gehen, da sie Angst hatte ein Tor von Luka zu verpassen. Nachdem wir nach mehreren Minuten Suchens die Toilette endlich gefunden hatten, gingen wir im Anschluss noch einmal zum Buffet des VIP-Bereichs. Während des Spiels war auch mir der Hunger gekommen, weshalb ich mir lächelnd etwas Kartoffelsalat nahm. Giulia griff hingegen lieber zu einem Schoko Muffin, den sie ohne zu zögern direkt verschlang, als wir uns an einen Tisch gesetzt hatten. Grinsend beobachtete ich sie dabei und aß selber mein Gericht. Nichts war besser als Kartoffelsalat. Ich liebte es einfach und könnte es wirklich jeden Tag essen. Umso glücklicher war ich, als ich gesehen habe, dass sie diesen hier anboten.

"Schießt ujak Luka heute noch ein Tor?", begeistert sah die 4 Jährige zu mir. Noch viele Schokokrümel waren um ihren Mund verteilt, was mich schmunzeln ließ. Als Antwort zuckte ich jedoch nur mit meinen Schultern: "Weiß ich nicht... Aber er wird es bestimmt versuchen!". Mit einem Lächeln gab sich die Kleine zufrieden und wartete, bis ich aufgegessen hatte. Im Anschluss suchten wir wieder unsere Plätze auf, da beide Mannschaften das Spielfeld bereits  betraten. Während Giulia und ich weg waren, hatte Filip sich anscheinend mit Nele unterhalten, da Beide gerade über irgendetwas Fußballerisches fachsimpelten. Ich hielt mich direkt da raus. Ich bin schon froh, dass ich weiß, was Abseits ist. Das hab ich zwar auch nur Filip zu verdanken, aber immer noch besser als garnichts.

"Ist der Blonde dort Julian Brandt?", unterbrach ich schließlich doch Beide, da ich mich erstens wieder auf meinem Platz setzten wollte und Filip diesen blockierte und zweitens mich das bereits seit der ersten Halbzeit interessierte. "Du kennst Jule?", fragend sah Nele zu mir, woraufhin ich nickte. "Hab ihn vor circa 3 Jahren oder so bei Olympia kennen gelernt. War ganz nett, haben aber nicht sooo viel am Hut gehabt. Nur auf dem Rückflug hab ich ihn so wirklich kennen gelernt beziehungsweise Zeit mit ihm verbracht.", erklärte ich. Mit erstauntem Blick sah sie zu mir: "Olympia?" - "Ich schwimme.", antwortete ich kurz und knapp, "Also ich arbeite auch noch richtig, aber ich bin nebenbei noch professionelle Schwimmerin.", fuhr ich fort.

Man könnte zwar meinen, dass man mit einer Olympischen Goldmedaille, einen Weltrekord und auch Medaillen bei Europa- und Weltmeisterschaften genug Geld haben müsste. Aber das stimmt leider nicht. Zwar bekomme ich Preisgeld bei manchen Wettbewerben und auch der deutsche Schwimmverein verspricht mir Siegprämien. Dennoch reichen diese noch lange nicht aus, um dauerhaft davon leben zu können.
Das war auch der ausschlaggebende Punkt, weshalb ich trotz meiner aktiven Karriere bereits in die Berufswelt gestartet bin. Mein Traumberuf stand schon lange fest, dennoch war ich mir aufgrund meiner Karriere unsicher, ob ich ihn direkt in diesen einsteigen würde. Das Studium dafür hatte ich bereits in den USA absolviert. 4 Jahre "Social Work" an der University of Texas in Austin. Es waren auf jeden Fall die vier ereignisreichsten Jahre meines Lebens und das nicht nur wegen des Schwimmens.
Zurück in Deutschland wurde mein Abschluss jedoch nicht anerkannt. Ein Semester musste ich deshalb ab Oktober letzten Jahren noch einmal wiederholen, um anschließend auch endlich in Deutschland meinen Traumjob ausführen zu dürfen.

Schon mit 9 Jahren wusste ich, was ich später mal werden möchte. Luka's Kindheit hat mich dazu bewegt und mir gezeigt, wie wichtig so eine Arbeit überhaupt ist. Und 12 Jahre später steh ich nun hier: Habe eine professionelle Sportlerkarriere auf der einen Hand und einen Job als Sozialarbeiterin auf der anderen. Momentan arbeite ich in einem Kinderheim meines momentanen Wohnortes Wuppertal. Ich unterstütze aber auch die Flüchtlingshilfe und viele weitere Soziale Vereine der Region, besonders den Kindern stehe ich dabei zur Seite. Denn die sind diejenigen, die oftmals vergessen und vernachlässigt werden. Obwohl gerade sie die Aufmerksamkeit, Bildung und Betreuung brauchen. Bereits als ich klein war und Luka in Serbien kennengelernt hatte, ist mir das klar geworden. Somit hatte er den Grundstein für meine spätere Karriere gelegt.

➳ 𝐓𝐈 𝐀𝐌𝐎 | Leon GoretzkaWhere stories live. Discover now