Kapitel 21- Am Leben

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POV. Lars (einige Tage vorher)

Das letzte, an was sich Lars erinnerte war die Dunkelheit, die Kälte, die ihm empfing, als er auf das Wasser des weiten Ozeans traf. Cynthias Blick... er schien sich förmlich in sein Gehirn gebrannt zu haben. Er wollte nicht, dass sie wegen ihm Tränen vergoss...

Dann wurde alles schwarz.

Das nächste, was er wahrnahm war Wärme. Blinzelnd öffnete er seine Augen. Er lag in einer Decke gewickelt in einem kleinen Raum. Kaum merklich schwankte der Boden unter im. Der Eisbär schlug die Decke zurück und schwang sich zur Seite. ,,Au!", fluchte er leise und hielt sich den Kopf. Alles schien sich zu drehen, aber auch sein Körper fühlte sich schwach an. Was ist nur geschehen? Wie kam er hier her? Bevor er weiter darüber nachdenken konnte, wurde die Tür zu seinem kleinen Raum zur Seite geschoben. Herein trat eine große Gestalt mit mürrischem Blick. Er hatte längere, braune Haare. Auf seinem Kopf waren zwei, eckige Ohren. Die grünen Augen schienen ihn abschätzig zu mustern, doch dieser Dyrman sagte nichts, noch nicht. In seiner Hand hielt er eine Schüssel mit einer dampfenden Flüssigkeit, vermutlich Suppe.

Der Fremde brummte kurz, dann trat er näher und drückte Lars die Suppe in die Pfoten. ,,Iss!", forderte er ihn nur auf. Vorsichtig musterte Lars das Gebräu, was nur ein genervtes Brummen des anderen hervorbrachte. ,,Ich werde dich schon nicht vergiften, nachdem ich dich aus dem Wasser gefischt habe. Hast ganz schön Glück gehabt, Kleiner!" Mit großen Augen sah der Eisbär auf. Der Fremde seufzte wieder genervt. ,,Ich bin Fenn Reu Lai, Löwe, Kapitän Lai reicht. Du bist auf dem ,,weißen Baron", mein Schiff. Ich war während des Sturms draußen unterwegs... frag nicht warum. Währ ich nicht gewesen, währst du jetzt tot!" Lars schluckte nach der kurzen Vorstellung. ,,Da... danke," stotterte er und sah zu Kapitän Lai auf. ,,Ich... ich bin Lars Holtemeier, Eisbär." Der Löwe nickte nur und drehte sich wieder um, um nach draußen zu gehen. ,,Ess etwas. Du brauchst die Stärkung!", meinte er noch, ehe er ganz die kleine Kajüte verließ. Lars sah die Suppe skeptisch an, nahm dann aber ergeben den Löffel in die Pfote.

Als er später aus der Kajüte trat und sich seinen Weg an Deck suchte, fand er sich auf einem relativ großen Schiff wieder. Es war groß genug, damit es zumindest nur von ein bis zwei Personen manövriert werden konnte. Also groß genug für Kapitän Lai. Lars sah sich suchend um und fand den Kapitän schließlich über ihn hinter dem Steuerrad. Erst zögerte er, doch schließlich erklomm er die Stufen nach oben, bis er sich vorsichtig dem Löwen näherte. Eine Frage, die ihm die ganze Zeit durch den Kopf schwirrte war, was eine Katze auf dem Wasser machte, doch irgendwie traute er sich nicht das zu fragen. Das war auch er Grund, warum sich einfach weiter umsah. Sein Blick glitt über das weite Blau. Von hier unten konnte er nicht so weit sehen, als aus dem Zeppelin, doch auch das reichte ihm. Er wich von der Rehling zurück. Je weiter weg er von dem kühlen Nass war, desto besser. Ein kalter Schauder lief ihm über den Rücken bei den Gedanken daran, dass er eigentlich ertrunken wäre.

,,Wohin fahren wir?", fragte Lars nach einer Weile und durchbrach so die Stille, die sich zwischen den beiden Dyrman aufgebaut hatte. Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, antwortete ihm Kapitän Lai. ,,Atlantis. So weit, wie ich das sehe, bist du noch neu. Auch wenn ich es hasse, ist es meine Pflicht, dich dort hin zu bringen," brummte er und nahm einen Zug von seiner Pfeife. Kurz fragte sich Lars, wo diese auf einmal herkam, doch er fragte lieber nicht. ,,Danke... nochmal!" Der Kapitän machte nur ein abfälliges Geräusch. ,,Ist nicht so, als hätte ich eine Wahl," grummelte er. Verwirrt legte Lars seinen Kopf schief. ,,Du hattest eine Wahl! Du hättest mich auch ertrinken lassen können, doch du hast dich dazu entschieden mich zu retten...", bevor Lars weiterreden konnte, unterbrach der Löwe ihn. ,,Wenn du nicht gleich die Klappe hältst, schwimmst du!" Mit blitzenden Augen sah er Lars an, der sofort verstummte. Ergebend hob er seine Pfoten und machte schnell einen Schritt zurück. Der Löwe seufzte und konzentrierte sich weiter auf sein Schiff. ,,Ruh dich aus! So lange brauchen wir nicht mehr!"

Als sie in den Hafen von Atlantis einliefen, kam der junge Eisbär aus dem Staunen nicht mehr raus. So viele neue Eindrücke, so viel neues zu entdecken. Sobald sie angelegt hatten, nutzte er seine Chance und sprang von dem Weißen Baron auf den befestigten Steg. ,,Mach Langsam, Kleiner!", rief ihm Kapitän Lai nach. ,,Es mag zwar alles so neu und atemberaubend wirken, glaub mir, ich war auch mal klein, aber allein ist das hier sau gefährlich!" Ungläubig sah Lars den Löwen an, blieb aber stehen. Etwas steif kletterte Lai über die Rehling und anschließend auf den Steg, die Pfeife fest zwischen den Zähnen klemmend. Auf Lars wirkte diese Scene so unwirklich. Er hatte sich Katzen und somit auch Löwen immer als hochelegant gesehen im Gegensatz zu ihm. Wie sollte er mit seinen Tatzen schon elegant sein?

Kapitän Lai führte den jungen Dyrman die Gassen weiter. Er ließ immer eine Hand auf dem Rücken des Eisbären, um ihn zu leiten. Ein leichtes unwohles Gefühl stieg in ihm auf. Er war ihm zwar dankbar, dass der Löwe ihm das Leben gerettet hatte, aber wirklich vertrauen tat er ihm nicht. Irgendwas fühlte sich einfach falsch an. Dieses Gefühl überschattete alles andere. Die bunten Farben des Marktes und seine noch bunteren Besucher nahm er gar nicht wirklich war. In seinem Kopf schwirrten nur zwei Gedanken: ,,Wie komme ich zu den anderen?", denn er wusste, dass sie hier auch irgendwo sein mussten, und ,,Was geht hier eigentlich vor?"

Lange musste er sich das jedoch nicht mehr fragen. Sie stoppten an einem der Stände. Dieser wirkte dunkel, geheimnisvoll. Neugierig musterte Lars den Stand und deren Leute, die darinsaßen. Es waren drei Personen, alle mit irgendwelchen dunkelroten Roben an. Der Stand war komplett leer, nur ein Tisch stand vor ihnen, auf dem ein einzelnes, dickes Buch lag. Fenn Reu wandte sich an diese Gestalten. ,,Also... Einen jungen Dyrman, noch nicht eingetragen. Wie viel?" Verwirrt sah Lars ihn an. Es war klar, dass der Löwe von ihm sprach, jedoch verstand er nicht ganz warum. ,,Ist er zweifelnd?", fragte eine der Gestalten mit dunkler Stimme. Genervt nahm der Kapitän seine Pfeife aus dem Mund. ,,Hört zu, ich weiß es nicht! Nehmt ihn und lasst mich in Ruhe!" Vorsichtig machte Lars einen Schritt zurück, doch stieß gegen etwas. Als er aufsah, erkannte er eine der Roben- Gestalten. ,,Wir nehmen ihn!", meinte die Gestalt, die mit dem Löwen geredet hat und nickte der hinter Lars zu. Dieser packte ihm am Arm. ,,Wir führen dich zur Zählung," brummte dieser. Noch bevor Lars etwas erwidern konnte, spürte er etwas spitzes an seinem Hals und wieder wurde alles schwarz.

Das nächste Mal, als er erwachte, saß er in einem Raum, an einem Stuhl gefesselt. Sein Schädel brummte, als er eine der Stimmen im Raum wahrnahm. ,,Die Betäubung lässt nach!" Damit trat eine der Gestalten in sein Sichtfeld. Sie war klein und ebenso in eine Robe gehüllt, wie die Leute auf dem Markt. ,,Also Kleiner. Du kannst uns helfen dir zu helfen, oder es wird schmerzhaft!", meinte die Gestalt. Verwirrt blinzelte Lars sie an. Die Gestalt seufzte einmal und nahm seine Kapuze ab. Darunter war ein kleiner Mann, braune, kurze Haare, kastanienbraune Augen mit eckiger Pupille und zwei Hörnern auf dem Kopf. Lars erste Intuition sagte Teufel, doch langsam erkannte er das Tier: eine Ziege. Das alles half ihm jedoch nicht, weswegen er immer noch verwirrt zu ihm sah. Der kleine Mann seufzte und holte etwas aus seiner Tasche. Es war eine Münze die an eine Kette gebunden war. ,,Also Kleiner," begann der Ziegen- Dyrman. ,,Du bist hier bei uns in Sicherheit. Wir können dir helfen, wieder zu einem Menschen zu werden, denn das ist, was wir machen. Du musst nur loslassen..." Während er sprach ließ er die Münze vor Lars pendeln. Er wollte nicht darauf hören, doch es schien ganz automatisch zu passieren. Kurz bevor er ganz in Trace war, sah er eine weitere Person mit blonden Haaren auf einen Stuhl gefesselt gegenüber von ihm sitzen, bewusstlos. Er wollte sich wehren, kämpfen, wach bleiben, doch sein Körper hörte nicht mehr auf ihn. ,,Gut!", schien ihn der Mann vor ihm zu loben. ,,Dann können wir ja weiter machen!"

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