Day 13

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>>Was meinst du?<<

Enthusiastisch stemmte der Junge vor mir die Hände in die Hüften und drehte sich mit einer lodernden Flamme in den Augen zu mir um. Beide hatten wir uns in dem winzigen Badezimmer des Wohnmobils zusammen gedrängt und standen nun so dicht beinander, dass sich unsere Knöchel beinahe miteinander verkeilten. Ich versuchte mir das ganze vorzustellen. Ein zusammengemischter Ball aus lebendigen Gliedmaßen und Menschenfleisch. Ekelhafte Vorstellung.

>>Du siehst ... Anders aus. Gut ... Du siehst gut aus. Ich muss mich nur erst an diesen Anblick gewöhnen.<<, gestand ich wahrheitsgemäß.

Mein kritischer Blick musterte ihn von oben bis unten. Es war in der Tat eine Veränderung, an die man sich erst gewöhnen musste. Die helle, luftige Kleidung, welche er nun trug, die silbern glänzenden Piercings in seinem Gesicht und sein weiches, dichtes Haar. Letzteres hatte noch heute morgen einem Sack voller Kohlen entsprochen, jetzt jedoch schimmerte es im Sonnenlicht in der Farbe frischer Schneeflocken. Weiß. Sein Haar war vom Ansatz, bis hinuter in die Spitzen vollkommen weiß. Als ich in den kleinen Mülleimer unter dem Waschbecken blickte, konnte ich noch immer die schwarzen Schlieren an den durchsichtigen Einweghandschuhen erkennen.

>>Ich hätte nicht gedacht, dass dieses Zeug wirklich funktioniert.<<, erwiderte ich nach einem Moment des stummen Starrens und deutete mit einem Kopfnicken auf das Kosmetikfläschchen auf dem Rand des Waschbeckens.

"Hyper-Haarentfärbungsmittel" So wurde das Produkt angepriesen. Klang nicht sehr vertrauenswürdig, wenn man mich fragte.

>>Wer weiß, vielleicht schwillt nach ein paar Stunden meine Kopfhaut an und ich bekomme einen Birnenschädel ... <<

Der Andere sprach das ganze mit einem lässigen Schulterzucken aus, so als wäre es das normalste der Welt. Ich konnte nicht anders, als zu lachen und hörte nun auch mein Gegenüber kichern.

>>Wie die rote Königin in "Alice im Wunderland"?<<, fragte ich und sah ihn nicken.

>>Ganz genau, wie die alte Schachtel.<<

Unser beider lachen vermischte sich miteinander und ich konnte den Gedanken nicht stoppen, dass sich unsere Stimmen perfekt ergänzten. Zusammen ergaben wir eine einzigartige, vollkommen außergewöhnliche, perfekte Kombination.

Noch immer schmunzelnd wandte sich der Schwarzhaarige wieder dem Spiegel vor uns zu und kämte sich prüfend mit den Fingern durch das schneeweiße Haar. Eine Weile lang betrachtete ich stumm das Geschehen. Toya wirkte so unglaublisch gelassen. Seine Gesichtszüge waren unbeschwert, seine Bewegungen flüssig und er summte gedankenverloren eine langsame Melodie vor sich hin, die mir nicht bekannt vorkam.

Es war merkwürdig. Diese Reaktion passte kein bisschen zu der Bitte, die er mir gegenüber heute morgen geäußert hatte.

>>Bist du nicht nervös?<<

Ich war es. Schon seit ich von unserem heutigen Ziel erfahren hatte, saß ich wie auf glühenden Kohlen. Durch den Spiegel hindurch betrachtete mich der Andere und zog fragend eine Braue hoch.

>>Natürlich bin ich das.<<, antwortete er mit einer Ruhe in der Stimme, welche mich an seiner Aussage zweifeln ließ.

>>Ich frage nur, weil du so gelassen wirkst. So ... Ganz und gar nicht nervös.<<, versuchte ich zu erklären.

Er schnalzte nur mit der Zunge und drehte sich dann zu mir um. Ich hatte das Gefühl, dass gleich eine große Rede folgen würde, doch er sagte nur ein einziges Wort.

>>Schau.<<

Danach reckte er seine Hände in die Höhe und hielt sie in meine Richtung. Sie zitterten. Ein Detail, welches mir zuvor entgangen war.

14 Days Of SummerWhere stories live. Discover now