Elias - vor meiner Tür

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„Lila, du kannst Feierabend machen! Den Rest schaff ich schon allein." Seit Stunden standen wir nun schon in der Küche und arbeiteten Hand in Hand. Seit dieser großen Gala konnte ich mich vor Aufträgen kaum noch retten. Bald würde ich um einen dritten Bäcker oder Konditor nicht mehr herumkommen.

Vor einer Stunde wurde wieder ein großer Auftrag mit Kuchen, Stollen, Plätzchen und Pralinen, für ein Nikolaus Event in der Innenstadt, abgeholt. Gott sei Dank, musste ich dieses Mal nicht selbst los. Draußen sah es seit Tagen richtig trostlos aus. Es war kalt und regnerisch, hin und wieder kam Schneeregen hinzu. Heute war Freitag, der 6. Dezember, über Schnee hätte ich mich eindeutig mehr gefreut.
„Alles klar, mein Schatz. Mach dir einen schönen Abend", dabei nahm sie ihre Schürze ab, kam auf mich zu und umarmte mich zum Abschied. Nur noch die Spülmaschine ausräumen, dann konnte ich endlich rauf in meine Wohnung und die Füße hochlegen. Ein Bier trinken und unter die Bettdecke kriechen, in der Hoffnung traumlos zu schlafen, damit der nächste Tag genauso von vorne beginnt und genau so endet. Die viele körperliche Arbeit tagsüber und oft in die Nacht hinein tat gut. Half beim Ablenken. Und die Nächte gingen auch irgendwann vorüber.

Grade war ich dabei einen Teller aus der Maschine zu holen, da ertönte ein Schrei, der mir durch Mark und Bein ging. Vor Schreck ließ ich den Teller fallen und lief schon im nächsten Augenblick los.
Ich bog grade ums Eck, da sah ich lila kreidebleich in der Tür stehen. „Was ist passiert?", fragte ich mit rasendem Herzen. War mir der Grund für ihr Erschrecken immer noch nicht ersichtlich, da sie in der Tür stand. „Daha ... daha ...", stotterte sie und zeigte ins Freie. Ich schob mich an ihr vorbei, um endlich zu sehen, auf was sie da deutete. Vor uns saß, auf der untersten Stufe, ein Kerl, der ebenfalls mit vor Schreck geweiteten Augen zu uns hinauf sah.
„Alex?!", entkam es mir entsetzt. Dieser saß, eine Flasche fest umklammernd, ohne Mantel, nur in einem Hemd, im Schneeregen. Selbst seine Lippen schimmerten bereits bläulich. „Was ist passiert? Wieso hast du nicht geläutet?" Ich stieg die Treppe hinab und ging vor ihm in die Hocke. Alex saß weiterhin nur da und sah mich aus großen Augen an. „Du kennst diesen Mann?", kam es völlig überrascht von Lila. „Ja, das ist Alexander Römer, der Anwalt.", erklärte ich ihr.
„Was machst du denn bei diesem Mistwetter hier draußen? Du holst dir noch den Tod.", schimpfte ich weiter auf ihn ein, in der Hoffnung endlich eine Reaktion zu erhalten.
„Isch ... wuschtenich wohin hicks ...", nuschelte er sehr verwaschen mit seinen vor Kälte bebenden Lippen. Eine Alkoholfahne schlug mir entgegen, dass ich meinte, allein davon besoffen zu werden.
„Scheiße, Alex! Hast du eine ganze Schnapsbrennerei leer gesoffen?" Da ich mal wieder keine Antwort bekam, griff ich nach seinem Arm und zog ihn hoch. „Komm, ich bring dich nach Hause! Du brauchst dringend eine heiße Dusche." Er war wirklich schon ganz kalt und komplett durchnässt. Lila stand auf einmal neben mir und reichte mir eine Decke. Während ich mich bedankte, wickelte ich Alex bereits in diese. „Gibst du mir die Falsche?", bat ich ihn.
„Neeein ... meeeeinss ..." Dabei klammerte sich mein Anwalt nur noch fester an der Whiskyflasche fest, drückte sie sich an die Brust und unterstrich alles mit einem Kopfschütteln.
„Bitte Alex, du brauchst sie doch nicht mehr.", versuchte ich es noch mal mit gutem Zureden, doch er schüttelte nur noch panischer den Kopf. „Okay ...", gab ich diesen Versuch auf. „Dann gehen wir mit der Flasche zu meinem Wagen da vorne.", schlug ich vor und bugsierte ihn in die richtige Richtung. Kaum das er auch nur einen Schritt wagte, taumelte er schon und fiel mir gegen die Brust. Viel hätte nicht mehr gefehlt und wir wären beide zu Boden gegangen. „Lila kannst du mir kurz helfen?", krächzte ich über die Schulter und versuchte, gleichzeitig Alex zu stützen. Mit vereinten Kräften hatten wir ihn dann, gefühlte Stunden später, endlich am Beifahrersitz verstaut und angeschnallt.
Ich bedankte mich noch kurz bei Lila für ihre Hilfe, holte Geldbeutel, Handy und Schlüssel und stieg ebenfalls ein. Alex schien in dieser Zeit eingeschlafen zu sein. „Ja genau, schlaf deinen Rausch aus! Dann kannst du mir wenigstens, nichts ins Auto kotzten!", fuhr ich an, auch wenn er mich nicht hören konnte. Frustriert startete ich das Auto und fuhr los. „Was hast du dir nur dabei gedacht?", bestritt ich weiterhin alleine die Unterhaltung. Ja er hörte es nicht, aber irgendwie musste ich mich ablenken, mit so einer Situation hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.

Schmeiß die Cupcakes an die Wand (Capcakes 1)Where stories live. Discover now