Alex - ein braver Junge

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Wie es Elias wohl ging? Gestern hatte er ja überhaupt nicht gut ausgesehen. Gedanken verloren pustete ich, in die Tasse in meinen Händen, und nippte daran. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich noch etwa zwei Stunden zeit hätte, bis ich mich auf den Weg zu meiner Gran machen sollte. Eigentlich konnte ich diese ganz geschickt dazu nutzen, um ihr aus dem Geschäft von Elias, irgendwas Süßes mitzubringen. Sie würde sich bestimmt freuen, immerhin liebte sie Schokolade. Froh, endlich einen vernünftigen Vorwand zu haben, Elias zu besuchen, erhob ich mich und verließ mein Büro. Beim Rausgehen legte ich der Sekretärin noch ein paar Briefe zum Abtippen hin und verabschiedete mich für den heutigen Tag.
Für Montagnachmittag herrschte kaum Verkehr, so kam ich kurze Zeit später vor seinem Café zum Stehen. Und drinnen würde mich heute kein Tom erwarten, war das nicht herrlich?

Voller Elan stieg ich also aus und ging auf die Tür zu. Hmmm ... durch das Schaufenster war kein Mensch zusehen und die Lichter brannten auch nicht. Bei der Tür angekommen studierte ich erst mal die Öffnungszeiten und tatsächlich, Elias hatte heute wirklich geschlossen.
„Scheiße ...", fluchte ich und fuhr zusammen, als ein Lachen hinter mir erklang. Überrascht fuhr ich herum und blickte in das lachende Gesicht von Anna. „Hat er schon immer montags zu?" Versuchte ich, die peinliche Situation zu überspielen. „Ich wollte nämlich nur meiner Gran Kuchen kaufen.", erklärte ich ihr mein Erscheinen. Nachdem sie Tom und mich gestern aus der Wohnung geschmissen hatte, war es also nicht sehr ruhmreich, heute erneut hier vor ihr aufzuschlagen. „Ja genau ...", verkündete sie skeptisch und glaubte mir kein Wort. Gut, bei dieser Ausgangslage hätte ich mir wohl auch nicht geglaubt. „Und ja ...", machte sie weiter, ohne eine Antwort zu erwarten. „... montags hat Elias schon immer geschlossen. Wenn du mir versprichst dich zu benehmen, nehme ich dich aber kurz mit rauf."
„Hey ...", ich hob abwehrend die Hände. „Musst du nicht, ich wollte wirklich nur Kuchen holen!"
„Ja ... ist klar! Jetzt komm schon, Elias wird sich bestimmt freuen!", erwiderte sie und ich zweifelte daran, ob sie ihren Bruder wirklich kannte. „Das glaub ich weniger ...", murmelte ich vor mich hin, aber Anna schien mich trotzdem gehört zu haben. „Etwa ein schlechtes Gewissen?", wollte sie wissen und wackelte mit ihren Augenbrauchen. „Etwas ...", gab ich zu. „... aber ehrlich, ich kann doch gar nichts dafür! Blondie führt sich immer auf, als wäre ich der Gehörnte... emm... der Teufel meinte ich.", setzte ich noch schnell nach, da Anna bereits zu kichern begann. „Er möchte Elias doch nur beschützen und du bist nun mal ein ganz böser Junge.", fügte sie lachend hinzu und schlug mir mit der freien Hand gegen den Oberarm. „Also, sei kein Schlappschwanz und komm mit hoch! Wir beide wissen, dass dich nicht der Kuchen hergeführt hat, aber keine Angst ich werde es Elias schon nicht verraten, außerdem hat er bestimmt noch Kuchen für deine Gran, sollte das tatsächlich stimmen!"

Also war ich zur Abwechslung ein braver Junge, folge ihr zur Hintertür und nahm ihr ihre Tüte ab, während sie aufschloss. Die Tüte war verdammt groß und schwer und roch verdächtig nach chinesischem Essen.
„Soll Elias das alles Essen?", spottete ich etwas über ihren Übereifer. „Tzzz ...", zischte sie mich an, bevor sie: „Schaden würde es nicht, er sieht so mager aus!", hinzufügte.

Sie hatte endlich das Schloss aufbekommen und ich folgte ihr brav die Treppe rauf. Auch oben öffnete sie die Tür, ohne zu läuten.
„Und was, wenn er jetzt grade nackt durch die Wohnung läuft?", fragte ich etwas irritiert. Hätte ich eine Schwester, die einfach so in mein Reich platzen würde, ohne Vorankündigung, ich würde ihr den Hals umdrehen.
„Dann wäre heut wohl dein Glückstag!" Grinsend sah sie über die Schulter und zwinkerte mir zu. „Aber mach dir mal nicht allzu viele Hoffnungen, als ich ging, war er bereits angezogen ... und so exhibitionistisch veranlagt ist mein Bruderherz nicht, das er bei jeder sich bietenden Gelegenheit nackig durch die Gegend spaziert!"
Kopfschüttelnd und kommentarlos folge ich ihr einfach den Flur entlang. Sie ging direkt ins Wohnzimmer und ich ihr nach. Auf dem Sofa saß Elias in Jogginghose und Pulli, mit total verstrubbelten Haaren, als wäre er grade dem Bett entsprungen, und las in einem Buch. Eine Strähne seiner langen Haare hing ihm ins Gesicht und nicht zum Ersten mal hatte ich das Verlangen danach zu greifen.
„Bin wieder da und schau mal, was für einen Streuner ich draußen aufgegabelt habe!", rief sie in voller Lautstärke, so dass Elias erschrocken herumfuhr. „Gott ... Anna ... mach das nie wieder!" Dabei griff er sich immer noch total erschrocken an die Brust. „Alex ...?", entkam es ihm nun überrascht und etwas krächzend zugleich und er begann, zu hustete. Schien dem Guten immer noch nicht so wirklich gut zu gehen. Ich hätte drauf bestehen sollen, ihn zum Arzt zu bringen.
„Wie geht's dir denn?", fragte ich ihn immer noch etwas verlegen in der Tür stehend und kam mir wie ein Eindringling vor.
„Na ja ... ich lebe noch...", wiegelte er ab. Anna packte derweil das chinesische Essen aus und verteilte es auf dem Wohnzimmertisch. „Du isst bestimmt auch mit!", wandte sie sich an mich. „Emm ... nein ich muss eigentlich auch gleich wieder los.", versicherte ich und wäre am liebsten rückwärts wieder nach draußen geflohen.
„Das wäre jetzt aber echt unhöflich!", konterte sie, ohne von ihrer Arbeit aufzusehen. „Elias, Alex braucht Kuchen für seine Oma, deswegen ist er hier und nicht etwa, weil er es keinen Tag ohne dich aushält. Du hast doch bestimmt noch was unten?", setzte sie netterweise noch einen drauf.
„Was brauchst du denn?" Wenigstens Elias schien mir zu glauben. „Keine Ahnung, ob noch viel Auswahl da ist, ich war ja gestern nicht unten.", richtete Elias an mich.
„Kein Problem. Ist ja nicht so schlimm, vielleicht das nächste Mal!", winkte ich ab.
„Was mag deine Oma denn?", hackte Elias dennoch nach.
„Alles, was mit Schokolade zu tun hat ... ,aber du musst nicht extra was Suchen gehen!", fügte ich noch an, weil Elias Anstalten machte, sich zu erheben. Ihn jetzt krank rumhetzen zu lassen war eigentlich nicht meine Absicht gewesen.
„Elias, setzt dich wieder!", befahl Anna auch schon ihrem Bruder, die gerade mit Tellern und Besteck aus der Küche kam. „Ich schau runter, ob ich was Passendes finde, und ihr fangt einfach schon mal mit dem Essen an. „Alex, jetzt setz dich doch endlich!", richtete sie noch am vorbeigehen an mich und ging bereits wieder zur Tür hinaus.

Schmeiß die Cupcakes an die Wand (Capcakes 1)Where stories live. Discover now